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Koalition plant FührerscheinentzugLappen weg bei Straftat

Union und SPD wollen ab 2016 bei Steuerdelikten oder Ladendiebstahl den Führerschein entziehen. Grüne finden das verfassungsrechtlich „höchst bedenklich“.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wollte den Zeitplan noch nicht bestätigen. Bild: dpa

BERLIN afp | Die große Koalition plant einem Zeitungsbericht zufolge, dass Straftätern bereits ab 2016 für Vergehen wie Steuerdelikte oder Ladendiebstahl der Führerschein entzogen werden kann. Justizminister Heiko Maas (SPD) solle einen entsprechenden Gesetzentwurf in der zweiten Jahreshälfte 2015 vorlegen, berichtete die Rheinische Post (Samstagsausgabe) unter Berufung auf Koalitionskreise. Ein Sprecher des Justizministeriums wollte diesen Zeitplan jedoch nicht bestätigen.

Union und SPD hatten bei der Klausur ihrer Fraktionsvorstände am Donnerstag in Göttingen das Vorhaben bekräftigt, das Fahrverbot im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht zu verankern. „Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen“, heißt es bereits im Koalitionsvertrag.

„Mit dem Fahrverbot wollen wir eine Ergänzung zur Haft- und Geldstrafe einführen“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Strobl (CDU), am Samstag. „Davon versprechen wir uns, dass gerade jüngere Täter von Straftaten eher abgeschreckt werden.“ Denn wenn der Führerschein weg sei, werde eine Strafe „viel unmittelbarer spürbar“, als wenn eine Geldbuße abgestottert oder gar von anderen bezahlt werde. „Dann bleibt die Karre mal stehen – und das spürt man dann schon“, sagte der CDU-Politiker.

Die Grünen kritisieren die Pläne nicht nur als ungerecht, sondern auch als „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“. Anders als die Geldstrafe, deren Höhe sich an dem Einkommen des Verurteilten orientiere, könne das Fahrverbot nicht schuldangemessen ausgestaltet werden, warnte die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Rechtspolitik, Katja Keul.

Umsetzung geprüft

„Was für einen Lehrling auf dem Lande existenzbedrohlich wirken kann, belastet einen Bewohner einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgten Metropolregion wenig“, sagte sie. Freiheitsstrafe und Geldstrafe seien als strafrechtliche Sanktionen auf die individuelle Schuld des Straftäters hin ausgestaltet „und dabei muss es auch bleiben“. Auch die taz kritisierte das Vorhaben bereits 2013 als „Vorschreibewahn der deutschen Politik“.

Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte, dass eine Umsetzung der Pläne geprüft werde. Den in der Rheinischen Post genannten Zeitplan und eine Einführung der schärferen Regeln schon im kommenden Jahr wollte er jedoch nicht bestätigen.

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27 Kommentare

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  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    Maas ist der neue Dobrindt.

  • Und welcher Gedanke steckt wirklich dahinter? Geht es tatsächlich um Straftaten, oder haben sich lediglich ein paar Politiker etwas ausgedacht, um dem zunehmenden Kriechverkehr entgegenzuwirken?

     

    Ich vermute, Letzteres trifft zu.

    • @wxyz:

      Es wundert nicht das politisch nichts passiert wenn amn solch oberflächliche Leserbriefe liest. Hinter dieser Sache stckt doch viel mehr der Versuch Steuerhinterzieher nicht mehr hinter Gitter sonder vom Lenkrad wegzuholen. Steuern können aber nur Leute hinterziehen die eh schon genug haben. Denen macht das soviel aus wie wenn sie mit zu hohem Alk-Pegel fahren und erwischt werden.

      Der arme Michel der erwischt wird weil er aus Not mal was geklaut hat der steht schon schlechter da.

      1. Er bekommt selten einen Job in Wöhnnähe, der ist schon mal weg.

      2. Die Job Center sind auch meist weiter weg da kommt er als auch nicht so schnell hin.

      Nahverkehr ist schikanös.

      So könnte man weiter aufzählen.

      Erstmal nachdenken und nicht versuchen witzig zu sein, die Sache ist zu ernst.

      • @Rita Dütsch:

        Mit diesem Argument kriegen Sie sogar jeden Kabarettisten von der Bühne. Zu ernst..... Ohhh !

  • Der Europäische Gerichtshof sollte das Deutsche Parlament unter Kuratel stellen und dann auf Zurechnungsfähigkeit prüfen lassen, alle vom Bundespräsident bis zum Hansel. Das ist ja nicht mehr zu ertragen was da für Unsinn kommt. Das von dieser Regierung nur noch Rückschritt zu erwarten ist war eh klar, aber was diesen Hanseln einfällt

    ist ja nur noch dumm.

  • Wie hier schon erwähnt wurde bedeutet so ein Führerscheinentzug für jeden was anderes. Je nachdem wo man wohnt und was für eine Arbeit/einen Beruf man hat. Außerdem sollte man nicht außer acht lassen, was für einen schaden man mit solchen strafen anrichtet. Man schadet in gewisser Weise der eigenen Gesellschaft damit und dieser schaden kann dabei noch größer sein als der Ursprüngliche den "das Verbrechen" verursacht hat. In eine wirklichen Rechtsstaat hat eine solche bestrafung nichts zu suchen.

  • ohje, da haben die groko'ler ja mal wieder von der tapete bis zur wand gedacht...

  • Diese Idee wird schon seit 20 Jahren immer wieder in den Raum geworfen.

     

    Siehe hier in Artikeln von 1998:

     

    http://www.abendblatt.de/archiv/1998/article204528773/Fahrverbot-fuer-Betrueger.html

     

    http://www.abendblatt.de/archiv/1998/article204456309/Fuehrerscheinentzug-fuer-Straftaeter.html

     

    Ich hoffe, dass dieser Versuch genauso scheitert wie alle bisherigen.

  • Fahrverbot? Geil ! Beste Gelegenheit, allen Bus- und Taxifahrern beim einkaufen was in die Jackentasche zu schmuggeln.

     

    Wird sicher witzig.

     

    (Satire, kein Aufruf zur Straftat - für die Deppenfraktion)

     

    Als nächstes kommt dann: Allen von Sanktionen betroffenen Hartz-4lern das Wahlrecht entziehen.

     

    Rechtsstaat 2.0 (Beta)

  • oje, oje, wo soll das hinführen?

  • Nur eine weitere Etappe auf dem Wege zum absoluten Obrigkeits-, Bevormundungs-, Gängelungs-, Aushorchungs- und Polizeistaat. Trotzdem wird der deutsche Michel 2017 wieder genauso wählen wie seither.

  • Davon werden die wirklich grossen Steuerbetrüger nicht betroffen sein.

    DIE fahren nicht, Die lassen fahren.

     

    Nur gegen kleine Leute und Mittelstand geht das, die kaum was zu "hinterziehen" haben, weil sie über Verbrauchssteuern geplündert werden..

  • Mal abgesehen davon dass ein Ladendiebstahl nichts mit dem Führerschein zu tun hat und hier Dinge vermischt werden die nichts miteinander zu tun haben. Solch ein Führerscheinentzug kann ganze Existenzen bedrohen, sogar ruinieren. Ein Ladendieb hat vielleicht eh schon mit der Existenz zu kämpfen, oder aus jugendlichem Leichtsinn heraus. Aber die Frage ist doch wie "großzügig" das Portfolio der Strafen die zu Führerscheinentzug führen können ausgelegt werden könnten. Aus meiner Erfahrung heraus kann man weder der Polizei noch der Justiz vertrauen. Und so sollte man diesen Hebel vermeiden um Polizei, Justiz und Staat nicht das Schikanieren von Menschen zu ermöglichen. Wehret den Anfängen!

  • Dann wäre ja auch endlich der Weg frei für andere kuriose Strafen. Man könnte Betrügern die Wohnung niederbrennen, Lügnern die Luft aus den Fahrradreifen ablassen, Tierquälern Frau und Kinder wegnehmen, Heiratsschwindler dürften keine Schuhe mehr tragen und SPD/CDU-Wähler dürften sich nie wieder von einem Zahnarzt behandeln lassen. Rechtsprechung braucht einfach mehr Mut und mehr Kreativität, so kann man auch die letzten Unterschiede zur Scharia viel schneller überbrücken.

    • @Rainer B.:

      Gut charakterisiert. Chapeau !

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    „Davon versprechen wir uns, dass gerade jüngere Täter von Straftaten eher abgeschreckt werden.“

     

    Und ich dachte, gerade jüngere Täter werden eher von Handyverbot oder Ohne-Abendessen-ins-Bett abgeschreckt.

  • In der Größenordnung, wo Steuerhinterziehung interessant wird, kann man sich bei Führerscheinentzug auch locker einen Fahrer oder ein Taxi leisten. Auch heute sind Verurteilungen von Steuersündern ein Witz, die Strafen liegen z.T. unter den Summen, die dem Fiskus entgangen sind und bleiben auch danach oft unangetastet auf den Konten in Liechtenstein oder den Cayman Islands.

     

    Führerscheinentzug für Ladendiebe dagegen ist purer dumpfer Stammtischpopulismus und kommt gleich vor Handabhacken oder ähnlichem Schwachsinn aus dem Scharia-Gesetzesbaukasten.

     

    Mit solchen Vorschlägen disqualifiziert sich ein Justizminister, zumal ja noch nicht einmal die bestehenden Gesetze vollumfänglich ausgereizt werden.

    • @Khaled Chaabouté:

      Interessanter wäre wohl in der Tat für ne Weile Berufs- bzw. Arbeitsverbot - denn wer nix verdient, kann auch keine Steuern hinterziehen.

      • @Vex:

        Tut auch nur denen weh, deren Steuerhinterziehung dem Staat kaum weh tut.

      • @Vex:

        Angesichts der dann auszuzahlenden Grundsicherung kombiniert mit meiner Faulheit müsste ich mal verstärkt über Steuerhinterziehung nachdenken :) . Arbeitsverbot! So stell ich mir das Paradies vor...

  • Bescheuerte Idee,

    wer es sich leisten kann umgeht die Strafe durch Fahrer, Taxi, Urlaubsreise. Wer arm ist den triffts doppelt

    Wer am Land lebt verliert evtl. Arbeit und Soziale Kontakte bis hin zum Einkaufen.

    In den Großstädte juckts kaum und die Strafen werden noch unmerklicher als sie eh schon sind.

    Fürs stehlen und betrügen giebts nen klapps auf die Finger, fürs Fehlverhalten im Straßenverkehr wird die dicke Keule geschwungen, irgendwie alles in die falsche Richtung.

  • Ist das als Alternative oder einfach zusätzlich zur normalen Strafe gedacht? Ich habe jetzt beispielsweise keinen Führerschein. Wenn ich wegen einem der genannten Vergehen verknackt werde, werde ich dann de facto härter bestraft, bzw. kann ich jetzt einfach einen Führerschein machen, den ich nicht brauche, um eine Art Strafpuffer zu haben? Oder kriegen Menschen mit Führerschein exakt dasselbe Strafmaß *plus* Führerscheinentzug und werden somit härter bestraft als ich ohne Führerschein?

     

    Beides wäre ungerecht und darüber hinaus in hohem Maße ... ich glaube der juristische Term ist "bescheuert".

    • @Christian:

      Ich finde, es sollte eine der möglichen Strafformen sein, die aber bei manchen Straftaten ausschließlich gelten.

       

      Wenn Ladendiebstahl z.B. nur mir Führerscheinentzug bestraft werden kann, sehe ich auf mich, als jemand, der auch noch nie einen Führerschein hatte, doch erheblich Sparpotentiale beim Einkaufen auf mich zu kommen.

    • @Christian:

      du bist mein hero

  • Bei größeren Steuerdelikten und (bestimmten?) Vergehen von Politikern (Käuflichkeit) würde ich mir solche eine abschreckende Wirkung wohl wünschen.

     

    Ladendiebstahl? Nun gut, vielleicht. Aber in allen Fällen insgesamt nach Einkommen gestaffelt. Anfangs nur Tage bis zu ein paar Monaten, je nach Einkommen, dann mit jedem steigenden Tausender über dem Durchschnittseinkommen ein halbes Jahr länger mit dem Entzug, damit nicht mit Taxi, Chauffeur usw. die Sache leicht umgangen werden kann.

  • wat nen quatsch-doppelte bestrafung ist sowas von illegal-schon der vorschlag ist eine straftat