piwik no script img

Klinikmisere und KrankenhausreformRingen um die Revolution

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Höchste Zeit, dass nicht der Profit, sondern das Pa­ti­en­t:in­nen­wohl zum Leitsatz der Kliniken wird. Auch wenn das die akute Notlage nicht lösen wird.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach zwischen seinen Län­der­kol­le­g:in­nen aus NRW und Niedersachsen Foto: Carsten Koall/dpa

D er Weg zur Revolution ist lang und mühevoll. Welch dicke Brocken zu bezwingen sind, zeigte das erste Arbeitstreffen von Bund und Ländern zur Krankenhausreform. Immerhin, der Ernst der Lage ist allen klar. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass viele Krankenhäuser auf der „Intensivstation“ liegen. Vom Kliniksterben auf dem Land ist die Rede, von knappsten Ressourcen bundesweit.

Der „Durchökonomisierung“ der Kliniken will Lauterbach ein Ende setzen. Eine illustre Regierungskommission aus Ex­pert:in­nen hat entsprechende Reformvorschläge gemacht. Im Fokus steht eine – zumindest teilweise – Abkehr von den Fallpauschalen. Durch sie bekommen die Häuser einen fixen Preis pro Behandlung. Die tatsächlichen Kosten werden dadurch aber nicht erstattet.

Und so entspann sich über Jahre hinweg ein über Anreize gefütterter Konkurrenzkampf, Personalabbau, ein Wettlauf um möglichst viele lukrative Behandlungen. Ein auf Masse getrimmtes System. Das soll nun anders werden. Die medizinische Versorgung und Qualität sollen fortan im Vordergrund stehen, Leistungen stärker konzentriert werden. Das heißt auch, dass manche Behandlungen nicht mehr überall zu haben sind, wobei die Grundversorgung gewährleistet bleiben soll.

So weit, so gut. Aber schon beim ersten Treffen fordern die Länder, dass die Hoheit der Krankenhausplanung weiterhin bei ihnen bleiben soll. Es geht um viel Geld und um den Erhalt von Kompetenzen. Lauterbach braucht alle 16, um seine erhoffte Revolution des Krankenhaussystems zum Erfolg zu führen. Ein simples Abnicken wird es nicht geben, mit harten Verhandlungen ist zu rechnen. Vor allem, wenn es um eine größere Beteiligung des Bundes an den Investitionen in ihre Kliniken geht.

Die Länder mit ins Boot bringen

Nun hat Lauterbach einen gewagten Plan geschmiedet. Er will die Länder von Anfang an einbinden, gar einen gemeinsamen Entwurf zu einem Gesetz schreiben. 16 Länder, 16 Meinungen und Befindlichkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass vom großen Wurf nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner übrig bleibt. Klar ist aber auch, dass die Pläne an der akuten Notlage der Kliniken nichts ändern werden.

Da wird nicht umgehend mehr Fachpersonal hergezaubert, um den im Zuge des ausgemergelten Systems erschöpften Kol­le­g:in­nen unter die Arme zu greifen. Kommt die Reform durch, wird sie erst Jahre später greifen. Aber: Hängepartien und Verschleppungstaktiken sind nicht angesagt. Sonst wird aus der vermeintlichen Revolution nur ein Revolutiönchen. Die Leidtragenden würden die Pa­ti­en­t:in­nen sein. Doch gerade die haben es verdient, dass das Versprechen, allerorts die beste Versorgung zu bekommen, auch eingelöst wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!