piwik no script img

Klimapolitik in der EUAlle mögen Greta

Anfangs interessierten Politiker sich nicht für die Schülerproteste. Kurz vor der Europawahl will plötzlich jeder mit Greta befreundet sein.

Mitte April durfte Greta Thunberg im EU-Parlament sprechen – das wurde ihr anfangs verweigert Foto: ap

Als die „Fridays for Future“-Proteste in Brüssel begannen, nahm die EU in ihrem – etwas abseits gelegenen – Europaviertel davon kaum Notiz. Und als Greta Thunberg zum ersten Mal das Europaparlament besuchte, bekam sie kein Rederecht. Doch nun, da die Europawahl naht, will jeder mit Greta befreundet sein. Und natürlich teilen alle die Anliegen der Schülerproteste – jedenfalls im Prinzip.

Besonders wendig zeigte sich der Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU/ EVP). Nachdem er wochenlang verhindert hatte, dass die Anliegen der Klimabewegung im Europaparlament zur Sprache kommen, schaltete der amtierende EVP-Fraktionsvorsitzende in der letzten Sitzungswoche um – und gönnte Thunberg einen großen Auftritt im Umweltausschuss.

Dort wurde die junge Schwedin mit Ovationen empfangen. Weber ließ es sich nicht nehmen, sie zu einem Vier-Augen-Gespräch zu treffen und ein paar werbewirksame Fotos zu machen. Doch seine politische Linie hat sich nicht geändert. Natürlich sei der Klimaschutz wichtig, sagte der EVP-Spitzenkandidat bei seinem Auftritt in der Fernseh-Wahlarena. Doch gleichzeitig lehnt er eine CO2-Steuer oder andere Eingriffe in die Wirtschaft ab.

Nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse kamen auch von den führenden EU-Umweltpolitikern. Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Peter Liese (CDU), begrüßte Thunbergs Engagement – forderte die Schüler aber zugleich auf, doch künftig nicht mehr während der Schulzeit zu demonstrieren. Das EU-Parlament sei kein „Verhinderer“, sagte Liese. Vielmehr befürworte man die Klimaneutralität, wie von der EU-Kommission für 2050 vorgeschlagen.

Greta feiern und Fracking-Gase fördern

„Bitte mach weiter Druck“, forderte der für Energie- und Klimapolitik zuständige spanische EU-Kommissar Miguel Arias Cañete. Dabei ist er selbst bisher vor allem als Lobbyist für die Industrie aufgetreten. Zuletzt organisierte Cañete auf Wunsch von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Konferenz mit den Bossen der großen amerikanischen und europäischen Energiekonzerne. Einziges Ziel der Kungelrunde: den Import des schmutzigen und klimaschädlichen Fracking-Gases in die EU zu fördern.

Wesentlich glaubwürdiger haben Grüne, Linke und Sozialdemokraten auf die „Fridays for Future“-Bewegung reagiert. Die Grünen begreifen sich als Teil der Bewegung und unterstützen sie nach Kräften. Und der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans setzt sich für eine CO2-Steuer sowie für eine Kerosinsteuer für den Flugverkehr ein. Sollte er zum Kommissionschef gewählt werden, werde er sich persönlich um den Klimaschutz kümmern, versprach er beim Schlagabtausch mit Weber in der Wahlarena.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wenn in ganz Deutschland keine Autos fahren würden, keine Fabriken mehr produzieren würden, kein Vieh mehr auf den Wiesen stehen würde, wäre die Luft über Deutschland auch nicht ohne CO2. Weil die saubere Luft über Deutschland von der schmutzigen Luft über Europa, der ganzen Welt in den Luftschichten vermischt würde. In der Atmosphäre werden Luftschichten immer ausgetauscht, verwirbelt. Luft kommt vom Atlantik her, von Russland, vom Süden. Stichwort Feinstaub aus der Sahara. Das sind nunmal physikalische Gesetze. Deutschland würde nichts davon haben, außer gigantische Strompreise, gigantische Arbeitslosenzahlen.

  • Stimmt. Man will ja die CO2-STEUER durchbringen...

  • Peinlich, peinlich...scheinbar haben alle in der CDU/Union beschlossen, mal wieder ihr Fähnchen in den Wind zu hängen und Wahlkampfshow zu machen, hinten rum aber nicht nur nichts zu tun, sondern sogar alles zu verhindern, was ihnen die Wirtschaftsbosse einflüstern.

    Dazu sogar minderjährige Frontpersonen zu missbrauchen und ihre politische Unerfahrenheit auszunutzen, um werbewirksam zu posen ist eine infame Frechheit.

    Ich kann nur hoffen, dass dieses Manöver krachend nach hinten losgeht!

  • Weber scheint beim Klimaschutz auch nur auf technische Lösungen zu setzen:



    "EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber möchte, dass Airbus einen Flieger baut, der kein CO2 mehr ausstößt. Außerdem sei er gegen eine CO2-Steuer und wolle nicht regulieren, wie oft man fliegen dürfe, sagte der CSU-Politiker im ZDF. " Da müßten wir fatal lange warten. Greta will aber effektive Maßenahmen jetzt, z.B. auch von einem sehr prominenten Lufthansa-Passagier, siehe Foto: www.flickr.com/pho...erver/32820465917/