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Klimawandel friert Obstanbau einSchlechteste Apfelernte seit 2017

In Deutschland werden 2024 wohl rund ein Viertel weniger Äpfel geerntet. Frost hat die dank Klimawandel früh blühenden Bäume geschädigt.

Erste Apfel-Ernte im Sülzetal Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Berlin taz | So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Zeit wird es. Denn der Klimawandel verhagelt in diesem Jahr den Obst­bäue­r:in­nen gehörig die Ernte. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erwarten die deutschen Obstbaubetriebe für das Jahr 2024 eine weit unterdurchschnittliche Apfelernte von rund 734.000 Tonnen.

Das wäre ein Viertel weniger als der Schnitt der vergangenen zehn Jahre und der schlechteste Ertrag seit 2017. Auch bei anderen Obstsorten werden heftige Ernteausfälle erwartet, die zu deutlich steigenden Preisen führen dürften.

Der wichtigste Grund dafür sind Spätfrost und Hagelschlag, die in vielen Obstanlagen zu Frostschäden und einem schlechten Fruchtansatz führten. Im besonders betroffenen Südosten der Republik werden Ernteausfälle von bis zu 90 Prozent erwartet.

Besonders zu schaffen machte den Bäue­r:in­nen eine kurze Kälteperiode Ende April. Stark betroffen war zum Beispiel das Land Brandenburg, eines der großen Apfelanbaugebiete Deutschlands. Dort wird ein Rückgang der Apfelernte um mehr als 80 Prozent erwartet. Es wäre der niedrigste Ertrag in dem Bundesland seit 1991.

Frühe Blüte, später Frost

„Die kurze Frostphase zwischen dem 21. und dem 25. April 2024 war der entscheidende Auslöser für die schlechte Ernte, weil sich die Bäume mitten in der Blütenphase befanden“, hieß es vom Statistischen Landesamt in Brandenburg. „Hagel und Starkregen sind weitere Gründe für die vielen berichteten Nullerträge.“

Die Zunahme von Starkregen ist eine klare Folge des Klimawandels. Schäden durch Frost hingegen mag man auf den ersten Blick nicht mit dem allgemeinen Temperaturanstieg in Zusammenhang bringen. Doch der Zusammenhang ist komplex.

Tatsächlich blühen die Obstbäume aufgrund des Klimawandels mittlerweile deutlich früher. „So setzt die Apfelblüte im Alten Land, dem zweitgrößten Obstanbaugebiet Deutschlands, heute etwa drei Wochen früher ein als Mitte der 1970er-Jahre“, erklärt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Der Grund: Die Durchschnittstemperatur in der Region sei seit 1975 um 1,7 Grad gestiegen. Und mit der früheren Blüte habe sich das Risiko für größere Ertragseinbußen durch Spätfrost deutlich erhöht.

Äpfel sind das mit Abstand am häufigsten angebaute Obst in Deutschland. In den letzten Jahren wurden stets rund eine Million Tonnen geerntet. Von Pflaumen, Kirschen und Birnen kommen nur rund 30.000 bis 40.000 Tonnen jährlich auf den Markt.

Doch auch diese Fruchtsorten leiden unter dem Klimawandel. So wird erwartet, dass die Pflaumenernte nochmals 15 Prozent geringer ausfallen wird, als im auch schon schlechten Vorjahr.

„Wegen des Klimawandels müssen wir uns darauf einstellen, dass in den kommenden Jahren in Europa weniger Obst produziert wird“, sagt Helwig Schwartau von der Agrar-Informations-Gesellschaft AMI. Um die Schwankungen bei Hitze und Frost auszugleichen, benötigten die Obstbauern Bewässerungsanlagen. „Wasser ist der entscheidende Faktor. Aber nicht in allen Regionen gibt es die nötigen Vorkommen.“

Höhere Preise bei Saft, Marmelade und Kuchen

Sicher scheint derzeit nur, dass die Preise für Äpfel und anderes Obst steigen werden. Und damit auch für Säfte, Smoothies, Marmeladen bis hin zu Kuchen. Denn die Ausfälle in Deutschland können nicht durch verstärkte Importe aus den Nachbarländern ausgeglichen werden.

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„Die europäische Ernte ist ebenfalls niedriger“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Fruchtsaft-Industrie, Klaus Heitlinger, der Nachrichtenagentur afp. Das Minus liege bei 15 Prozent. In Tschechien ist fast die gesamte Apfelernte ausgefallen.

Wie hoch die Preise tatsächlich steigen, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Nach dem letzten großen Ernteausfall 2017 hatten Supermarktketten wie Aldi und Lidl am Jahresende die Preise für Apfelsäfte und -schorlen am Jahresende um 35 bis über 50 Prozent erhöht.

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9 Kommentare

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  • Klar, die Rekordernten zwischn 2018 und 2022 werden einfach vergessen. Da hat der Klimawandel wohl mal ausgesetzt.

  • Wir haben drei Apfelbäume verschiedener Sorten. In der Summe ernten wir jedes Jahr die gleiche Menge Äpfel, aber jeder Baum trägt unterschiedlich. Während unser Braeburn so viel Äpfel trug, dass wir gar nicht mehr wussten wohin damit, hielten sich die anderen beiden eher zurück. Die waren dafür letztes Jahr voller Äpfel. So geht das seit Jahrzehnten, deshalb glaube ich, dass der Klimawandel ausnahmsweise mal nichts damit zu tun hat. Bäume brauchen nach einem sehr ertragreichen Jahr, mindestens 1 bis 2 Jahre, um sich zu erholen.

  • Meine Familie stammt aus Dürrweitzschen, einem der größten Obstanbaugebiete Sachsens. Meine Großmutter ( *1913 ) hat mir folgende Weisheiten mit ins Leben gegeben:



    - Die Baumblüte sollte im April oder Mai erfolgen. War hier der Fall.



    - Mit Spätfrösten ist immer zu rechnen ( Eisheilige? ) , das liegt nicht in unserer Hand.



    - Nach einem guten Erntejahr brauchen die Bäume ein Jahr der Erholung und tragen weniger Früchte.



    Verstehen Sie mich richtig, ich leugne den Klimawandel nicht, aber an dieser Stelle ist er als einzige Erklärung zu einfach.

  • Ja, aber...



    Es gibt bereits seit Jahrzehnten Techniken, diverse Schäden zu minimieren.



    So hat sich der Einsatz von Hagelnetzen bewährt.



    Gegen Frost gibt es Beregnungsanlagen, die im Alten Land auch schon seit Jahrzehnten zum Einsatz kommen.



    Zusätzlich gibt es Windproduzierende Systeme, die dem Frost auf der Obstanlage entgegen wirken.



    Dafür muss der Bauer allerdings investieren. Wer das nicht gemacht hat, hat in diesem Jahr natürlich Pech, die Investoren dürfen sich hingegen über die Rentabilität ihrer Investition freuen, die sie nun durch einen höheren Preis erzielen.

  • Tja, wie furchtbar viel billiger wäre es gewesen, was gegen die Ursachen der Klimakatastrophe zu unternehmen. In dem Fall ist man leider nicht nur hinterher klüger, denn es ist seit 50 Jahren alles bekannt, was man wissen muss. Aber Politiker, die nur von der Tapete bis zur Wand denken können, bzw. die an ihren Verbindungen zur Wirtschaft und ihren Pöstchen kleben, sind eben kontraproduktiv.

    Was hätte eine Gesellschaft erreichen können, die auf Bildung und Information setzt (die wesentlichen Eckpfeiler einer Demokratie)? Aber so mit profitorientierter Presse, die zu großen Teilen in der Hand großer Konzerne ist ... So ist eben der Hetze gegen grüne und linke Ideen, die initial immer gegen die rein profitorientierte Wirtschaft gerichtete sein muss, Tür und Tor geöffnet. Nach diesen Meldungen (der Meinungsmache) wählen die WählerInnen und fertig ist die Laube. Da in der Schule zusätzlich keine medienkritischen Jugendlichen erzogen werden (gibt es wenigstens jetzt inzwischen sowas wie Medienkunde?), laufen sie später direkt in die Falle der Volksverhetzer und Blender.

  • "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Zeit wird es. Denn der Klimawandel verhagelt in diesem Jahr den Obst­bäue­r:in­nen gehörig die Ernte."



    Aber nicht ❗irgendein Bäumchen, keines mit Äpfeln ohne ausreichende Resilienz oder genügend Nährstoffe, das nur EU-Normen genügt und schnell Gewicht mit hohem Wasseranteil macht. Es braucht eine kompatible Umgebung und eine gezielte Förderung, so etwas gibt es hier auch in der Solidarischen Landwirtschaft.



    Über den Fotojournalisten Daniel Etter und seine Pionier-Tätigkeit als Neu-Landwirt:



    "So ein Waldgarten ist ein so weit es geht geschlossenes System, das sich selber mit Nährstoffen versorgt und weitgehend auf mehrjährige Pflanzen setzt."



    danieletter.substa...tschaft-neu-denken



    Übrigens hörte ich in den letzten Jahren immer wieder von Hobby-GärtnerInnen, dass sie aus Gründen der Rentabilität oder Bequemlichkeit die Herstellung von Apfelwein eingestellt haben. Andererseits geben ApfelbaumBesitzerInnen ihren Bestand auch im Internet frei zum Abernten. Daraus erkenne ich durchaus konstruktive Möglichkeiten einer sinnvollen und ökologisch "reifen" Kooperation zur Anwendung der "Apfelkrise" durch Klimawandel.🤔😉🍎🍏

  • Das schlechte Jahr 2017 wurde ja bereits im Artikel erwähnt. Jedoch leider nicht dass im Folgejahr 2018 die größte Menge der letzten 20 Jahre geerntet wurde.



    Der Verweis auf den Klimawandel ist etwas sehr überhöht. Wenn es bei Obstbäumen zur falschen Zeit zu nass oder zu trocken ist, Schnee oder Hagel die Blüten verderben, ist eben mit einer schlechten Ente zu rechnen.

  • Selbst Anfang Mai sind die Temperaturen in Mitteleuropa manchmal bereits recht hoch, können aber durch Wetterlagen unterbrochen werden, bei denen kalte Polarluft nach Mitteleuropa strömt. Ist dann der Himmel unter Hochdruckeinfluss klar, so kann die nächtliche Abstrahlung zu Bodenfrost führen. Man googele einfach einmal "Eisheilige"

    Und natürlich werden Lobbyverbände der Landwirtschaft IMMER sagen, dass die Ernte schlecht ausfällt, wenn es darum geht, Gründe für erhöhte Preise zu finden.



    Bitte einmal die Seite von der Agrar-Informations-Gesellschaft checken www.ima-agrar.de/

    "Nach dem letzten großen Ernteausfall 2017 hatten Supermarktketten wie Aldi und Lidl am Jahresende die Preise für Apfelsäfte und -schorlen am Jahresende um 35 bis über 50 Prozent erhöht."

    Spannendere Frage: wurden diese Preiserhöhungen nach dem besseren Jahr 2018 auch wieder zurückgenommen?

    • @Werner2:

      Landwirte bekommen heute (wieder) nur noch die hälfte für ihren Weizen wie vor 2 Jahren, ist das Brot billiger geworden ?? Der Handel schlägt JEDE Kostenerhöhung auf seine Produkte, und da meistens mehr als er müsste, geht aber NIE einen Schritt zurück.