Koalition zum Rechtsextremismus uneins: Lasst uns reden
Seehofer und Giffey starten einen Dialog, um Prävention gegen Rechtsextremismus zu stärken. Ein Demokratiefördergesetz sorgt für Streit.
Und Giffey betonte: „Es braucht beides: Einerseits konsequente Strafverfolgung und null Toleranz für rechtsextreme Angriffe. Andererseits die Unterstützung der Menschen, die vor Ort Hass und Menschenfeindlichkeit entgegentreten.“ Deshalb wolle man die Arbeit der beiden Ministerien eng abstimmen.
Ein Streit aber zwischen den beiden Häusern schwelt aber fort: Braucht es ein Demokratiefördergesetz?
Bereits Ende Oktober, nach dem Anschlag in Halle, hatte die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus beschlossen. Ein Punkt dabei: die Prävention. Diese wolle man „ausweiten“, man setze auf eine „längerfristige und nachhaltige Förderung“ auf finanziell „hohem Niveau“, hieß es damals.
Päventionsprojekte zeitlich begrenzt
Am Mittwoch nun folgte ein Fachgespräch mit ExpertInnen im Innenministerium. „Mit dem heute gestarteten Dialog werden wir herausarbeiten, welche konkreten Schritte nötig sind“, so Giffey im Anschluss. Seehofer kündigte an, zu einem Bund-Länder-Austausch einzuladen, „um die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern auszubauen“.
Wie genau die Präventionsarbeit aber verstetigt werden soll, darüber gibt es Dissenz. Giffey plädiert bereits seit Längerem für ein Demokratiefördergesetz, um Projekte dauerhaft abzusichern. Die Sozialdemokratin verwies auch auf die jüngsten Bedrohungen gegen BürgermeisterInnen im Land: Hier brauche es „harte Strafverfolgung“, aber eben auch „die Förderung des Engagements, gerade der Demokraten vor Ort“.
Die Union ist indes gegen ein eigenes Gesetz: Dieses würde das Budgetrecht des Bundestags „erheblich einschränken“, heißt es dort. Es müsse auch die Option geben, Projekte nicht weiter fördern zu können.
Bisher werden Präventionsprojekte zeitlich nur begrenzt gefördert. Das größte Programm, „Demokratie leben“, angesiedelt im Familienministerium, startete gerade erst mit einer neuen vierjährigen Förderperiode. Mehr als 5.000 Demokratieprojekte sollen ab diesem Jahr umgesetzt werden. 115,5 Millionen Euro gibt der Bund dafür jährlich bis 2023 aus.
Inhaltlich bleiben Lücken
Eine zunächst geplante Kürzung um 8 Millionen Euro wurde wieder zurückgenommen. Allerdings: Künftig werden nur noch 150 zivilgesellschaftliche Modellprojekte finanziert – statt bisher 275. Diese erhielten dafür aber mehr Geld, betont Giffey: Statt 130.000 Euro jährlich nun 200.000 Euro. Dennoch war der Protest zuletzt groß, viele Träger beklagten das Aus ihrer Projekte.
„Einige bewährte Projekte konnten nun noch über die Länder gerettet werden“, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung. Inhaltlich aber blieben Lücken, vor allem im ländlichen und digitalen Raum. „Dabei ist der Bedarf riesig, in den sozialen Netzwerken menschenfeindliche Inhalte aufzudecken und Gegenerzählungen einzuspeisen. Und für den ländlichen Raum belegen Studien, dass die Normalisierung von demokratiefeindlichen Einstellungen extrem rechten Wahlerfolgen und auch Gewalt den Weg ebnet. Das Bekenntnis zu mehr Prävention bleibt hier unerfüllt.“
Auch Reinfrank plädiert für ein Demokratiefördergesetz: „Gerade in diesen Zeiten sehen wir doch, wie existenziell wichtig ein dauerhafter und engagierter Einsatz für die Demokratie ist. Während die extreme Rechte dank der staatlichen Parteienfinanzierung in eine glänzende Zukunft auf Steuerkosten blickt, werden Demokratieprojekte mit Antragsmodalitäten gegängelt und auf Sparflamme gehalten.“
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