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Klimaschutz soll erzwungen werdenDeutsche Umwelthilfe schickt den Gerichtsvollzieher

Der Umweltverband stellt einen Vollstreckungsantrag gegen die Regierung, um konkrete Maßnahmen für mehr Klimaschutz zu erzwingen.

Böden speichern große Mengen Kohlendioxid, deshalb wären mehr Maß­nahmen der Regierung für den Bodenschutz notwendig Foto: Design Pics/imago

Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erhöht den juristischen Druck beim Klimaschutz auf die Bundesregierung: Sie reichte einen Vollstreckungsantrag beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein. „Im Privatrecht ist das vergleichbar mit einem Antrag auf Zwangsvollstreckung“, sagt Matthias Walter, Sprecher des Umweltverbandes, der taz. Wenn beispielsweise jemand zur Zahlung eines Schmerzensgeld verurteilt worden ist, aber einfach nicht zahlt, kann der Geschädigte bei Gericht erwirken, dass der Zwangsvollstrecker die Schuld eintreibt. DUH-Sprecher Walter: „Wir wollen, dass die Regierung handelt.“

Konkret geht es um ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das seit September 2024 rechtskräftig ist. Damals urteilten die Richter, dass die Bundesregierung – in diesem Fall ist das Bundesumweltministerium zuständig – ein wirksames Maßnahmenprogramm zur Einhaltung der Klimaziele im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft ­(LULUCF) vorlegen muss. „Und zwar schnellstmöglich, wie die Richter in ihrem Urteil betonten“, sagt Matthias Walter. Fünf Monate später habe das Ministerium von Steffi Lemke (Bündnisgrüne) aber noch immer nicht ein solches Maßnahmenprogramm vorgelegt. „Wir wollen erreichen, dass das jetzt endlich passiert.“

Laut Klimaschutzgesetz muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass der deutsche Treib­haus­gas-­Aus­stoß bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 – dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung – sinkt. Erreicht werden soll dieses Ziel mit dem sogenannten Klimaschutz-Programm: konkreten politischen Maßnahmen, die tatsächlich sicherstellen, dass in jedem einzelnen Bereich des Lebens die Emissionen sinken – also etwa im Verkehr, beim Wohnen, in der Industrie oder der Landwirtschaft.

Die Deutsche Umwelthilfe monierte einerseits, dass die im Klimaschutz-Programm beschriebenen Maßnahmen nicht ausreichen, um auf den notwendigen Reduktionspfad zu gelangen. Andererseits seien die beschriebenen Maßnahmen zu unkonkret, befand die DUH. Und klagte im Jahr 2021 dagegen: Aus einer Maßnahme „Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs“, wie es im Klimaschutz-Programm heißt, könne niemand ablesen, wie viele Tonnen Treibhausgas tatsächlich gespart werden. Im Mai 2024 gab das Gericht der Umweltorganisation in allen Anklagepunkten recht und verurteilte die Regierung, konkrete Maßnahmen vorzulegen.

Gegen dieses Urteil ging ausgerechnet der bündnisgrüne Klimaschutzminister Robert Habeck in Revision. Das bedeutet nicht, dass in der Sache selbst noch einmal verhandelt wird – das Bundesverwaltungsgericht prüft lediglich, ob die Vorinstanz einen Fehler gemacht hat. Man könnte auch sagen: Der Klimaschutzminister spielte auf Zeit beim Klimaschutz in Sektoren wie Verkehr, Bau, Energiewirtschaft.

Bundesumweltministerin zuständig

Für LULUCF allerdings ist die Bundesumweltministerin zuständig, LULUCF umfasst jene Treibhausgase, die in Böden, Mooren oder Wäldern gebunden sind. Wird ein neuer Parkplatz gebaut, der Boden also betoniert, werden die im Humus gespeicherten Treibhausgase frei. Steffi Lemke wollte sich diese Farce offensichtlich ersparen: Ihr Haus ging nicht in Revision. „Allerdings setzte das Bundesumweltministerium das rechtskräftige Urteil nicht um“, erklärt DUH-Sprecher Walter. Zu gut Deutsch: Es gibt immer noch kein konkretes Maßnahmenpaket. Das wolle die DUH jetzt ändern. „Falls die Bundesregierung nicht liefert, könnte das Gericht zuerst ein Zwangsgeld verhängen.“ Bis zum Redaktionsschluss war keine Stellungnahme aus dem Ministerium zu erhalten.

Um die Notwendigkeit diese Schritts zu begründen, verweist die DUH auf das Klimagesetz. „Dies gibt einer neuen Bundesregierung ein Jahr Zeit, bis sie ein solches, neues Maßnahmenpaket auf den Weg bringt“, erklärt Walter. Könnte also sein, dass es 2026 kommt. „Verglichen mit dem Urteil wäre auf dem Weg zum Ziel 2030 dann schon ein Viertel jener Zeit verstrichen, die zum Handeln bleibt.“ Ergo sinke die Zeit, das Ziel zu erreichen, weshalb juristischer Druck notwendig sei.

Insgesamt vier Klagen der DUH gegen die Bundesregierung waren erfolgreich, dreimal ging das Klimaschutzministerium in Revision. Die ersten beiden Klagen verpflichteten den Verkehrs- und Gebäudesektor zu Sofortprogrammen. Um diese zu vermeiden, änderte die Regierung einfach das Klimaschutzgesetz: Sie schaffte die Ziele in den einzelnen Sektoren einfach ab.

Dagegen wiederum zogen Klimaschützer vor das Bundesverfassungsgericht mit einer Beschwerde. Sie waren bereits gegen das Klimaschutzgesetz nach Karlsruhe gezogen, dass die Regierung von Angela Merkel (CDU) 2019 beschlossen hatte. Das sah vor, die deutschen Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Die Bundesverfassungsrichter urteilten, dass dies zu wenig ist und die Rechte kommender Generationen verletzt. Daraufhin verschärfte die Regierung das Gesetz – das jetzt von der Ampel wider abgeschwächt wurde.

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2 Kommentare

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  • Es muss den Menschen endlich klar werden, dass jedes Bissl weniger Ausstoß ein Fortschritt ist. Je früher desto besser. Die Folgen dessen was atm schon angestoßen ist, werden für die Kommenden brutal genug.

  • Klimaschutz muss man sich auch leisten können ...



    Noch mehr Abwanderung -> weniger Steuereinnahmen -> weniger Geld für Klimaschutzmaßnahmen.

    DEutschland ist schon jetzt eines der Länder mit erheblichen Einsparungen, und im Verhältnis zu anderen Industrienationen für so wenig Emmissionen verantwortlich. Trotzdem will die DUH noch mehr.



    Kann man natürlich fordern, aber ob das der Sache dienlich ist wage ich mal zu bezweifeln.