Fischsterben in der Oder: Die Natur soll schuld sein

Die Gefahr sei gebannt, ist Polens Premier Morawiecki überzeugt. Er verkündete, dass das Fischsterben eine natürliche Ursache hatte.

Ein toter Blei liegt am frühen Morgen im flachen Wasser des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder.

Das Fischsterben im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder setzt sich fort Foto: Patrick Pleul/dpa

WARSCHAU taz | Am polnischen Ufer der Oder sitzen bereits wieder die ersten Angler und warten darauf, dass ein Zander oder Hecht anbeißt. Vor ein paar Tagen trieben hier noch zehntausende tote Fische vorbei. Bis heute sind von Breslau bis zum Stettiner Haff weit über 200 Tonnen Tierkadaver geborgen worden.

Für Polens Premier Mateusz Morawiecki von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist die Gefahr inzwischen gebannt. Hatte er vor zwei Wochen noch von der „Vergiftung der Oder“ gesprochen und ein hohes Preisgeld für die Ergreifung des Täters ausgelobt, so verkündet er seit Donnerstag ganz offiziell, dass das massenhafte Fischsterben auf eine „natürliche Ursache“ zurückzuführen sei.

Jaroslaw Obremski, der Verwaltungschef von Niederschlesien, gab denn auch schon den Anglern grünes Licht für ihr „Freizeitvergnügen“. Nur sollten sie die gefangenen Fische nicht zubereiten und essen, sondern wieder zurück in die Oder werfen. Das sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn das Wasser der Oder sei wieder so sauber wie vor der Ökokatastrophe.

Zwar gebe es noch ein paar Altarme der Oder und auch den mit den Oder verbundenen Bajkał-See, eine ehemalige Kiesgrube bei Breslau, in denen immer noch tote Fische aus dem Wasser gezogen werden müssten, doch auch dort verbessere sich die Wasserqualität nach und nach, erklärte der Wojewode. Auf die erhöhten Salzwerte in der Oder, die das massenhafte Wachsen einer für Fische giftigen Algenart begünstigten, ging Obremski nicht ein.

PiS-Politiker: „Deutsche Fakenews“

Zuvor hatten PiS-Politiker immer wieder die „deutsche Fakenews“ von der angeblichen „Quecksilbervergiftung der Oder“ herausgestellt und dann beruhigt, dass polnische Forscher in den Wasser- und Tierproben kein Quecksilber gefunden hätten. Die Deutschen und die Opposition in Polen hätten die Quecksilberlüge in die Welt gesetzt, um der PiS-Regierung zu schaden.

Polens Umweltministerin Anna Moskwa, die weder den polnischen Premier rechtzeitig von der Umweltkatastrophe informiert hatte, noch auch die deutschen Partner – die Oder ist über mehrere hundert Kilometer ein deutsch-polnischer Grenzfluss, versprach zwar eine bessere Kommunikation, attackierte dann aber „die Deutschen“ über Twitter. Denn während aus deutschen Laboren erste Untersuchungsergebnisse und neue Thesen zum Fischsterben an der Oder bekannt gegeben wurden, hörte man aus polnischen Laboren entweder gar nichts oder aber, dass „weder Quecksilber“ im Oderwasser nachgewiesen werden konnte, noch auch „andere Schwermetalle“.

Immerhin: Hoher Salzgehalt als Ursache bestätigt

Immerhin wurde der hohe Salzgehalt in der Oder, den die deutschen Umweltchemiker als eine weitere Ursache für die Katastrophe benannten, bestätigt, doch dabei blieb es dann auch. Kritische Journalisten publizierten dann, dass zahlreiche polnische Unternehmen schon seit Jahren ihre Abwässer oft ungeklärt und illegal, aber auch mit Genehmigung der Behörden in die Oder einleiten.

Doch der PiS- Staat sah sich außerstande, unter diesen Umweltsündern einen oder mehrere Schuldige auszumachen. Vielleicht auch, um das Versagen von PiS-Behörden und PiS-Politikern zu vertuschen. Ohne die massenhafte Blüte der giftigen Alge wäre der hohe Salzgehalt in der Oder nicht weiter aufgefallen. Sie aber ist nun die willkommene Erklärung für die „natürliche Ursache“ des Massensterbens der Fische.

Automatisiertes Fluss-Monitoring wäre notwendig

So konnte Premier Morawiecki behaupten, dass „immer mehr darauf hinweist, dass dieses Ereignis einen natürlichen Charakter hat.“ Obwohl die breit publizierte Faktenlage eine andere ist, sagte er: „Es gab keine größeren Einleitungen chemischer Substanzen – weder von Quecksilber noch von anderen Chemikalien, mit denen man uns erschreckt hat. Sauerstoffmangel hatte es auch früher schon in Flüssen gegeben.“ Dabei war im oberen Oderlauf nicht fehlender Sauerstoff festgestellt worden, sondern ganz im Gegenteil eine relativ hohe Sauerstoffkonzentration, die auf die Photosynthese der in salzhaltigem Wasser rasch wachsenden Algenblüte zurückzuführen war.

Um eine ähnliche Öko-Katastrophe in Zukunft zu vermeiden, wäre ein regelmäßiges und möglichst automatisiertes Fluss-Monitoring notwendig, wie Prof. Andrzej Woznica von der Schlesischen Universität in Kattowitz empfiehlt. Zwar will nun Umweltministerin Moskwa umgerechnet 53 Millionen Euro für die Digitalisierung des polnischen Fluss-Kontrollsystems ausgeben, doch bislang gibt es an den Flüssen keine Messstationen, die alle paar Stunden oder Minuten die sich ändernde Wasserqualität überprüfen würden.

„Die sind sehr teuer“, so Prof. Woznica, „sie kosten über zehn Millionen Euro pro Stück. Dazu kommen noch die Kosten für den Chemiker, der die Ergebnisse regelmäßig auswerten muss. Die Deutschen haben drei davon. Wir keine einzige.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.