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Kochen mit GasDreckiger als Diesel?

In einer Küche mit Gasherd herrscht ein viel höherer Stickoxid-Wert als auf der Straße, ist immer wieder zu lesen. Doch dieser Vergleich ist Unsinn.

Droht am Gasherd die wahre Gesundheitsgefahr? Foto: AP

BERLIN taz Eigentlich sollte dies eine Geschichte über die große Gefahr werden, die in vielen Küchen lauert. Denn zum Jahrestag des Diesel-Gipfels erklärte der CDU-Politiker Thomas Bareiß in der vergangenen Woche auf Twitter, „gesundheitliche Beeinträchtigungen“ durch Diesel-Abgase seien „äußerst fraglich“. Als Grund für seine Entwarnung gab er an: „Jede Küche, in der sich zum Beispiel ein Gasherd befindet, hat eine vielfach höhere Belastung.“

Nun ist Bareiß nicht nur Bundestagsabgeordneter und Energieexperte seiner Partei, sondern auch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Sein Wort hat also Gewicht: Wenn er vor der Gesundheitsgefahr durch Gasherde warnt – sollte man die dann vielleicht lieber schnell aus der Wohnung werfen?

Was also ist die Grundlage für die dramatisch klingende Warnung? Im Wirtschaftsministerium gibt es dazu leider keine Informationen. Auch Bareiß selbst kann auf Anfrage nicht genau sagen, worauf er sich in seinem Tweet bezieht. „Ich bin durch verschiedene Veröffentlichungen darauf aufmerksam geworden“, sagt er nur.

„Wo bleibt die Kampagne?“

Tatsächlich findet sich die Warnung, dass Gasherde gefährlicher als Diesel-Autos sind, an diversen Stellen im Internet: Das rechte Blog „Die Achse des Guten“ hat darüber berichtet, die Klimawandel-Leugner von Eike verbreiten die Information, und auch Spiegel-Provokateur Jan Fleischhauer fragte kürzlich: „Wo bleibt die Kampagne gegen den Gasherd?“

Ein besonders eindringlicher Warner vor der vermeintlichen Gefahr in der Küche ist Prof. Thomas Koch. Der leitet das Institut für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie, gehört zu den wichtigsten wissenschaftlichen Verteidigern des Diesel-Motors und äußerte sich in den Medien mehrfach auch über Gasherde. In einem Gastbeitrag für den Nachrichtensender n-tv mit der Überschrift „Ja zum Diesel – Schluss mit unseriösen Diesel-Statements“ etwa schreibt Koch: „In einer Küche mit Gasherd können NO2-Werte bis 4.000 Mikrogramm/Kubikmeter gemessen werden“ – und vergleicht diese Zahl explizit mit dem EU-Straßen-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, der vielerorts zu Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge führt.

100-mal höhere Werte in der Küche als auf der Straße – das wäre ja wirklich dramatisch.

In einer Küche mit Gasherd können NO2-Werte bis 4000 Mikrometer/Kubikmeter gemessen werden

Thomas Koch

Doch woher kommt die alarmierende Zahl? Auf diese Frage liefert Koch eine Tabelle und eine Kurve, die aus einer Publikation schottischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2001 stammen (hier als pdf). Darin ist tatsächlich an einer Stelle ein Wert von rund 4.000 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter zu finden. Er wurde erreicht, nachdem alle vier Flammen eines Gasherds in einem Raum ohne Fenster und Abluft zwei Stunden lang auf höchster Stufe gebrannt hatten. Und zwar nicht als Mittelwert, sondern als kurzzeitiger Maximalwert. Und nicht irgendwo im Raum, sondern direkt vor dem Herd.

Mit der Realität in einer Küche, so schreiben die Autoren der Studie selbst, haben diese Messungen nichts zu tun.

Vor allem aber ist ein Vergleich der Werte mit den Grenzwerten für die Diesel-Fahrzeuge nicht zulässig. „Beim Kochen an einem Gasherd entstehen zwar tatsächlich hohe Stickoxid-Werte von bis zu 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter“, sagt Heinz-Joern Moriske, Luftschadstoffexperte beim Umweltbundesamt (UBA). „Aber das sind kurze Spitzen.“ Das NO2 werde schnell verdünnt, vor allem wenn wie vom UBA empfohlen beim Kochen am Gasherd das Fenster geöffnet oder ein Dunstabzug mit Abluft genutzt werde. Für die Diesel-Fahrverbote sind hingegen Jahresmittelwerte relevant. „Das ist überhaupt nicht vergleichbar“, sagt Moriske.

„Aufgeblasene“ Stickoxid-Diskussion

Auch Diesel-Freund Koch räumt gegenüber der taz ein, bei den von ihm genannten Gasherd-Werten handele es sich „um Peak-Werte, nicht um Mittelwerte“. Doch warum hat er diesen Wert dann explizit als „Vergleichswert“ für den ­Jahresdurchschnitt auf der Straße genannt? „Ihre Anfrage verstehe ich nicht“, schreibt Koch dazu. Es sei ihm nicht um einen direkten Vergleich gegangen, sondern darum, „Größenordnungen für die Menschen greifbar zu machen“. Denn die ganze Stickoxid-Diskussion halte er für „aufgeblasen“, schreibt er.

Das ist überhaupt nicht vergleichbar

Heinz-Joern Moriske

Das also scheint der wahre Hintergrund der Gasherd-Warnung zu sein: die Diesel-Gefahr zu relativieren. Koch hat vor seiner Professur zehn Jahre lang als Ingenieur bei Daimler gearbeitet, er hält diverse Patente für Verbrennungsmotor-Technologien. Die Warnungen vor schädlichen Diesel-Abgasen nennt er in Interviews gern „Hysterie“ oder „Hexenjagd“.

Doch was heißt das für den Gasherd? Stellt er, trotz der nicht vergleichbaren Werte, mit denen Koch und Bareiß argumentieren, eine Gesundheitsgefahr dar?

Tatsächlich gibt es eine Untersuchung dazu, wie sich der Mittelwert der NO2-Konzentration verändert, wenn in einer Wohnung regelmäßig mit Gas gekocht wird: Er steigt demnach lediglich um 5 Mikrogramm pro Kubikmeter. Lüften ist beim Kochen also durchaus sinnvoll. Doch als Argument gegen Diesel-Grenzwerte eignet sich der Gasherd nicht.

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20 Kommentare

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  • Ich koche seit ca. 40 Jahren mit Gas. seit zehn Jahren habe ichPolyneuropathie,dh.eine Nervenkrankheit mit tauben Füssen und Beinen. Kein Mediziner kann irgend etwas finden.



    Sind vielleichtNO2 oder andere Giftstoffe im Gas verantwortlich ????

  • Lieber Herr Kreutzfeld.

    Die Stadt Nürnberg hat den Stadtrat und Umwelreferenten Dr Peter Pluschke.



    Der hatte sich doch glatt mal mit Luftschadstoffen in Innenräumen beschäftigt, auch mit der Stickoxidbelastung durch Gasherde (Seite95):

    books.google.de/bo...sthmatiker&f=false

    Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist der Mann ein rechter Klimawandelleugner, da er ja offensichtlich Ihnen widerspricht und nicht in gute und böse Stickoxidbelastungen zu unterteilen weiß-

    • @DJ Boemerang:

      Nachtrag:



      Dr. Peter Pluschke ist übrigens Mitglied der bekannten Klimawandelleugner und Diesel-Lobbyyisten-Partei Bündnis90/Die Grünen.

  • Wow, endlich mal ein wohltuend realistischer Umgang mit Schadstoff-Grenzwerten in der TAZ. Wenn man mal den Stickoxid-Mittelwert von 5 Mikrogramm pro Kubikmeter in einer Wohnung mit Gasherd akzeptiert (Quelle vom Autor leider nicht angegeben), entspricht das 12,5% des zulässigen Mittelwertes im Straßenverkehr. Und diese 5 Mikrogramm sind laut Autor kein Problem.

    Das ist beachtlich, wenn man das mit der Schnappatmung vergleicht, die bei dem vermeintlichen „Glyphosat-im-Bier-Gate“ vorherrschte. Hier war der Grenzwert um den Faktor 1000 unterschritten worden, also 0,1% des zulässigen Grenzwertes.

    Vor Allem die vorgebrachte Lösung: Fenster auf und verdünnen! Man stelle sich mal vor, die Industrie würde so argumentieren!

    Den Vorwurf, die Politik wolle die Diesel-Gefahr relativieren, kann man also geradewegs zurückgeben. Die TAZ unterscheidet zwischen "guter" und "böser" Verbrennung. Der Diesel gehört zur "bösen" Verbrennung und deshalb müssen alle Argumente pro Diesel relativiert werden.

    Mein Vorschlag: Wir stellen alle Autos auf Gas um! Und fahren mit größerem Abstand. Dann haben wir die problemlose Gasverbrennung und den Verdünnungseffekt wie beim Fenster öffnen!

    • @M.Krauss:

      Für Stickoxid-Vergleiche zwischen einer Küche und einem Straßenzug müsste man schon die Luftsäule zwischen der Fahrbahn einer Hauptverkehrsstraße und ca. 2,20m darüber auf das Volumen einer durchschnittlichen Küchengröße verdichten.

    • @M.Krauss:

      Sie Vergleichen gerade wirklich die eigene Wohnung und den Straßenverkehr?



      Genau! Warum regen wir uns über Stickoxide auf der Straße auf? Machen wir einfach das Fenster auf der Staße auf und lassen die Stickoxide raus aus der Atmosphäre!



      Es ist ein Unterschied ob ich beim kochen Stickoxide knapp eine Stunde lang erzeuge, oder an einer Straße von 8 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends!

      Die Hitze in der Saune ist die paar Minuten die man in dieser verbringt ja auch nicht schädlich.



      Also ist es auch nicht schlimm, wenn man dieser mal 8 Stunden ausgesetzt ist.

      • @derSchreiber:

        Der Verglleich von Wohnung und Straßenverkehr ist Thema des Artikels.

        Eine Stunde Stickoxid am Tag ist also Okay? Na wenn es weiter nichts ist, brauchen wir ja nur Stickoxid-Sammeltanks in die Autos einbauen. per GPS-Signal werden dann automatisch alle Tanks täglich eine Stunde lang entleert. Genau zur Mittagsstunde, in der eh alle am Gasherd stehen. Problem gelöst!

        Geniale Idee eigentlich, alles was für den Mensch Schädlich ist, auf kurze Intervalle zu begrenzen.

        Vor Allem, wenn Ihnen nach Schadstoffe gleichzusetzen sind mit der Hitze in einer Sauna.

        Einfach die Zigarette auf einen Zug wegrauchen. Am besten die ganze Tagesration am Stück innerhalb einer Stunde.

        Oder die ganze Flasche Korn auf einen Riss abexen!

        Dann merkt der Körper das gar nicht!

    • @M.Krauss:

      Sorry, Quelle ist vorhanden, habe ich übersehen.

  • „die Klimawandel-Leugner von Eike“. Herr Kreutzfeldt, Sie verbreiten hier Unwahrheiten! Bei Eike wird in keinster Weise behauptet, oder wie Sie scheiben geleugnet, daß sich das Klima nicht wandelt. Das exakte Gegenteil ist der Fall! Dort wird festgestellt, daß sich das Klima in der Erdgeschichte immer gewandelt hat und sich auch in Zukunft immer wieder ändern wird, ob die Menschen nun da waren, da sind oder auch nicht. Bei Eike wird allerdings bezweifelt, daß die Menschen im allgemeinen und das menschengemachte zusätzliche CO2 in Luft, den riesen großen Einfluß auf das aktuelle Wetter und folglich den daraus resultierenden Klimadaten haben. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit oder recherchieren Sie richtig! Danke!

  • Hab jahrelang mit Gas gekocht und es hat mir nicht geschadet. Es gibt einfach nichts besseres. Leider wird man auf Dauer davon dick «(º¿º)»

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Über Sinn und Unsinn der Art und Weise der Schadstoffmessung an Strassen kann man ebenfalls diskutieren. Auch hier wird gern praktisch direkt vorm "Auspuff" gemessen. Ein paar Meter weg von der Fahrbahn sehen die Werte dann schon wieder ganz anders aus. Einige Messstationen sind im übrigen nicht konform mit EU Regeln zur Schadstoffmessung aufgestellt. Aber beim Auto zählen solche Argumente, anders als beim Gasherd oder Pelletofen, nicht. Schließlich ist das Auto böse, basta!

  • Gas ist ein Oberbegriff.



    Als Kochgas werden unterschiedliche Gase verwendet.



    Bei der Verbrennung von Propangas / "Flüssiggas" / "Flaschengas" entstehen als Verbrennungsrückstände nur Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser(dampf) also gar keine Stickoxide.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Wagenbär:

      Das ist leider nicht richtig. Auch wenn das verwendete Gas keinen Stickstoff enthält, entsteht bei Verbrennungsprozessen mit hoher Temperatur NO2. Der Stickstoff (N2) stammt dabei aus der Luft.

      • @Malte Kreutzfeldt:

        Was auch für alle Kraftstoffe richtig ist, denn weder Diesel noch Benzin (die nur unterschiedlich lange Kohlenwasserstoffketten sind) enthalten selbst Stickstoff. Dieser stammt immer aus der Umgebungsluft.



        Der Diesel (Motor) neigt mehr zu NOx Erzeugung weil die Verbrennung bei hohem Druck und Luftüberschuss Stickstoffoxidentstehung begünstigt, d.h. Auch direkteinspritzende Benzinmotoren haben dieses Problem eher als alte Saugmotoren. Unter den selben Bedingungen und wegen der fein vernebelnden Direkteinspritzung wird auch mehr Feinstaub erzeugt - beim Gasherd findet das nicht statt.



        Wenn aber moderne direkteinspritzende, hochverdichtende Benzinmotoren die Diesel ersetzen, dann treibt man den Teufel nur mit dem Belzebub aus. Beim Benziner löst der G-Kat in der Nachreinigung das NOx-Problem, aber nicht das des Feinstaubs. Der ist bei Benzinern noch feiner als bei Dieseln - es existieren für Benziner aber nich nicht mal Grenzwerte, geschweige denn werdden Filter eingebaut. Aber das ruecht man ja nicht, und die CO2-Diskussion scheint auch keine Rolle mehr zu spielen, beim Ersetzen von Dieseln durch Benziner. Die ganze Debatte ist vom Kosten-Nutzen Effekt irrsinnig, die Dieselverbote reine (und teure) Symbolpolitik. Man will die Hersteller bestrafen und schlägt die Kunden. Das beschert der Autowirtschaft zur Belohnung noch ein äKonjunkturprogramm... Das wird die Bereitschaft für Umweltkooperation unter den Bürgern sicher erhöhen.

  • Gemäß dem Bundes-Immissionsschutzgesetz dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nur Gasgeräte betrieben werden, welche die Anforderungen der NOx-Klasse 5 (Stickoxid-Ausstoß maximal 70 mg/kWh) erfüllen.



    70.000 Mikrogramm pro kWh sind doch eine echte Lapalie, also fast gar nichts.

  • Dieser Beitrag zeigt deutlich, wie emotional die Diskussion um den Diesel geführt wird und dass dabei auf Seiten der Dieselkritiker nicht nur um Sachargumente geht. Wer nicht für sie ist wird in dierechte Ecke gedrängt. Oh, es geht nicht um den 1000fachen Spitzenwert, sondern nur um den 250 fachen. Welchen Gefahren sind eigentlich dann professionelle Köche ausgesetzt? Und auch im Straßenverkehr, z.B. in Köln wird direkt an der Staße, also direkt am Auspuff gemessen.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollte man mal eine epidemiologische Untersuchung in Restaurantküchen machen, wo viel mit Gas gekocht wird, weil sich Gas eben am besten zum Kochen eignet. Damit könnten Sterneköche den Diselstarkoch vielleicht zum Schweigen bringen.

  • Super! Danke dafür.

    Wenn ein Kolbenmaschinen-Prof behauptet, dass Verbrennungsmotoren kein Problem sind...da muss man eigentlich gleich lachend abwinken. Oder ihn eine halbe Stunde hinter seinen Auspuff setzen.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Mitch Miller:

      Warum? Hat der Kolbenmaschinen-Prof von Kolbenmaschinen etwa weniger Ahnung als ein taz-Redakteur, der vielleicht Politikwissenschaft studiert hat?

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Mitch Miller:

      Nee, da hamm se recht. Ich frag da auch lieber die Göring-Eckhard oder die Claudia Roth, die sind objektiv und haben Fachkenntnisse.