Klimakrise und Klimapolitik: Ein Sommer geht zu Ende
Am Ende des Hitzesommers schaut unser Kolumnist einen Horrorfilm und liest in der Bibel. Aber auch dort findet er keine Lösung für die Klimakrise.
D er Sommer geht zu Ende! Noch nie klang dieser Satz so vorfreudig wie in diesem Jahr. Morgens ist jetzt manchmal das Fenster leicht beschlagen, aber vielleicht liegt das auch am Pfusch am Bau.
Ein Sommer geht zu Ende, den man sich auch als den Beginn eines Horrorfilms vorstellen könnte. Ein Kameraflug über die französische Atlantikküste. Wir sehen einen Campingplatz von oben. Idylle. Am Horizont etwas Rauch. Dann explodieren Gasflaschen, Menschen rennen schreiend aus ihren brennenden Zelten. Dröhnende Hans-Zimmer-Musik setzt ein. Cut. Eine Fernsehmoderatorin steht in der Mitte eines ausgetrockneten Flussbettes. Cut. Ein weinender Fischer zieht tote Fische aus der Oder. Cut. Schwarzer Bildschirm.
In einem Horrorfilm würden in der nächsten Szene die Zombies aus ihren Löchern steigen. Aber die Realität ist brutaler. Da steigt ein Mann mit einer Ledertasche aus dem Flugzeug, senkt die Steuern auf Erdgas und grinst spitzbübisch. Dieser Albtraum heißt Olaf Scholz. Und die Untoten sind die Gasunternehmen, die als erstes Robert Habeck fressen, der in dieser Geschichte leider auch nicht zum Helden taugt.
Wenn Sie mit apokalyptischen Filmen nichts anfangen können, können Sie ja die Bibel aus Ihrem Nachtschrank nehmen. Denn auch dort wird der Sommer 2022 und das Fischsterben in der Oder beschrieben. Zum Beispiel im Buch Hosea: „Darum wird das Land dürre stehen, und alle seine Bewohner werden dahinwelken; auch die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer werden weggerafft.“
Es brennt in der Gegenwart
Ich glaube nicht daran, dass uns ein Gott straft oder rettet, das müssen wir schon selber tun. Nur war das politische Zeitfenster, in dem eine Mehrheit der Bevölkerung die Klimakrise nicht mehr geleugnet hat, bis zu dem Moment, in dem sie mit voller Wucht den Alltag bestimmt, viel zu kurz. Was folgt daraus?
Eine realistische Klimapolitik kann sich nach diesem Sommer nicht darauf beschränken, für eine klimaneutrale Welt 2050 zu kämpfen. Vielleicht ist dieses Ziel sowieso utopisch und unvereinbar mit Moderne.
Seit der Industriellen Revolution steigt die Konzentration von CO2 in der Luft. Wohlstand für alle, das gab und gibt es nur mit immer mehr CO2. Nur wenn die Weltwirtschaft zusammenbrach, wie 2009 und 2020, sanken auch die Emissionen.
Natürlich bleibt das Ziel einer klimaneutralen Welt richtig. Aber dieser Sommer hat gezeigt, dass es nicht reicht, für ein fernes Ziel zu kämpfen, wenn schon die Gegenwart brennt.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Wenn die Klimakrise nicht abgewendet werden kann, muss der Mensch sich an sie anpassen. Klimapolitik muss dann den Kampf gegen die Folgen aufnehmen: Für das Recht auf Abkühlung. Für eine Gesellschaft, die schneller auf Katastrophen reagiert und die Swimmingpools genauso fair verteilt werden wie das Risiko, an der Hitze zu sterben. Klimaanpassung, das klingt nicht gerade sexy, denn Anpassung klingt nach Resignation. Aber vielleicht steckt darin auch die Chance, die Klimafrage und die soziale Frage miteinander zu versöhnen.
Bisher sieht es leider nicht danach aus. Denn am Ende dieses Sommers leugnet zwar niemand mehr die Gefahr der Klimakrise. Aber das Einzige, was an die neue Wirklichkeit angepasst wird, sind die Gasabschläge. Die Angst der Deutschen vor einem kalten Winter ist gerade größer als die vor einem heißen Sommer. Denn den gibt es wenigstens kostenlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen