Koalitionskrach wegen NSA-Affäre: Knurren in der Koalition
SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert die Offenlegung der NSA-Spähliste – und setzt Merkel unter Druck. Der Ton in der Regierung wird rauer.
BERLIN taz | Sigmar Gabriel lässt keine Ruhe. Man müsse „auch mal Rückgrat zeigen“, heizte der SPD-Chef und Vizekanzler am Wochenende die BND-Affäre an. Stelle sich heraus, dass der deutsche Geheimdienst den USA beim Ausspähen hiesiger Unternehmen geholfen habe, wäre dies eine „Staatsaffäre“. Genau deshalb müssten die Suchlisten der NSA offengelegt werden – notfalls auch gegen den Willen der USA. „Wir sind weder unmündig“, so Gabriel via Bild am Sonntag, „noch Befehlsempfänger“.
Die Adressatin der knalligen Ansage ist eindeutig die Kanzlerin. Schon vor anderthalb Wochen rückte Gabriel Angela Merkel (CDU) ins Zentrum der BND-Affäre. Nun legt der SPD-Chef nach. Mit unmittelbaren Folgen: Die Geheimdienst-Affäre vergiftet zunehmende das Koalitionsklima zwischen Union und SPD.
Im Zentrum des Streits stehen die Selektoren, mit denen die NSA mittels des BND deutsche und europäische Unternehmen und Politiker ausgespäht haben soll. Um rund 25.000 Suchbegriffe soll es gehen. Die Liste liegt im Kanzleramt. Dort wartet man immer noch auf eine Entscheidung aus den USA, ob diese an den Bundestag weitergegeben werden darf. Erwartet wird jedoch allseits ein „Nein“.
Mit Gabriels Vorpreschen ist damit nun ein Koalitionsstreit vorprogrammiert. Denn bisher zögert Merkel, die USA in der Geheimdienstaffäre zu brüskieren. Die Kanzlerin versprach zwar zu Beginn „volle Aufklärung“. Seitdem aber schweigt sie zu der Affäre.
Stattdessen teilte am Wochenende auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi aus. Das Kanzleramt dürfe „nicht unterwürfig“ in Washington betteln, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wir dürfen uns nicht zum Vasallen der USA machen.“
In der Union reagiert man auf die Angriffe aus der SPD inzwischen ungehalten. CDU-Präsidiumsmitglied unterstellt Fahimi „Gekläffe“. Die SPD spiele „unverhohlen mit antiamerikanischen Ressentiments“ und verkenne die derzeitige terroristische Bedrohungslage.
SPD-Vize Ralph Stegner sprang seinen Leuten bei. Es gehe nicht um Antiamerikanismus, sondern um die Aufklärung von Gesetzesbrüchen und „Vertrauen in die Demokratie“. Ein Konter, der den Streit zur Grundsatzfrage erhebt.
In der Affäre wittern einige Sozialdemokraten inzwischen eine Chance: Erstmals könnte es gelingen, ernsthaft an der Popularität der Kanzlerin zu kratzen. Doch selbst in der SPD findet der Vorstoß nicht nur Freunde. So schweigt zwar SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier öffentlich zu der BND-Affäre. Intern aber soll er einer Veröffentlichung der Selektoren-Liste skeptisch gegenüberstehen. Kraft seines Amtes muss Steinmeier das transatlantische Verhältnis pflegen.
Die Opposition dagegen stellt Ultimaten. Bis Donnerstag wolle man Einsicht in die Spähliste, sagte der Grüne Hans-Christian Ströbele. Der Linke Jan Korte forderte eine „sofortige“ Übergabe der Liste an den Bundestag. Die SPD müsse dies nun „zur Koalitionsfrage machen“, statt „immer nur dicke Backen zu machen“.
Linke und Grüne bekräftigen, andernfalls die Herausgabe vor dem Bundesverfassungsgericht erzwingen zu wollen. Eine dortige Entscheidung könnte allerdings dauern.
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