Klimaschutz-Index von Germanwatch: Kein Land tut genug für 1,5 Grad
Die Erderhitzung steigt, trotzdem ist die Klimapolitik zahlreicher Staaten höchstens Mittelmaß. Der Germanwatch-Index gibt keinem Land die Note „gut“.
Selbst bisherige Vorreiter-Länder wie Dänemark „scheinen heute weiter vom Erreichen der Pariser Klimaziele entfernt zu sein als in den vergangenen Jahren“, warnte Mitautor Niklas Höhne vom Forschungsinstitut NewClimate Institute. Erstmals seit dem ersten Klimaschutz-Index im Jahr 2005 bekam in der Teilbewertung „Klimapolitik“ kein einziges Land die Note gut.
Weil laut den Studienautoren keines der untersuchten Länder genug für eine sehr gute Gesamtwertung getan hat, bleiben die ersten drei Plätze des Klimaschutz-Index wie in den vergangenen Jahren leer. Den obersten Platz vier belegt erneut Dänemark, Schlusslichter sind drei Ölstaaten: das COP-Gastgeberland Vereinigte Arabische Emirate, der Iran und schließlich Saudi-Arabien auf dem letzten Platz.
Für den Klimaschutz-Index wurden 63 Staaten sowie die EU untersucht, die zusammen für mehr als 90 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind. Er zeigt auf, wie weit die Weltgemeinschaft vom Ziel des Pariser Klimaabkommens entfernt ist, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Deutschland steigt auf
Deutschland stieg im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze auf Rang 14, bekommt in den vier Untersuchungskategorien Treibhausgasemissionen, Erneuerbare Energie, Energienutzung und Klimapolitik aber weiterhin nur mäßige Noten.
Die Gründe dafür lägen „vor allem in einer klimapolitisch zu schwachen Verkehrspolitik, der Abschwächung des Klimaschutzgesetzes sowie einem am Ende verwässerten Gebäudeenergiegesetz“, erläuterte Co-Autor Jan Burck von Germanwatch. Deutschland tue nicht genug, um sein selbst gestecktes Ziel zu erreichen, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Als „ein Hindernis für eine ambitioniertere Klimapolitik“ nennt Burck die „oft gegensätzlichen klimapolitischen Ambitionen innerhalb der Ampelkoalition“.
Positiv bewerten die Berichtsautoren die Maßnahmen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien sowie das Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030. Allerdings würden zwei deutsche Kohlekraftwerke länger als geplant betrieben und Deutschland gehöre „nach wie vor zu den neun Ländern weltweit, die für 90 Prozent der Kohleförderung verantwortlich“ seien, kritisieren die Berichtsautoren.
Weltweit zu den Aufsteigern im Index gehören Estland, die Philippinen und die Niederlande. Die Philippinen erreichten Rang 6 insbesondere wegen ihres niedrigen Energieverbrauchs und geringer Emissionen, Estland (5.) und die Niederlande (8.) punkten insbesondere in den Bereichen Erneuerbare und Klimapolitik.
Brasilien steigt unter Lula auf
Brasilien verbesserte sich unter dem neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva dank einer ehrgeizigeren Klimapolitik und der Eindämmung der Abholzung des Regenwaldes deutlich von Platz 38 auf Platz 23.
Zu den größten Absteigern zählen Großbritannien (von Platz elf auf 20) und Italien, das um 15 Plätze auf Rang 44 fiel. Schlusslicht in der EU ist erneut das stark kohleabhängige Polen auf Platz 55.
International betrachtet gibt der Untersuchung zufolge ein weltweiter Boom der erneuerbaren Energien, Batterien, Wärmepumpen und der Elektromobilität „Grund zur Hoffnung“. „Noch nie wurden weltweit so viele Kapazitäten installiert wie 2022“, heißt es. Dieser Zuwachs müsse nun aber auch „exponentiell weitergehen, um die nach wie vor dominanten fossilen Energieträger zurückzudrängen“.
Die Berichtsautoren erhoffen sich von der Weltklimakonferenz in Dubai einen „Schub beim notwendigen Klimaschutz“. Dazu müssten die Verhandler aus fast 200 Staaten aber „bindende Beschlüsse“ fassen für eine Verdreifachung der weltweiten Erneuerbaren-Kapazitäten, eine Verdopplung der Energieeffizienz sowie eine Halbierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030, insbesondere durch ein Zurückfahren der Nutzung von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle.
Ein Bekenntnis zum weltweiten Ausstieg aus fossilen Energien ist ein zentraler Streitpunkt, der die am Freitag begonnene zweite Verhandlungswoche in Dubai bestimmen wird. Offiziell soll die 28. Weltklimakonferenz am 12. Dezember enden, ein Überziehen wie in den Vorjahren ist aber nicht ausgeschlossen.
Baerbock übernimmt wichtige Rolle
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) soll indes bei der Klimakonferenz für die EU die Verhandlungen zur weiteren Minderung von Treibhausgasen führen. Das verlautete am Freitag aus der deutschen Delegation. Bei der UN-Konferenz in Dubai will die Weltgemeinschaft eine Bestandsaufnahme ihrer Klimaschutz-Bemühungen machen, zudem diskutieren die knapp 200 Delegationen über Schritte, die helfen sollen, die globalen Klimaziele zu erreichen. Baerbock ist für die Schlussphase des Treffens angereist und verhandelt nun auch für Deutschland.
Die zweiwöchige Klimakonferenz mit rund 97.000 Teilnehmern soll am 12. Dezember enden. Ein Hauptstreitpunkt ist, ob es am Ende einen Beschluss zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gibt. Beraten wird auch darüber, ob die Konferenz eine Verdreifachung der Erneuerbaren Energien bis 2030 und eine Verdopplung des Tempos bei der Energieeffizienz beschließen soll – damit ist gemeint, dass Geräte und Waren zunehmend weniger Energie im Betrieb und bei ihrer Produktion verbrauchen.
Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch sagte, Baerbock komme nun in den Verhandlungen eine „Schlüsselrolle“ zu. „Diese Rolle von Deutschland wird jetzt sehr wichtig.“ In diesem Stadium der Konferenz werde es darum gehen, ob sich besonders von der Klimakrise betroffene Staaten mit ambitionierten Industrieländern zusammentun, um mehr Ehrgeiz bei den Beschlüssen zu erwirken.
Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 hatte die Staatengemeinschaft sich das Ziel gesetzt, die Erderwärmung wenn möglich auf weniger als 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Stattdessen steuert der Planet nach Angaben der Vereinten Nationen bis zum Ende des Jahrhunderts aber auf fast 3 Grad zu – wenn alle Zusagen der Staaten eingehalten werden, woran viele Experten zweifeln.
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