Klimaschutzpläne der großen Koalition: Sommer, Sonne, Grönland
CDU und SPD warnen vor der Erderwärmung und haben große Klimaschutzpläne. Aber mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen wird das nichts.
BERLIN taz | Die Aussage auf Seite 50 des Koalitionsvertrags ist deutlich: „National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990 reduzieren.“ Die Aussagen führender Experten zu dem Thema sind aber ebenso deutlich: Mit diesem Vertrag ist das nicht zu schaffen.
Treibhausgase wie CO2 und Methan gelten als Hauptverursacher der Erderwärmung. Um diese zu stoppen, wird auf allen weltweiten Klimakonferenzen hart darum gerungen, den Ausstoß radikal zu reduzieren. Deutschland präsentiert sich dabei gern als Musterknabe. Doch mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD verfehlt es deutlich sein Klassenziel. Die wichtigsten Maßnahmen für dieses Ziel bleiben unscharf und sind nicht finanziert. Ohne neue Anstrengungen schafft Deutschland bis 2020 nur eine Reduktion von etwa 34 Prozent.
„40 Prozent sind mit diesen Maßnahmen aussichtslos“, meint Claudia Kemfert, Leiterin der Energieabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Es wird sehr, sehr schwierig, vor dem Hintergrund der Situation beim Emissionshandel bis 2020 auch nur einen Zielkorridor von 35 bis 45 Prozent zu schaffen“, sagt Frank Peter, Energieexperte der Unternehmensberatung Prognos. Und Felix Matthes, Spezialist für Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, urteilt: „Die für 40 Prozent nötigen Maßnahmen finden sich nicht in diesem Koalitionsvertrag“.
Deutschland landet nach den übereinstimmenden Schätzungen vieler Experten 6 bis 8 Prozentpunkte unter seinen Versprechungen – das bedeutet etwa 100 Millionen Tonnen Treibhausgase mehr als das versprochene Limit – pro Jahr. Selbst eine Reduktion um 31 bis 33 Prozent liege zwar „erheblich über dem EU-Durchschnitt“, schreibt der Klimaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Oliver Geden, „zugleich aber auch signifikant unter der deutschen 40-Prozent-Zielmarke, einem der zentralen Eckpfeiler des Energiewende-Konzepts“.
„Zusätzliche Maßnahmen“
Die Trends beschrieb im Frühjahr 2013 das umfassende Gutachten „Politikszenarien für den Klimaschutz VI“, das im Auftrag des Umweltbundesamts regelmäßig von Öko-Institut, DIW und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung erstellt wird.
Danach sind die 40 Prozent nur eine notwendige Etappe auf dem Weg zum langfristigen Ziel: Reduzierung um 85 Prozent bis 2050. Deutschland könne bei einem „Energiewende-Szenario“ mit „zusätzlichen Maßnahmen“ bis 2020 „eine Emissionsminderung von knapp 42 Prozent“ erreichen – ziemlich exakt das erklärte deutsche Klimaziel.
Dafür seien aber eine striktere Umsetzung der Wärmedämmung von Gebäuden, eine strukturelle Korrektur des EU-Emissionshandels, zusätzliche Effizienzmaßnahmen in Haushalten und im Verkehr und verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien nötig.
All diese Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag nur unverbindlich erwähnt. Von einer strukturellen Reform des Emissionshandels etwa, der wichtigsten Maßnahme, steht nichts in dem Papier. Das gerade von Bundesregierung und Europaparlament beschlossene backloading, mit dem Zertifikate erst 2019 auf den Markt kommen werden, soll laut dem CDU/CSU/SPD-Papier ein „einmaliger Eingriff in das System“ bleiben.
Zielgrößen und Aktionspläne
Auch die anderen Ideen zur Klimaschutzverbesserung haben im Vertrag wenige Chancen: Statt eines bindenden Klimaschutzgesetzes ist nur ein „Klimaschutzplan“ vorgesehen; die Energieeffizienz soll durch einen „Nationalen Aktionsplan“, aber nicht mit festen Zielgrößen oder Finanzmitteln gefördert werden; die erleichterte steuerliche Abschreibung der Wärmedämmung wurde in der letzten Runde gestrichen; der Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmebereich bleibt freiwillig; die Effizienzsteigerung von Autos hat Berlin in Brüssel gerade verwässert; und für den Ausbau der Erneuerbaren wurde die Bremse angezogen.
Das Bundesumweltministerium nimmt zu der Frage, ob das Klimaziel zu erreichen sei, nicht explizit Stellung. „Aus heutiger Sicht“, heißt es auf eine Anfrage der taz, „ist davon auszugehen, dass eine künftige Bundesregierung diese Klimaziele übernimmt und fortschreibt.“ Es verweist auf einen „Monitoring-Prozess“, der „auf Dauer angelegt ist“.
Für den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, „kommt es darauf an, welche weiteren Maßnahmen eine neue Regierung formuliert, mit denen sich dieses Klimaziel erreichen lässt“.
Die Hoffnung der Umweltpolitiker heißt: nachbessern. „Wir werden die 40 Prozent schaffen, wenn wir den Koalitionsvertrag ambitioniert interpretieren“, sagt Andreas Jung, Umweltexperte der CDU-Fraktion. Wenn der Emissionshandel nicht wirksam sei, müsse man später auch über strukturelle Reformen reden. Und auch Frank Schwabe, klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagt: „Ohne zusätzliche Maßnahmen erreichen wir die 40 Prozent nicht. Außerdem brauchen wir einen verlässlichen Mechanismus, der bewertet, was dafür noch zu tun ist.“
Über das Schicksal des deutschen Klimaziels werde entschieden, wenn „klar ist, was von diesen Vorstellungen im Koalitionsvertrag später mal zu einem Gesetz wird“, meint Frank Peter von Prognos. Er sieht allerdings „wenig Anzeichen, dass die Große Koalition dabei ambitionierter vorgeht als jetzt im Koalitionsvertrag.“
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