Koalitionsvertrag in Niedersachsen: Mehr Klimaschutz, kaum Begeisterung
Fridays for Future, Grüne Jugend, Polizeigewerkschaft und Steuerzahlerbund: Am Koalitionsvertrag in Niedersachsen findet jeder ein bisschen zu mäkeln.
Am deutlichsten meckern bisher Fridays for Future, Grüne Jugend – und der Bund der Steuerzahler, der eine Umgehung und Aufweichung der Schuldenbremse fürchtet.
Ansonsten sind die Reaktionen eher verhalten, ein bisschen Lob gibt es von Gewerkschaften und Sozialverbänden, die sich endlich gehört fühlen.
Die allgemeine Zurückhaltung ist kein Wunder: Der neue rot-grüne Koalitionsvertrag ist einigermaßen detailverliebt, formuliert an vielen Stellen aber auch nur Prüfaufträge und eher vage Absichtserklärungen. Trotzdem werden ein paar große Linien erkennbar.
Klimaschutz und Energiewende erhalten ein deutlich größeres Gewicht. Vor allem die Grünen haben aus der Opposition heraus und im Wahlkampf auf mehr Tempo und konkretere Zielvorgaben gedrängt. Nun sollen grundsätzlich alle haushaltswirksamen Maßnahmen einem Klimacheck unterzogen werden, das niedersächsische Klimaschutzgesetz wird noch einmal überarbeitet.
Kein Autobahnstopp
Bis zum Jahr 2040 soll Niedersachsen klimaneutral werden – mit einem weiteren massiven Ausbau der Wind- und Solarenergie, aber auch mit dem Import von grünem Wasserstoff.
Vor allem bei der Ausweisung der Windenergieflächen hat man einen Kompromiss geschmiedet: Die Grünen wollten 2,5 Prozent der Landesfläche festschreiben, die SPD fand 2,2 Prozent ausreichend: Gelandet ist man nun bei 2,2 Prozent.
Wenn sich bei der jährlichen Überprüfung der Ausbauziele spätestens 2026 allerdings herausstellt, dass Niedersachsen die Zielmarke reißt, wird das Flächenziel auf 2,5 Prozent angehoben.
Dritte Kraft in Kitas bleibt
Der Koalitionsvertrag verzichtet allerdings darauf, den Kommunen und Kreisen die Zuständigkeit für die Ausweisung der Flächen aus der Hand zu nehmen, wie es etwa der SPD-Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern plant.
Stattdessen ist viel von besserer Beratung, einer gemeinsamen „Taskforce Energiewende“, Mediation in Streitfällen und einer Pflicht für Anlagenbetreiber, Kommunen, Bürger*innen und lokale Energiegenossenschaften finanziell zu beteiligen, die Rede.
Fridays for Future kritisieren hier vor allem, dass die Klimaschutzziele zu kleinschrittig seien. Sie hätten sich vor allem ein deutliches Aus für den umstrittenen Südschnellweg oder die A20 gewünscht – aber da verweist die künftige Landesregierung auf den Bund. Eine ähnliche Kritik formulierte der Naturschutzbund (Nabu), dem A20 und A39 ebenfalls ein Dorn im Auge sind.
Mit großer Erleichterung hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege darauf reagiert, dass Rot-Grün an der Einführung der dritten Fachkraft in Kitas festhält. Zuletzt hatten die kommunalen Spitzenverbände gefordert, die Einführung auszusetzen – sie kämpfen schon jetzt mit einem erheblichen Fachkräftemangel und befürchten, eine dritte Kraft nicht stemmen zu können.
Die Einführung soll allerdings weiterhin schrittweise über einen langgestreckten Stufenplan erfolgen – wann die dritte Kraft tatsächlich zur Pflicht wird, ist dabei nicht einmal abzusehen – in dieser Legislaturperiode jedenfalls nicht.
Zur Gewinnung von Fachkräften setzt man vor allem auf eine weitere Aufstockung der Ausbildungskapazitäten, aber auch Anwerbungen aus dem Ausland, von Quereinsteigern und Männern. Außerdem lautet hier (wie an den Schulen auch) das Zauberwort „multiprofessionelle Teams“, die pädagogischen Kräfte sollen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden.
Als ähnliche Wunderwaffen werden die Querschnittsthemen Vereinfachung und Digitalisierung gehandelt. Für fast jeden nur denkbaren Bereich werden zusätzliche IT-Kräfte, digitale Plattformen und Monitoring-Tools gefordert – ein Rätsel bleibt, woher all diese Fachkräfte kommen sollen.
Keine Polizeireform
Die Grüne Jugend hätte sich außerdem ein paar mehr Fortschritte im Bereich Polizei und Recht gewünscht: „Wir sind enttäuscht darüber, dass es keine umfassende Reform der Polizei, kein Ticket-System gegen Racial-Profiling und auch keine tiefgreifende Überarbeitung des bestehenden Polizeigesetzes geben soll“, sagt Sprecherin Pia Scholten.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte dagegen die geplante individualisierte Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte mit ihrem Standardargument: „Generalverdacht“.
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