Koalition in Baden-Württemberg: Wer wird Kretschmanns Herzblatt?
Noch vor Ostern will sich Winfried Kretschmann entscheiden, mit wem er regieren will. Er hat die Wahl zwischen der CDU und einer Ampel.
Weil der grüne Ministerpräsident neben seinem inhaltlichen Maßstab „Klima, Klima und noch mal Klima“ vor allem das Vertrauensverhältnis unter den Koalitionspartnern als wichtigstes Kriterium seiner Wahl genannt hat, fanden die bisherigen Sondierungen im Haus der Architekten ohne auch nur die kleinsten Indiskretionen aus den Gesprächen statt. Sogar die dürren Worte vor den Kameras zur Verhandlungsatmosphäre („freundlich“, „konstruktiv“) ließen sich die potenziellen Partner vorher von Kretschmann freigeben. Sonst drang zwei Wochen lang nichts nach draußen.
Auf wen fällt die Wahl? Klar ist: Alle drei, CDU, SPD und FDP, wollen sehr gern mitregieren.
Besonders für Vertreter der CDU werden das bange Tage bis zum Osterfest. Für den Parteivorsitzenden Thomas Strobl geht es auch ums politische Überleben. Kretschmanns bisheriger Innenminister verfehlte wegen des eigenwilligen Wahlsystems den Einzug in den Landtag und müsste wohl auch als Parteivorsitzender zurücktreten, wenn es ihm nicht gelingt, eine weitere grün-schwarze Koalition zu zimmern. Für die CDU wäre es nach dem historisch schlechten Wahlergebnis und dem Rückzug ihrer Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann aus der Politik eine maximale Demütigung, für die nächsten fünf Jahre neben der AfD-Fraktion in der Opposition zu landen.
FDP zu fast allem bereit
Aber auch die FDP ist nach nunmehr zehn Jahren Opposition zu fast allem bereit, um in die Regierung zu gehen. Der konservative Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, der in der Vergangenheit immer auf eine Machtoption mit der CDU gesetzt hatte, war vor fünf Jahren nicht einmal zu Ampelgesprächen bereit gewesen. Er hatte sich im Parlament als scharfer, manchmal auch maßloser Kritiker der Grünen und auch ihres Ministerpräsidenten inszeniert.
Bereits im vergangenen Jahr hatte der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer, der ein gutes Verhältnis zu Kretschmann hat, aber im Bundestag sitzt, versucht, das persönliche Verhältnis zwischen dem Parteivorsitzenden und seinem parlamentarischen Kritiker zu verbessern. Mit gewissem Erfolg, wie man hört. Kretschmann sagt dazu am Rande der Sondierungen, er sei zwar nicht vergesslich, aber auch nicht nachtragend.
Am entspanntesten dürften die Gespräche mit der SPD gewesen sein. Die Sozialdemokraten hatten es 2011 noch als politischen Unfall betrachtet, dass sie hinter den Grünen landeten und Kretschmann und nicht Nils Schmid Ministerpräsident wurde. Inzwischen haben sie sich im Südwesten mit 11 Prozent in ihre Rolle als kleine Partei eingefunden, mit ihnen gibt es mit Klima- und Schulpolitik die meisten inhaltlichen Überschneidungen.
Von Grünen ist zu hören, dass sie am liebsten eine weitere Auflage von Grün-Rot gestartet hätten, wenn es die Mehrheitsverhältnisse zugelassen hätten. Doch das ging ganz knapp daneben. Bei den Grünen gibt man dafür der neuen Partei „Klimaliste“ die Schuld, die insgesamt zwar nur 0,9 Prozent erreichte, aber in einigen Wahlkreisen den Grünen Kandidaten knapp das Direktmandat vermasselt hat.
Traum von der Villa Reitzenstein
Und so müssen sich die Grünen nun entscheiden, wer ihr Herzblatt ist. Und neben inhaltlichen Fragen dürfte dabei auch eine Rolle spielen, mit welchem Partner sie auch die ganzen fünf Jahre regieren können. Eben auch dann, wenn Kretschmann, wie immer wieder spekuliert wird, im Laufe der Legislatur Platz machen sollte für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger.
Von der CDU, die ihren Traum, nach Kretschmann in die Villa Reitzenstein zurückzukehren, noch nicht aufgegeben hat, wird man in einem solchen Szenario kaum erwarten können, dass sie treu bis zur Wahl an der Seite der Grünen steht. Bei einer Koalition mit zwei kleinen Partnern gibt es da keine Gefahr. Beobachter glauben, das könnte am Ende den Ausschlag für die erste Ampel unter grüner Führung geben.
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