Kodex der Pharmafirmen: Transparenz unter Vorbehalt

Pharmaunternehmen wollen veröffentlichen, welche Ärzte und Institutionen Geld von ihnen erhalten. Das Kartellamt hat den Kodex jetzt gebilligt.

Die Frage ist, wer sonst noch die Hand aufhält? Bild: dpa

HAMBURG taz | Führende Arzneimittelhersteller versprechen mehr Durchblick beim Sponsoring von Heilberuflern: Ab 2016 wollen sie auf ihren Internetseiten pro Kalenderjahr auflisten, mit welchen Ärzten, Apothekern, Kliniken, Fachgesellschaften und Forschungseinrichtungen sie kooperieren – und wie viel Geld sie ihnen aus welchem Grund bezahlt haben.

Publiziert werden sollen zum Beispiel: Beratungshonorare, Zahlungen für Vorträge, Geld- und Sachspenden, Übernahme von Tagungs-, Reise- und Übernachtungskosten im Rahmen von Fortbildungen, die Pharmafirmen veranstalten oder finanziell unterstützen.

Grundlage der neuen Offenheit ist ein „Transparenzkodex“, den das Bundeskartellamt vor wenigen Tagen als Wettbewerbsregeln für jene 59 Pharmafirmen anerkannt hat, die Mitglied im Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) sind.

Schaut man genauer in den vom FSA selbst formulierten Kodex, entdeckt man auch seine Grenzen. Grundsätzlich ist zwar vorgesehen, dass Geldempfänger auf den Webseiten der Pharmafirmen mit Namen und Adressen genannt werden sollen. Eine Ausnahme soll es aber ausgerechnet für den geldfluss-intensiven Bereich der Forschung geben: Hier erfolgt die Veröffentlichung gemäß Kodex nur „zusammengefasst (aggregiert) und ohne namentliche Nennung der individuellen Empfänger“. Die Anonymisierung solle verhindern, dass Konkurrenten Rückschlüsse auf laufende Forschungsprojekte ziehen könnten, heißt es.

„Scheinstudien, die nur Marketingzwecken dienen“

„Transparenz schafft Vertrauen und bekämpft Misstrauen“ meint die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) und hat unter diesem Slogan ihre Info-Webseite online gehen lassen: http://www.pharma-transparenz.de/

Weitere Infos über Pharma-Sponsering gibt es auch auf den Webseiten von medien-doktor.de.

Gemeint sind hier aber nicht nur klinische Arzneimitteltests, sondern auch sogenannte Anwendungsbeobachtungen (AWB) bereits zugelassener Medikamente, die Ärzte gegen üppiges Entgelt für Pharmafirmen leisten. Kritiker wie die Antikorruptionsorganisation Transparency International geißeln AWB seit Jahren als „Scheinstudien, die nur Marketingzwecken dienen“; in Wahrheit gehe es den Auftraggebern nur darum, neue Präparate mit Hilfe von Medizinern am Markt zu platzieren.

Die verheißene Offenheit ist nicht nur bewusst beschränkt, sie steht auch unter einem prinzipiellen Vorbehalt: Die eigentlich ja angestrebte Namensnennung soll es nur geben, wenn die betroffenen Heilberufler der Veröffentlichung ausdrücklich zugestimmt haben.

Dies sei datenschutzrechtlich geboten, erläutert der FSA; man hoffe aber, dass viele Geldempfänger mitziehen: „Transparenz kann nur funktionieren, wenn alle Partner damit einverstanden sind.“ Denkbar und möglich wäre aber auch eine weitergehende Selbstverpflichtung, die Zahlungen stets davon abhängig macht, dass die ärztlichen Empfänger zuvor auch deren Veröffentlichung billigen; praktisch regeln könnte man dies in Sponsorverträgen.

Die Schlupflöcher des Kodexes dürften Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die derartige Papiere sowieso für ein Muster mit wenig Wert halten. „Freiwillige Selbstkontrollen sind dazu gemacht, dass sie Gesetzen zuvorkommen und diese dadurch – allerdings nur scheinbar – überflüssig machen“, meint etwa die Initiative „Mein Essen zahl ich selbst“ (Mezis) von Ärzten, die Wert darauf legen, unbestechlich zu sein.

Bestechung im Gesundheitswesen

Ob die Skeptiker Recht behalten werden oder nicht, müsste sich in der laufenden Legislaturperiode zeigen. CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag jedenfalls angekündigt: „Wir werden einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch schaffen.“

Passiert ist bisher nichts. Dabei gab es bereits 2013 Vorschläge im Bundestag, die aber nicht ernsthaft aufgegriffen wurden. Ein Antrag der Grünen sah vor, im Gesundheitswesen sämtliche Geldgeber und -nehmer per Gesetz zu verpflichten, Zahlungen und Zuwendungen aller Art zu veröffentlichen – Verstöße gegen die Pflicht zur Offenlegung müssten wirksam sanktioniert werden.

Rückenwind für transparenzwillige Politiker müsste eigentlich auch aus der Ärztelobby kommen. Die Bundesärztekammer hatte 2013 immerhin ein „Positionspapier zur Bundestagswahl“ präsentiert, das auch „rechtliche Vorgaben“ zur Offenlegung aller Zuwendungen forderte – Begründung: „um einen wachsenden Einfluss der pharmazeutischen und Geräteindustrie auf die Medizin zu verhindern“.

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