Köln-„Tatort: Kein Mitleid, keine Gnade“: Mottenkiste der Stereotype
Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln dieses Mal an einem Gymnasium. Es geht um homophobe Mitschüler, Dating-Apps und leider um alte Klischees.
„Diese Welt ist nicht für uns gemacht. Wir sind für sie gemacht“, sinniert Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) am Ende des Kölner Tatorts. Da ist der Mordfall schon aufgeklärt, die Kollegen haben gerade für dessen Partner Freddy Schenk (Dietmar Bär) gesungen, der Geburtstag hat. Und die beiden zweifeln an der Aufrichtigkeit dieser kollegialen Geste.
Mit dieser „Welt“ meint Ballauf den eigenen Arbeitsplatz, wo man über Kollegen lästert und ihnen später doch in aufgesetzter Herzlichkeit gratuliert. Ballauf und Schenk wollen sich nicht anpassen. Sie sind ehrliche Häute. Auch wenn die soziale Norm bei der von Konkurrenz geprägten Polizei die bösen anderen begünstigt.
Das Motiv der gesellschaftlichen Norm und Anpassung zieht sich auch sonst als roter Faden durch die Episode: Der Abiturient Jan wird leblos und nackt am Rheinufer vor einer verlassenen Villa gefunden – weil er als schwuler junger Mann seine sexuelle Orientierung nicht offen ausleben konnte und sich in der Villa mit anderen jungen Männern getroffen haben soll.
Das homophobe Sportass
Die Suche nach dem oder der Mörderin führt die Ermittler in das Gymnasium von Jan. Hier zeigt sich der Anpassungsdruck dann mit aller jugendlich-unaufgeklärter Härte: Paul, ein Freund und eine potenzielle Liebschaft von Jan, ist erschüttert über den Verlust. Immerzu den Tränen nahe wird er von ehemaligen Freunden als „Schwuchtel“ geschmäht und körperlich angegangen. Am homophobsten tritt das Sportass und die intellektuelle Null Robin auf, der vor Freundinnen damit prahlt, zur U19-Fußballnationalmannschaft berufen worden zu sein.
Köln-„Tatort: Kein Mitleid, keine Gnade“, So., 20.15 Uhr, ARD
Hat er Jan getötet? Oder war es doch ein Mitschüler, mit dem sich Jan in der Villa getroffen hat – und der nicht wollte, dass Jan ihn outet? Oder war es der Sanitäter Farid, der in der Schule Erste-Hilfe-Kurse gibt? Der hat zwar eine Freundin, nutzt aber eine Dating-App für Schwule. Irgendwas kann da doch nicht stimmen!?
Dass sich der „Tatort“ gelegentlich in Gesellschaftskritik übt, ist nicht neu. Der sonntagabendliche Volkssport des durchschnittlichen Deutschen wäre aber nicht ebenjener, wenn er nicht auch regelmäßig in die Mottenkiste der Stereotype greifen würde. Denn natürlich hat der schwule Sanitäter Farid einen strengen, muslimischen Vater, dem die Homophobie möglicherweise qua Herkunft in die DNA geschrieben ist – und der lieber stirbt, statt das Schwulsein seines Sohns zu ertragen.
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