Klimapolitik in der EU: Alle mögen Greta
Anfangs interessierten Politiker sich nicht für die Schülerproteste. Kurz vor der Europawahl will plötzlich jeder mit Greta befreundet sein.
Als die „Fridays for Future“-Proteste in Brüssel begannen, nahm die EU in ihrem – etwas abseits gelegenen – Europaviertel davon kaum Notiz. Und als Greta Thunberg zum ersten Mal das Europaparlament besuchte, bekam sie kein Rederecht. Doch nun, da die Europawahl naht, will jeder mit Greta befreundet sein. Und natürlich teilen alle die Anliegen der Schülerproteste – jedenfalls im Prinzip.
Besonders wendig zeigte sich der Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU/ EVP). Nachdem er wochenlang verhindert hatte, dass die Anliegen der Klimabewegung im Europaparlament zur Sprache kommen, schaltete der amtierende EVP-Fraktionsvorsitzende in der letzten Sitzungswoche um – und gönnte Thunberg einen großen Auftritt im Umweltausschuss.
Dort wurde die junge Schwedin mit Ovationen empfangen. Weber ließ es sich nicht nehmen, sie zu einem Vier-Augen-Gespräch zu treffen und ein paar werbewirksame Fotos zu machen. Doch seine politische Linie hat sich nicht geändert. Natürlich sei der Klimaschutz wichtig, sagte der EVP-Spitzenkandidat bei seinem Auftritt in der Fernseh-Wahlarena. Doch gleichzeitig lehnt er eine CO2-Steuer oder andere Eingriffe in die Wirtschaft ab.
Nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse kamen auch von den führenden EU-Umweltpolitikern. Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Peter Liese (CDU), begrüßte Thunbergs Engagement – forderte die Schüler aber zugleich auf, doch künftig nicht mehr während der Schulzeit zu demonstrieren. Das EU-Parlament sei kein „Verhinderer“, sagte Liese. Vielmehr befürworte man die Klimaneutralität, wie von der EU-Kommission für 2050 vorgeschlagen.
Greta feiern und Fracking-Gase fördern
„Bitte mach weiter Druck“, forderte der für Energie- und Klimapolitik zuständige spanische EU-Kommissar Miguel Arias Cañete. Dabei ist er selbst bisher vor allem als Lobbyist für die Industrie aufgetreten. Zuletzt organisierte Cañete auf Wunsch von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Konferenz mit den Bossen der großen amerikanischen und europäischen Energiekonzerne. Einziges Ziel der Kungelrunde: den Import des schmutzigen und klimaschädlichen Fracking-Gases in die EU zu fördern.
Wesentlich glaubwürdiger haben Grüne, Linke und Sozialdemokraten auf die „Fridays for Future“-Bewegung reagiert. Die Grünen begreifen sich als Teil der Bewegung und unterstützen sie nach Kräften. Und der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans setzt sich für eine CO2-Steuer sowie für eine Kerosinsteuer für den Flugverkehr ein. Sollte er zum Kommissionschef gewählt werden, werde er sich persönlich um den Klimaschutz kümmern, versprach er beim Schlagabtausch mit Weber in der Wahlarena.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles