piwik no script img

Knapper Haushalt in BerlinBildung braucht echte gute Nachrichten

Kommentar von Uta Schleiermacher

Klassenfahrten können weiter stattfinden, weil Schulen nun selbst über ihre Budgets bestimmen können. Allerdings ist der Mangel damit nur verschoben.

#unkürzbar-Proteste: Demonstration gegen Haushaltskürzungen im Sozial- und Bildungsbereich im November vor dem Abgeordnetenhaus Foto: Sebastian Gollnow / dpa

E s könnte wie eine gute Nachricht klingen: Klassenfahrten in Berlin sind gerettet. Nachdem die Bildungsverwaltung das vorher bereits als Lösung ins Gespräch gebracht hatte, teilte sie am Donnerstag die neue Regelung offiziell mit. Demnach können Schulen ab 2025 Reisekosten für Leh­re­r*in­nen auch aus ihren eigenen Budgets bezahlen.

Schulen sollen ihre Mittel „eigenverantwortlicher“ einsetzen und sie besser auf die Bedürfnisse vor Ort abstimmen, heißt es in der neuen Vorgabe der Verwaltung. Das bedeutet, dass die Schulen selbst entscheiden, ob sie ihr Budget für Vertretungslehrer*innen, für Lehr- und Lernmittel wie geografische Karten, Taschenrechner und Zirkel oder eben für Reisekosten ausgeben.

Zwischenzeitlich hatte die Verwaltung im Zuge der Haushaltseinsparungen bei den Dienstreisen angesetzt. Da Schulen bei Klassenfahrten die Mittel für Leh­re­r*in­nen über Reisekosten abgerechnet hatten, bedeutete das, dass Schulen bis Ende November keine neuen Fahrten mehr planen und buchen konnten.

Zum Dezember hatte die Verwaltung den Schulen mitgeteilt, wie viel Geld sie jeweils für Klassenfahrten bekommen können. Es hieß bei der Gelegenheit auch, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, diese Mittel später noch aufzustocken.

Verschieben statt Sparen

Einige Schulen und sogar ganze Bezirke hatten nach dieser Aufstellung ihre Töpfe schon verbraucht. Dass die Schulen nun auf ihre eigenen Töpfe zurückgreifen dürfen, bietet genau den Ausweg, den auch die Schul­lei­te­r*in­nen in einer gemeinsamen Erklärung gefordert hatten.

Doch heißt das, dass Schü­le­r*in­nen und Eltern nun aufatmen können? Nein. Denn die Senatsverwaltung hat das Problem nicht gelöst. Sie hat es bloß umgeschichtet. Denn das Geld, das eine Schule demnächst in Klassenfahrt steckt, wird sie an anderer Stelle einsparen müssen. Sie muss dann auf die Landkarte, den Taschenrechner oder den Vertrag mit einer weiteren Vertretungslehrerin verzichten.

Dieses Verschieben ist symptomatisch für die derzeitige Spardebatte. Bei den Klassenfahrten ging es sogar noch um eine vergleichsweise niedrige Summe von 1,5 Millionen Euro. Die Aufregung war deshalb so groß, weil die Auswirkungen sehr konkret sind. Es droht eben, dass Schü­le­r*in­nen keine gemeinsamen Reisen machen können – wohlgemerkt Schüler*innen, denen dies schon während der Pandemie verwehrt blieb.

Und hier schließt sich der Teufelskreis. So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen berichten, dass Schü­le­r*in­nen seit Corona mehr sozial-emotionale Förderbedarfe haben. Doch ausgerechnet an diesem Punkt greift ebenfalls die Verschiebungslogik der Sparpläne.

Verwaltung des Mangels

Schließlich werden nach jetzigem Stand die Mittel für Schulsozialarbeit eingekürzt, und gekürzt werden soll auch bei der Jugendsozialarbeit und bei Jugendzentren. Damit fallen Angebote weg, die eigentlich dafür gedacht sind, Schulen und Leh­re­r*in­nen zu entlasten. Selbst da, wo es sich nicht direkt um Kürzungen im Bildungsbereich handelt, sind es Einsparungen, die sich auf diesen Bereich stark auswirken.

Schon jetzt heißt es von Schulen, So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen und Jugendzentren, dass sie den Mangel verwalten und eigentlich mehr Stunden und Stellen bräuchten. Stattdessen steigt nun der (nicht nur zeitliche) Druck. Und die Sparpläne für das Jahr 2025 werden wohl noch übersichtlich ausfallen im Vergleich zu den Kürzungen, die 2026 und 2027 anstehen. Auch deshalb finden sich Initiativen aktuell zu größeren, übergreifenden Protesten zusammen, das nächste Mal an diesem Sonntag.

Ja, Klassenfahrten sind erst mal gerettet. Für eine ambitionierte, gerechte Bildungspolitik bräuchte Berlin aber weit bessere Nachrichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!