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Kohleausstieg und Hambacher WaldKampf mit umstrittenen Fakten

Der Kohleausstieg kostet Jobs, führt zu Strommangel und rettet den Hambacher Wald auch nicht: Was ist dran an diesen Argumenten der Kohle-Fans?

Ohnehin nicht zu retten? Was für ein Quatsch! Foto: dpa

Bedroht ein früherer Kohleausstieg wirklich „Hunderttausende Jobs“?

Im Mittelpunkt der Gewerkschaftsproteste gegen einen schnellen Kohleausstieg steht die Sorge um Arbeitsplätze. „Wir sind laut für unsere Jobs“ lautet das Motto. Im Aufruftext schreibt die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), eine „einseitige Klimapolitik“ würde „Hunderttausende“ Jobs gefährden.

Auf eine solche Zahl kommt man aber allenfalls unter der Annahme, dass infolge des Kohleausstiegs die Strompreise dramatisch steigen und deshalb große Teile der energieintensiven Industrie das Land verlassen. Direkt an der Braunkohle hängen weitaus weniger Jobs.

Der Braunkohleverband selbst spricht in seinen Statistiken von knapp 20.000 Menschen, die direkt in den Tagebauen und den von ihnen versorgten Kraftwerken beschäftigt sind. Berücksichtigt man auch die Beschäftigten bei Lieferanten, ihre Ausgaben für den privaten Konsum und die Investitionen der Unternehmen, ergibt sich laut einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (PDF) im Auftrag des Braunkohleverbands eine Gesamtzahl von 72.000 Arbeitsplätzen, die von der Braunkohle abhängen und demnach durch einen Kohleausstieg bedroht wären.

Diese Berechnung ist allerdings umstritten. So berücksichtigt die Studie nicht, dass infolge eines Kohleausstiegs zwangsläufig andere Formen der Stromerzeugung zunehmen müssen, also Wind-, Gas- und Solarkraftwerke sowie Speicher – was mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze einhergeht (wenn auch nicht notwendigerweise am selben Ort).

Auch die Annahme, dass ehemalige RWE-Mitarbeiter in Zukunft keinerlei Konsumausgaben mehr tätigen werden, erscheint realitätsfremd. Und die Arbeitsplätze, die man auch nach dem Ende der Kohleverstromung noch über Jahrzehnte für die Renaturierung der Tagebaue benötigt, werden ebenfalls komplett ignoriert.

Andere Studien sehen die Auswirkung auf die Beschäftigung denn auch deutlich optimistischer. So kommt etwa das Freiburger Öko-Institut in einer Analyse für das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass auch ein beschleunigter Kohleausstieg, wie er zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele erforderlich ist, weitgehend ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen könnte. Grund ist die ungewöhnliche Altersstruktur in der Kohlebranche: Fast zwei Drittel der Beschäftigten in den Tagebauen werden bis zum Jahr 2030 ohnehin in den Ruhestand gehen.

Gefährdet der Kohleausstieg tatsächlich die Versorgungssicherheit?

Ein weiteres zentrales Argument, das regelmäßig gegen einen schnellen Kohleausstieg (also etwa bis zum Jahr 2035) vorgebracht wird, ist die Versorgungssicherheit. Auch bei der Demonstration am Mittwoch wird wieder vor einem „Blackout“ gewarnt. Wenn sowohl Atom- als auch Kohlekraftwerke abgeschaltet sind, gebe es nicht genug Strom, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, so die Befürchtung. Und diese ist nicht ganz unberechtigt.

Denn auch wenn Deutschland derzeit massive Überkapazitäten im Strombereich hat und ein Teil der Kohlekraftwerke problemlos abgeschaltet werden könnte, sieht es bei einem vollständigen Ausstieg anders aus. Zwar kommen mehrere Studien verschiedener Forschungsinstitute zu dem Schluss, dass ein Kohleausstieg bis 2035 möglich ist. Doch um die Stromversorgung jederzeit sicherstellen zu können, müssen – neben einer Flexibilisierung vorhandener Biomassekraftwerke und dem Bau von Speichern – voraussichtlich auch neue Gaskraftwerke entstehen.

Diese sind aber zum einen klimafreundlicher als Kohlekraftwerke, weil sie pro Kilowattstunde im Vergleich zu Braun- oder Steinkohlekraftwerken nur ein Drittel bzw. die Hälfte an CO2 produzieren. Zum anderen sind Gaskraftwerke sehr viel flexibler und können damit gezielt nur dann zugeschaltet werden, wenn sie wirklich gebraucht werden. Und langfristig, wenn auch fossiles Erdgas aus Klimaschutzgründen ersetzt werden muss, können sie auch mit Gas betrieben werden, das synthetisch aus Ökostrom erzeugt wird.

Ist der Hambacher Wald wirklich „ohnehin nicht zu retten“?

Als Reaktion auf die erfolgreichen Proteste zur Rettung des Hambacher Waldes, dessen Abholzung für den Braunkohletagebau Hambach vom Gericht vorläufig gestoppt wurde, behaupten der RWE-Vorsitzende Rolf Martin Schmitz und der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis in großer Einmütigkeit, dass der Wald in keinem Fall zu retten sei. Selbst wenn der Kohleabbau in Hambach komplett eingestellt würde, müsste der Wald gerodet werden.

„Wir brauchen diese Erdmassen, um die Böschungen dauerhaft zu stabilisieren“, sagt Schmitz. „Die sind so steil, dass sie abgeflacht werden müssen.“ Hintergrund ist, dass die riesige Tagebaugrube nach dem Ende des Betriebs in einen See verwandelt werden soll, und dessen Böschungen dürfen nicht so steil sein, dass sie ins Rutschen geraten können.

Dem widerspricht der Umweltverband BUND in einer eigenen Studie ausdrücklich – und zwar unter Bezug auf Angaben von RWE selbst. Denn das Unternehmen geht in seinen Planungen davon aus, dass die Böschung des Sees eine Neigung von 1 : 5 haben wird. Derzeit ist die dem Wald zugewandte Seite der Grube mit einer Neigung von 1 : 8 allerdings deutlich weniger steil. Ein Abbaggern des Waldes aus Stabilitätsgründen ist demnach nicht notwendig; vielmehr könnte RWE allein durch eine Versteilung der Böschung sogar noch vier Jahre Kohle fördern, ohne die Abbaukante zu verschieben oder die Stabilität des späteren Sees zu gefährden.

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7 Kommentare

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  • Schön widerlich immer das "Argument" mit den Jobs.

    Dem gegenüber interessieren die halbe Millionen Menschen (500.000!) offensichtlich deutlich weniger, die jedes Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung sterben müssen.

  • Man muss mehrere Faktoren gegeneinander abwägen. Und was die meisten Menschen scheinbar noch nicht verstehen, ist, daß der Klimawandel der überragende Faktor ist.



    Oder ist es wichtiger, daß jetzt ein paar 10.000 Leute ihre Arbeit behalten und daß wir unverändert unserem Konsum frönen können, als daß in 50 Jahren Millionen Menschen aufgrund von Dürren und Meeresspiegelanstieg sterben?

    • @shashikant:

      Warum soll es Nordeuropa anders ergehen, als den Süden?

      Täglich sterben noch heute ca. einhundert tausend Kinder an Hunger und den Folgen von Hunger auf dieser Erde.

      Während alleine Europa Millionen Tonnen Lebensmittel wegwirft?

      Über eine Milliarde Menschen haben kein Zugang zu sauberen Trinkwasser dagegen der Westen regelrecht mit dem kostbaren Wasser verschwendet?

      Der sog. Westen alleine verbraucht mit seinen gerade einmal 12% der Weltbevölkerung mehr als 40% der weltweiten Ressourcen.

      wenn man dann noch China mit einer Milliarde Menschen und Indien mit über eine Milliarde Menschen dazu nimmt, welche auch den westlichen Lebensstandard anstreben. Würde das auch ca. 40% je Land bedeuten. Das wäre auch für Menschen, welche an Dyskalkulie leiden auszurechnen.

      Und was machen dann die noch immer über 4 Milliarden Menschen auf dieser Erde?

  • So richtig überzeugend klingt das mit dem Forst aber nicht. Zum Einen dürfte jetzt schon die nahe Grube den Grundwasserspiegel gewaltig absenken. Der See wird einige Jahre brauchen, bis er vollgelaufen ist. Wahrscheinlich ist der Wald bis dahin vertrocknet.

    Zum zweiten: Wenn der Kohlausstieg sozialverträglich und netzstabil erst in zwölf bis siebzehn Jahren stattfinden kann (und daher im Zweifel auch frühestens wird), wie sieht es dann aus? Ein sofortiger Stopp in Hambach dürfte eher eine theoretische Alternative sein. Also wäre der Wald dann in drei vier Jahren weg.

  • Was interessiert mich der Kohleausstieg. Das Verbot des qualmenden Holzkamins schräg gegenüber in 6 Meter höhe ist die tödliche Dosis; nicht im 150 Meter höhe Kilometer weit abseits einer Siedlung.



    Weis sogar die Umwelthilfe. Doch z.Zt. wird eben die Dieselsau oder die Braunkohlensaue durchs Dorf gejagt.



    Das bringt mehr Stimmen und es weiß keiner der uninformierten Wähler, das das das weitaus größere Problem ist.



    Kachelmann auf t-online mal googeln. Dort stehen auch weitere Fakten.

    • @Thomas Sauer:

      Was Sie der Kohleausstieg interessiert?

      Nun ja, wenn es sie nicht interessiert, sind sie ja frei, das so zu sehen. Nur wird es dann halt mit der Klimakrise soweit kommen, dass sie nix mehr zu atmen haben und der Rest derer, die sie mithin ebenfalls nicht zu interessieren scheinen, auch nicht.

      Wenn ihnen ihre Lebensgrundlage egal ist, dann geht es ihnen wie vielen Anderen auch, die weiter in der Weltgeschichte rumdüsen, fette Karren mit Verbrennungsmotoren fahren, Energiesparen nur irgendwie nervig und "so achtziger" finden oder einfach nur ihr gutes Einkommen bei RWE behalten wollen. Egal was ihre Kinder davon halten werden, wenn es keine lebenswerten Bedingungen mehr gibt und soziale Krisen die welt erschüttern aufgrund von Klima-Ungerechtigkeit in der Welt.

      Mir sind diejenigen, mit einem offenen Ohr für die Wirklichkeit -- und sei sie auch noch so bedrohlich -- deutlich lieber, als diejenigen, die nur bis zum Nachbarszaun sehen können!

    • @Thomas Sauer:

      Aufgrund der Holzkamine wird die Kohle auch nicht sauberer.



      Manchmal gibt es tatsächlich mehr als ein Problem gleichzeitig (von der Größenordnung mal ganz abgesehen).