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Koalitionsvertrag von R2G in ThüringenProgramm steht, Mehrheit fehlt

Linke, SPD und Grüne einigen sich in Thüringen auf ein Regierungsprogramm. Entscheidende Gespräche mit der Opposition kommen aber erst noch.

Trotz Koalitionsvertrag: Eine Mehrheit im Landtag hat Rot-Rot-Grün nicht Foto: dpa

Erfurt dpa | Linke, SPD und Grüne sind knapp drei Monate nach der Landtagswahl in Thüringen den nächsten Schritt zur Bildung einer Minderheitsregierung gegangen. Die drei Parteien verständigten sich am Mittwoch in Erfurt auf einen rund 60 Seiten starken Regierungsvertrag und warben zugleich bei CDU und FDP für Unterstützung dafür. „Es ist aus unserer Sicht durchaus möglich, dass die CDU uns eins zu eins unterstützen könnte“, sagte Thüringens Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow nach der Einigung.

Thüringen steuert damit angesichts komplizierter Mehrheitsverhältnisse im Landtag auf ein politisches Experiment zu. Bisherige Minderheitsregierungen in den Bundesländern waren entweder Übergangslösungen oder wurden von einer anderen Fraktion zumindest toleriert.

Nach der Wahl Ende Oktober fehlen den bisherigen Regierungspartnern Linke, SPD und Grüne vier Stimmen für eine Mehrheit im Parlament – sie kommen zusammen auf 42 von 90 Sitzen. Zweitstärkste Fraktion mit 22 Sitzen vor der CDU mit 21 Sitzen ist die AfD mit ihrem Frontmann Björn Höcke, mit dem alle anderen Fraktionen eine Zusammenarbeit ablehnen. FDP und CDU hatten angekündigt, eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung nicht tolerieren zu wollen.

Thüringens CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring nahm aber ein Gesprächsangebot von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) an. Bei einer zweitägigen Klausur seiner Fraktion habe man sich einstimmig auf 22 „unbestrittene politische Themenfelder“ verständigt, die bei dem Treffen mit Ramelow besprochen werden sollen, sagte Mohring nach der Klausur.

Keine „Fundamentalopposition“

Er wolle bei dem Treffen signalisieren, dass die CDU-Fraktion bei diesen Themen nicht in eine „Fundamentalopposition“ gehen wolle. Dazu gehörten etwa Qualitätsverbesserungen in den Kindergärten und das Einstellen von mehr Polizisten. Ein Termin für ein Treffen von Ramelow und Mohring steht nach Angaben der Linken noch nicht fest.

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee betonte, dass es Offenheit in der Bevölkerung und bei FDP und CDU brauche, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte, der Vertrag bedeute auch eine „offene Tür, die wir jederzeit gegenüber FDP und CDU aufmachen wollen, um Mehrheiten zu organisieren“.

In dem Vertrag für eine mögliche Minderheitsregierung bekennen sich Linke, SPD und Grüne zur weiteren Aufarbeitung von DDR-Unrecht. In die Präambel des Vertrages wurde ein Passus aufgenommen, in dem die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet wird, wie Vertreter der drei Parteien mitteilten.

Ressortzuschnitt noch unklar

Die SPD und die Grünen wollen noch auf Parteitagen darüber abstimmen lassen, ob sie in eine Minderheitsregierung einsteigen sollen. Die Linken wollen ihre Mitglieder dazu befragen. Grundlage dafür soll der nun vereinbarte Regierungsvertrag sein. Über den Zuschnitt der Ressorts soll in den nächsten Tagen noch beraten und entschieden werden.

Hennig-Wellsow sagte, dass die Zahl der Ministerien in Thüringen ihrer Meinung nach nicht steigen sollte. „Ich erwarte keine großen Verschiebungen.“ Die Grünen, die kleinster Partner in dem Dreierbündnis sind, hatten in den vergangenen Wochen Anspruch auf das Landwirtschaftsministerium erhoben, das derzeit von der Linken geführt wird. Hennig-Wellsow sagte, „die Verhandlungen sind ergebnisoffen“. Sie sehe derzeit jedoch keinen Grund, „warum die Linke die Landwirtschaft abgeben sollte“.

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1 Kommentar

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  • „In dem Vertrag für eine mögliche Minderheitsregierung bekennen sich Linke, SPD und Grüne zur weiteren Aufarbeitung von DDR-Unrecht. In die Präambel des Vertrages wurde ein Passus aufgenommen, in dem die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet wird, wie Vertreter der drei Parteien mitteilten“



    Wie kommt es, dass die Linkspartei den Passus „DDR als Unrechtsstaat“ diesmal geräuschlos durchgehen ließ? Zur vorletzten Wahl gab es wegen dieser Formulierung heftigen Streit zwischen der Linken und ihrem Mitglied Ramelow. Als Kompromiss wurde die DDR „nicht als Rechtsstaat“ bezeichnet und Ramelow durfte seine schärfere Meinung behalten.



    Die Kennzeichnung der DDR als Unrechtsstaat dürfte auch diesmal nicht allen gefallen haben. Wie wurden die Linken diesmal ruhiggestellt?