Klimapolitik im Nachbarland: Österreich wird Klimaziele reißen
Österreich hat seine CO2-Emissionen bisher kaum gesenkt. Seine Umweltbehörde zeichnet nun für die Zukunft ein trübes Bild.
Konkret geht es um den Teil der Emissionen, der nicht durch den Europäischen Emissionshandel reguliert wird. Der betrifft bislang Kraftwerke und Industrieanlagen. Andere Bereiche wie das Verkehrswesen oder das Heizen liegen in nationaler Verantwortung. Jedes einzelne Land hat auf EU-Ebene Vorgaben zur Reduktion dieser Emissionen. Wie stark diese sinken müssen, hängt vor allem von der Wirtschaftskraft ab. Wer mehr Geld hat, muss beim Klimaschutz schneller sein.
Für Österreich heißt das: Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen in den fraglichen Bereichen auf 29 Millionen Tonnen sinken. Danach sieht es aber bisher nicht aus, zeigt der Bericht des Umweltbundesamts. Realistisch sind aus heutiger Sicht 41,69 Millionen Tonnen. Insgesamt sind die Treibhausgasemissionen in Österreich seit 1990 kaum gesunken.
Die Fakten stehen also in krassem Widerspruch zum Regierungsabkommen zwischen ÖVP und Grünen aus dem Jahr 2020. Da ist von Klimaneutralität schon im Jahre 2040 die Rede. Das ist im europäischen Vergleich ein besonders ambitioniertes Ziel. Deutschland will 5 Jahre später klimaneutral sein, die EU als Ganzes erst 2050. Nicht einmal Letzteres wird Österreich aber aus heutiger Sicht schaffen, wenn die Regierung nicht weitere Maßnahmen beschließt.
„Desaströses Szenario“
Im Bericht des als GmbH organisierten Bundesamtes, in dem Expertinnen und Experten auf Grundlage von Zahlen und Fakten Szenarien entwickeln, geht man vom WEM-Szenario („with existing measures“ – mit bestehenden Maßnahmen) aus. Da sind alle Gesetze und Maßnahmen erfasst, die bis Januar 2022 in Kraft oder beschlossen waren. Ein WAM-Szenario („with additional measures“ – mit zusätzlichen Maßnahmen) ist noch in Ausarbeitung, wie Ingeborg Zechmann, Pressesprecherin des UBA, erklärt. Das liefert dann Ideen für die Politik.
Jasmin Duregger von Greenpeace Österreich sieht die konservative ÖVP als Teil der Regierung in der Pflicht. „Dieses desaströse Szenario zeigt die Klimaschutzblockade der ÖVP auf“, sagt sie. Tatsächlich werden Klimaschutzgesetze, die zum Teil seit Monaten beschlussfertig auf dem Tisch liegen, durch den größeren Koalitionspartner aufgehalten. Da ist allen voran das neue Klimaschutzgesetz, das ein altes, schon vor zwei Jahren abgelaufenes ersetzen muss. Es soll einen Pfad vorgeben, wie die Treibhausgase in einzelnen Sektoren sinken sollen und wie sich Bund, Länder und Gemeinden die Verantwortung aufteilen. Sanktionen sollen dafür sorgen, dass alle ihre Verantwortung ernst nehmen.
Die ÖVP begründet ihre Blockadehaltung mit der Erzählung, Österreich tue schon genug, dieses Gesetz sei nicht notwendig. Ein besonderes Anliegen ist den Grünen das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, das den Umstieg von alten fossile Heizungen auf moderne, klimafreundliche Alternativen regelt. Das ist im Kabinett schon beschlossen, doch für den Beschluss im Nationalrat bedarf es einer Zweidrittelmehrheit. Da muss also eine große Oppositionspartei gewonnen werden. Realistischerweise wird das die sozialdemokratische SPÖ sein, da die rechtsextreme FPÖ Klimaschutz für Hysterie hält.
Etliche Problemzonen
Von der ÖVP ist in Zukunft wenig Initiative zu erwarten. Getrieben von desaströsen Umfragewerten setzt sie lieber auf Technologie statt Verbote. Bundeskanzler Karl Nehammer hat jüngst mit Seitenhieb auf die Grünen in einer Rede gesagt, er halte nichts vom „Untergangsgerede“. Er macht sich lieber für die Zukunft des Verbrennungsmotors stark. Auf den Bericht des UBA gibt es nur eine schriftliche Reaktion: die ÖVP setze „auf Optimismus und und Fortschritt.“ Ministerin Leonore Gewessler von den Grünen verwies in einer schriftlichen Stellungnahme auf die Erfolge der letzten Jahre, die zum Teil im Bericht noch nicht berücksichtigt seien. Etwa die CO2-Bepreisung und Förderungen für Kesseltausch sowie Solaranlagen und Windräder.
In Österreich stammt mit rund 75 Prozent jetzt schon ein hoher Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Die Problemzonen liegen im Verkehr, der Industrie, der Landwirtschaft und in den Privathaushalten. Speziell in Wien wird vor allem mit Gas, in Einfamilienhäusern auf dem Land oft noch mit Öl geheizt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland