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Koalitionssuche nach BundestagswahlDas Pokern geht weiter

SPD und Grüne fehlt noch der Mut, in eine Regierung mit Kanzlerin Merkel zu gehen. Jetzt empfehlen die rot-grünen Wunschpartner sich gegenseitig als Koalitionsoption.

Durchmischen: Mitspieler zieren sich noch Bild: reuters

BERLIN dpa | Trotz absehbar wochenlanger Hängepartie hat die noch amtierende schwarz-gelbe Regierung den internationalen Partnern volle Handlungsfähigkeit zugesichert. „Die Bundesregierung ist bei all ihren Themengebieten bei der Arbeit. Es gibt keine Zäsur. Es gibt keine Zeit, in der die Bundesregierung nicht tätig ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Obwohl noch nicht zu erkennen ist, mit welchem Partner Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Scheitern der FDP künftig regieren kann, kochte am Mittwoch eine Debatte über Steuererhöhungen hoch.

Seibert sagte, Veränderungen oder Rücktritte bei den FDP-Ministern - sie haben keine Fraktion mehr im Bundestag - gebe es nicht. „Insofern wissen unsere Partner in Europa, dass wir eine arbeitsfähige Regierung haben.“ Die jetzige Koalition sei erst dann nicht mehr im Amt, wenn eine neue gebildet sei.

Zur Frage, ob Merkel das Angebot von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) unterstütze, während Koalitionsgesprächen Beschlüsse der schwarz-gelben Regierung mit der SPD abzustimmen, sagte Seibert, dies sei hypothetisch. Auf die Frage, ob die Kanzlerin davon ausgehe, dass sie ihr Amt ohne vorgezogene Neuwahl werde ausüben können oder ob sie eine Minderheitsregierung bilden müsse, sagte der Regierungssprecher, er „kommentiere so etwas nicht weiter“.

Signale der Kompromissbereitschaft

CDU-Vize Armin Laschet stellte Kompromissbereitschaft in Aussicht - und schloss weder Steuererhöhungen noch Schwarz-Grün aus. „Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen. Sonst kriegen wir keine Koalition hin“, sagte Laschet - CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen - der Zeitung Die Welt.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der Wochenzeitung Die Zeit auf die Frage nach Steuererhöhungen: „Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen.“ Damit ging er wie Laschet auf SPD und Grüne zu, die sich im Wahlkampf für höhere Steuern ausgesprochen haben. Er selbst sei aber gegen Steuererhöhungen, fügte Schäuble hinzu: „Ich persönlich bin der Meinung, dass der Staat keine zusätzlichen Einnahmequellen benötigt.“

Bei SPD und Grünen wächst die Skepsis gegenüber einer Koalition mit einer fast übermächtigen Union. Beide Parteien fürchten große eigene Nachteile etwa bei den im kommenden Jahr anstehenden Kommunalwahlen oder bei der Europawahl am 25. Mai. Vertreter beider bisheriger Oppositionsparteien empfahlen der jeweils anderen Seite eine Zusammenarbeit mit CDU/CSU. Kritik entzündete sich auch an Festlegungen von CSU-Chef Horst Seehofer.

Der Bewerber für die Grünen-Fraktionsspitze, Anton Hofreiter, zeigte sich grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Gesprächen mit der Union über eine mögliche Koalition. Ein Bündnis unter Beteiligung Seehofers sei aber im Grunde unvorstellbar. „Wir schließen logischerweise keine Gespräche aus“, sagte Hofreiter dem Sender N24. Er griff Seehofer an, weil dieser Gespräche mit den Spitzenleuten der Grünen, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben, abgelehnt hatte. „Da sehe ich nicht, wie man mit so jemandem regieren können sollte“, sagte der Grünen-Politiker.

Diskussion über Schwarz-Grün

Seehofer selbst nannte eine große Koalition von Union und SPD eine „Frage der Logik“. In der Leipziger Volkszeitung verwies er auf den Bundesrat - CDU/CSU und Grüne hätten gemeinsam in der Länderkammer „keine einzige Stimme zusammen“.

Im Rückzug Jürgen Trittins vom Grünen-Fraktionsvorsitz sieht Laschet ein positives Signal für Koalitionsgespräche. „Wenn die Grünen für die Zukunft personell und politisch neue Schwerpunkte setzen, erleichtert das Gespräche.“ Auch der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Peter Hauk, sieht wegen einer Reihe von Gemeinsamkeiten Chancen für Schwarz-Grün. Andere wichtige CDU-Politiker warben dagegen für ein schwarz-rotes Bündnis.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, warnte vor Gedankenspielen über eine Minderheitsregierung der Union. „Das kann nicht funktionieren“, sagte Müller der Bild-Zeitung. Der CDU-Abgeordnete Christian Hirte sieht eine Neuwahl als möglichen Ausweg.

Grünen-Chef Cem Özdemir geht von einer großen Koalition aus. „Vorgezogene Neuwahlen sehe ich nicht als wahrscheinlich an.“ Konzessionen der Union gegenüber den Grünen müssten „viel, viel größer sein“ als gegenüber der SPD. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, sprach sich dagegen für Schwarz-Grün aus. „Ich glaube, dass jetzt die Grünen dran sind“, sagte er im ARD-Morgenmagazin.

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10 Kommentare

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  • F
    FRUST

    Die SPD driftet ab in die Bedeutungslosigkeit, sollte sie mit Merkel "ins Bett steigen".

    Und Schäuble braucht keine Steuererhöhungen?

    Will man etwa die fehlenden Gelder für Wohnungs-und Straßenbau-für Brückensanierung und für die klammen Kommunen etwa durch Sanktionierungswettbewerbe an Hartz IV Empfängern reinholen?

  • E
    Elfriede

    So eine beschissene dpa-Meldung wird einfach in der TAZ publiziert? SPD und Grüde fehlt nicht der Mut zur CDU-Koalition, diese ist vielmehr unattraktiv und die schlechtestmögliche Lösung für alle Parteien, ausser der CDU, die fürchten muss, nicht mehr an der Regierung beteiligt zu sein. Die optimale Lösung für das Land und die Menschen wäre Rot-Rot-Grün, die SPD bekäme sogar einen Kanzler und könnte sich soziale Lorbeeren zurückerobern.

  • N
    nihi.list

    Was soll das BlaBlub? Es wird auf jeden Fall zu einer großen Koalition kommen, weil die Mehrheit der Wähler dieses will. Die Frage ist nur, wieviel die SPD für sich herausholen kann.

    Alle anderen Konstellationen wären gegen den Willen der Bürger (laut aktuellen Umfragen) und würden daher den Parteien mehr oder weniger Schaden.

     

    Rot-Rot-Grün:

    Hier würde die SPD einen einzigen Spießrutenlauf erleben. Der Stimmenverlust bei den nächsten Landtagswahlen durch enttäuschte und sich betrogen fühlende SPD-Wähler dürfte ziemlich hoch sein.

     

    Schwarz-Grün:

    Das würden die meisten Grünenwähler ihrer Partei nicht verzeihen und die AfD dürfte massiv CDU-Wähler anziehen und sich neben der CDU dauerhaft etablieren; was diese definitiv verhindern will.

    Und die SPD müsste befürchten, dass bei einem Erfolg solch einer links-mitte-rechts übergreifenden Konstellation sie selber als überflüssig angesehen werden könnte.

     

    Neuwahlen:

    Der CDU würde es in diesem Fall leicht fallen, Grüne und SPD als Verantwortungslos hinzustellen.

    Das Risiko, dass die CDU die absolute Mehrheit bekommt oder gar die FDP wiederaufersteht, wäre aus Sicht von SPD und Gründen viel zu groß.

     

    Ausserdem:

    Opposition ist Mist

  • AO
    Aleksandr Orlov

    So eine Koalitionssuche ist doch eine feine Sache. Es geht eigentlich nur darum, wer was dem jeweils anderen in die Schuhe schieben darf.

    So kriegt der Steinbrück das, was er immer haben wollte, nämlich keinen Mindestlohn, und darf's auf die CDU schieben.

    Der Schäuble kriegt, was er haben will, nämlich höhere Steuern für untere und mittlere Einkommen und darf's auf die SPD schieben.

    Der Traum in Tüten!

  • R
    RLS

    Ich bin mittlerweile auch der Meinung, Angelika Merkel sollte Deutschland regieren.

     

    Hätte Franz Josef Strauss mit einem Vorsprung von 0,01 Prozent regieren können, er hätte es gemacht. Er hätte nicht bei einem Interview geheult wie Steinbrück, oder wäre wie Trittin zurückgetreten.

    Er hätte eine Minute nach dem Wahlergebnis, Gysi angerufen, und Ihn zu sich befohlen.

     

    Wenn Steinbrück oder Trittin vor Diktator Putin stehen, sie würden sich ins Höschen machen.

     

    Grüne und SPD sind zu dumm und zu feige zu regieren, ich hoffe bei der nächsten Wahl dass sie genau dort hinbefördert werden, wo die FDP jetzt ist.

     

    Özdemir sieht Neuwahlen nicht für wahrscheinlich an. Jeder Sozi ist froh dass die FDP endlich weg ist.

    Es ist erschreckend wie blöd diese Politiker sind. Von solchen Leuten die ein Volk von 80 Millionen Menschen regieren wollen, erwartet man eigentlich ein IQ über einem Huhn.

  • S
    Sören

    Die SPD ziert sich jetzt noch, ich vermute aber, dass die Sozialdemokraten relativ schnell ihre "staatspolitische Verantwortung" entdecken werden. Natürlich geht es auch darum, den Preis hochzutreiben, in inhaltlicher und personeller Sicht.

     

    Nur Schwarz-Rot und Schwarz-Grün haben eine stabile Mehrheit. Die Grünen werden genug mit sich selbst zu tun haben, und fallen als Partner im Prinzip aus. Neuwahlen wären ein zu großes Risiko, gerade für die, die sich einer Koalition verweigern würden. Weder der AfD, noch der FDP fehlen allzuviel Stimmen für einen Einzug in den Bundestag.

     

    Eine Große Koalition böte die Chance, eine umfassende Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern anzupacken. In vielen anderen Bereichen müssten die Gemeinsamkeiten ausreichen, um für 4 Jahre zusammen zu regieren.

     

    Den Vorwurf an die Kanzlerin, wie eine Gottesanbeterin ihren Partner zu fressen, halte ich für falsch. 2009 waren es Fehler der SPD-Spitze, diesmal waren es Fehler der FDP-Führung, die zu den schlechten Ergebnissen geführt haben. Die Schuld bei anderen zu suchen ist natürlich der bequemere Weg. Aber zumindest Philipp Rösler war da ja etwas reflektierter.

  • Vorschlag für die Presse/TAZ: Einfach nicht mehr drüber berichten. Wie lange sollen wir diese inhaltsleeren Formeläußerungen der politischen Laberfrösche noch anhören? Wenn Gründe und SPD ihre Wahlprogramme auch nur im Ansatz ernst nehmen, muss rot-rot-grün sofort umgesetzt werden, selbstverständlich ohne Steinbrück.

  • "SPD und Grüne fehlt noch der Mut, in eine Regierung mit Kanzlerin Merkel zu gehen"? Naja;

    ich würde sagen:

    Beiden fehlt der Mut, gemeinsam mit der Linken eine Mehrheit zu bilden.

  • S
    serbmem

    Vielleicht sollten die Parteien projektweise miteinander koalieren.

  • R
    Rot-Rot-Grün

    Das ist doch alles Quatsch. Jede Bereitschaft zu einer Koalition mit der CDU zeigt doch das die beiden Partein (SPD/Grüne) sich nur sehr bedingt für ihr Wahlprogramm interessieren.