Koalitionsvertrag in Bremen: Ein Schritt in Richtung Monarchie

Die rot-grün-roten Koalitionäre in Bremen betonen, wie gemeinschaftlich sie verhandelt hätten. Der neue Ressortzuschnitt drückt etwas anderes aus.

Andreas Bovenschulte

Ungekrönt. Aber dennoch ziemlich königlich: Andreas Bovenschulte feiert seinen Wahlsieg Foto: Sina Schuldt / dpa

Opposition sagt man, sei Mist. Aber Selbstentleibung ist auch nicht toll: Der neue rot-grün-rote Koalitionsvertrag in Bremen überrascht durch die Rücksichtslosigkeit, mit der die SPD ihre Interessen durchsetzt, und auf welche Kompetenzbeschneidungen sich die kleinen Partnerinnen eingelassen haben.

So hatte Kristina Vogt (Linke) als Senatorin das Zusammenspiel von Wirtschaft und Arbeit erfolgreich gestaltet. Künftig ist sie für Häfen zuständig, aber nicht mehr für Arbeit. Das ist bitter: Vogts größte Stärke ist nämlich der Kontakt zur werktätigen Bevölkerung.

Sie spricht die Sprache der einfachen Leute. Davon hatten nicht nur ihre Partei und sie selbst – mit 23.000 persönlichen Stimmen – profitiert, sondern auch Bremens gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Dieses Potenzial wird stillgelegt. Ist das Absicht? Darf etwa niemand neben Senatspräsident Andreas Bovenschulte populär sein?

Schlimmer erwischt hat es selbstredend die Grünen: Von drei auf zwei Senatsposten runter, das entspricht natürlich der Wahlarithmetik. Die SPD macht jetzt also wieder Soziales. Aber was bleibt vom Herzens- und Identitäsressort der Ökopartei übrig?

Eine Grüßauguste regiert mit

Früher mal waren sie ja mit einer Spitzenkraft zuständig für Stadtentwicklung, Bau, Energie, Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz, Ökolandwirtschaft und einst auch für Europa. Die neue Senatorin für Klima, Umwelt, Energie und Wissenschaft hat zwar auch viele Titel, aber keine Exekutivmacht. Sie ist eine Grüßauguste. Immerhin bleibt die Bezahlung gleich.

Dem müssen die Parteien nun zustimmen: Es wäre unverantwortlich, Neuwahlen zu riskieren. Das hatte die Position der SPD über den Wahlgewinn hinaus gestärkt. Weil sie das schamlos ausgenutzt hat, wird jetzt laut vom Grillen der Ver­hand­le­r*in­nen schwadroniert.

Doch der Senat – de jure nach wie vor ein Organ gleichberechtigter Kol­le­g*in­nen – rückt auf diese Weise klar in Richtung informeller Monarchie. Abgebildet findet sich darin ein allgemeiner Backlash ins Autoritäre.

Von dem hatte die SPD bereits bei der Wahl profitiert, weil sie nun mal den größten starken Mann im Angebot hatte. Den Trend im Koalitionsvertrag machtpolitisch festzuschreiben, mag zwar zukunftsweisend sein, Fortschrittlich ist es nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.