Klimapolitik der EU: Brüssel beschwört gutes Klima
Die aktuellen Brüsseler Pläne haben mit dem „Green Deal“ nicht mehr viel zu tun. Klimakommissar Hoekstra will trotzdem Zuversicht verbreiten.

Geplant ist eigentlich eine Reduktion der klimaschädlichen Emissionen um 55 Prozent – dieses Ziel wird wohl knapp verfehlt. Dennoch spricht die EU-Kommission von einem Erfolg. Im vergangenen Jahr sei die EU ein gutes Stück vorangekommen, sagte der niederländische Klimakommissar Wopke Hoekstra.
Wenn der Kurs beibehalten werde, sei er „zuversichtlich, dass wir es schaffen können und werden“, so Hoekstra. Die Emissionen seien seit 1990 um 37 Prozent gesunken, die Wirtschaft hingegen um fast 70 Prozent gewachsen. Das zeige, dass Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum wie versprochen Hand in Hand gehen könnten.
Zuletzt waren Zweifel am Willen der EU aufgekommen. So hat die EU-Kommission mehrere Klimagesetze aus dem „Green Deal“ zurückgenommen oder aufgeweicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat zudem die Wettbewerbsfähigkeit und den Bürokratieabbau zur neuen Priorität erklärt. Nun folgt ein Reformpaket („Omnibus“) zur Vereinfachung auf das nächste.
2040 noch weit weg
Das ursprünglich schon im Frühjahr erwartete Klimaziel für 2040 lässt hingegen immer noch auf sich warten. Brüssel will die Marke von 90 Prozent anpeilen, gleichzeitig aber mehr Flexibilität schaffen. Dazu zählt etwa die Anerkennung von Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern. Das hat auch die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag gefordert.
Aus Sicht von Kritikern ist dies ein Griff in die Trickkiste. Schon jetzt sind drei EU-Länder – Polen, Belgien und Estland – in Verzug. Sie haben noch nicht einmal ihre nationalen Klimapläne für 2030 vorgelegt. Ob Deutschland und andere EU-Länder ihre Pläne tatsächlich umsetzen, bleibt abzuwarten. Deutschland hatte die Vorgaben zuletzt nur wegen der schlechten Konjunktur erreicht.
Wenn nun auch noch die Ziele für 2040 aufgeweicht würden, so bedeute dies die Abkehr vom „Green Deal“, heißt es bei den Grünen im Europaparlament. Mit dem Plan, internationale CO2-Gutschriften auf das europäische Klimaziel anzurechnen, öffne die EU-Kommission die „Büchse der Pandora“, warnt der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Die Qualität sei nicht gesichert.
Mehr drin
Für mehr Ehrgeiz in der Klimapolitik sprechen sich auch 150 europäische Unternehmen und Investoren aus. In einem offenen Brief fordern sie, die Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis 2040 um mindestens 90 Prozent zu reduzieren. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem SAP, die Otto-Gruppe und die Allianz, wie der Deutschlandfunk berichtet.
Sorgen machen sich die europäischen Gewerkschaften. Die Klimaziele dürften nicht auf dem Rücken der Beschäftigten erreicht werden, warnt der Europäische Gewerkschaftsbund. Bisher sei man den Vorgaben nur durch Deindustrialisierung näher gekommen, nicht aber durch die Reduktion von Treibhausgasen. Außerdem fehlten soziale Begleitmaßnahmen wie das deutsche Klimageld.
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