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Klimagipfel in BakuNachhaltige Massentierhaltung ist eine Illusion

Gastkommentar von Volker Gaßner

Nutztiere sind für das Klima nicht gesund. Zwar schont eine artgerechte Haltung die Rinder, der Methanausstoß verringert sich dadurch aber nicht.

Was diese Viecher an Methan ausstoßen, geht auf keine Kuhhaut Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE

I n Baku treffen sich Staats- und Regierungsvertreter:innen, um den Weg zu einer klimafreundlicheren Zukunft zu ebnen. Dabei geht es, wie so oft, ums Geld: Wer zahlt die Rechnung? Bei der COP29, der „Finanz-COP“, wird entschieden, wie die versprochenen 100 Milliarden Dollar von den Industrieländern verteilt werden: Hier wird die Basis dafür gelegt, in welche Sektoren das Geld künftig fließen soll, um Emissionen zu senken und Klimafolgen abzufedern.

Ein Sechstel der menschengemachten Treibhausgase stammt aus der Massentierhaltung. 54 Prozent davon gehen auf Methan zurück, das Rinder ausstoßen. Auch der massive Einsatz von Düngemitteln und die Abholzung von Wäldern für Futtermittel tragen erheblich zur Klimakrise bei. Dennoch fließen nur 4,3 Prozent der Klimafinanzierung in die Landwirtschaft.

Die Fleischindustrie setzt auf „nachhaltige Intensivierung“. Dabei geht es darum, die Emissionen pro Kilo tierischem Produkt zu senken, ohne die Emissionen insgesamt zu reduzieren – ein gefährlicher Irrweg. Kurzfristige Lösungen verschieben das Problem nur. Auch Biogas aus Gülle bringt Fehlanreize: Mehr Gülle bedeutet mehr Massentierhaltung und somit erneut höhere Emissionen.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Die Gesamtzahl der Tiere muss deutlich sinken. Nur so lassen sich Emissionen nachhaltig reduzieren. Und nur so wird Milliarden von Tieren Leid erspart. Jährlich werden über 83 Milliarden Tiere unter oft katastrophalen Bedingungen geschlachtet. Eine „nachhaltige“ Massentierhaltung gibt es nicht.

Volker Gaßner

ist Diplombiologe. Seit April 2024 leitet er den deutschen Standort der globalen Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die auch mit einer Delegation auf der COP29 in Baku vertreten ist.

Die Klimafinanzierung bietet die einmalige Chance, zukunftsfähige Landwirtschaft zu fördern. Klein­bäue­r:in­nen und nachhaltige, lokale Landwirtschaft müssen unterstützt werden. Traditionelle Weidesysteme, die Tiere in die Natur integrieren, bieten Lösungen für Klima und Tierschutz. Ohne eine deutliche Verringerung der Nutztierzahlen weltweit sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Jetzt ist die Zeit, Subventionen in regionale, ökologische Modelle umzulenken.

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15 Kommentare

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  • "Ein Sechstel der menschengemachten Treibhausgase stammt aus der Massentierhaltung." - Wo bitte haben Sie diese abenteuerliche Zahl her? OurWorldInData hat eine Grafik dazu (ourworldindata.org...issions-by-sector) nach dem die gesamte Tierhaltung der Menschheit 5,8% zu den CO2-Emissionen beiträgt. Das ist dann incl. Hühner, Ziegen, Schafe usw.

    Aber noch wichtiger: Wir könnten 100.000 Jahre lang Tiere für unsere Ernährung halten ohne das die der CO2-Gehalt der Atmosphäre ändern würde. Kühe fressen Gras, atmen CO2 aus und produzieren Methan. Das Methan zerfällt nach und nach zu CO2 und das Gras bindet das CO2 wieder. Wie soll es damit zu einem CO2 Anstieg kommen? Die Emissionen der Menschheit haben verschiedene Ursachen (z.B. Atmen von Menschen). Aber der Anstieg geht allein auf die fossilen Brennstoffe zurück, die wir seit ca. 200 Jahren nutzen.

    Dieses Rindermärchen zu verbreiten ist eine typische Taktik um tatsächlich wirksame Maßnahmen in den Hintergrund zu stellen.

  • Es gibt große Defizite im Diskurs um die Bedeutung des Methanaustoßes und ich habe dazu Fragen auch an den Autor.



    Methan aus der Tierhaltung ist nicht fossilen Ursprungs. Es verweilt nur ca. zehn Jahre in der Atmosphäre und befindet sich im Kreislauf, so wie das CO2 aus der Atmung. Wie hoch ist der Schaden des Methans im Vergleich zum Nutzen der Kreislauf CO2 Bindung in Form von Biomasse in der gesamten Tierhaltung ? Als Biomasse wären da die Tiere selbst, ihre Erzeugnisse, ihrer Futtermittel auf dem Feld und im Lager und in Form von Humus Aufbau. Ich habe dazu noch nie Berechnungen gesehen und es erinnert mich manchmal an das Missverständnis mit dem virtuellen Wasserverbrauch, das erst jetzt nach Jahrzehnten Diskurs langsam aufgeklärt wird. Auch dort wird natürliches Regenkreislaufwasser undifferenziert mit gezählt.



    Dass wir die Tierhaltung zurück fahren müssen, steht außer Frage und ebenso der Klimawandel mit seinen Folgen. Gleichzeitig sollten wir wissenschaftlich ganz exakt differenzieren.

  • Die quasi industrielle Massenproduktion von (billigem) Fleisch muss aufhören. Die Kosten des Fleisches, auch die der Umwelt, müssen sich im Preis abbilden. Fleisch muss (wie früher hier, heute auch in vielen Teilen der Welt) etwas besonderes sein. Die Welt wird nicht sofort vegetarisch leben, aber der Trend muss weg von Fleisch gehen. Dafür sprechen das Klima, die Volksgesundheit, das Tierwohl. uvm.

  • Nachhaltige Tierhaltung ist keine Illusion.



    Illusion ist der Glaube, dass nachhaltige Tierhaltung umsetzbar wäre, ohne die Anzahl der gehaltenen Tiere zu verringern.



    Nachhaltige und artgerechte Tierhaltung gehen Hand in Hand. Stellt die Rinder auf die Almweide oder auf die Randstreifen von gesunden Mooren (Macht nicht jedes Rind mit, aber auch Wasserbüffel liefern Milch und Fleisch), verzichtet aufs Zufüttern von Kraftfutter, dann muss die Zahl der Tiere zwangsweise an die Weidefläche angepasst werden.



    Und schon helfen uns die großen Weidetiere dabei, wertvolle Reservate für großen Artenreichtum zu schaffen.



    Der durchschnittliche Milch- und Fleischkonsum der menschlichen Bevölkerung wird sich diesen Umständen anpassen müssen. Da der Kapitalismus eine heilige Kuh ist, wird die Nachfrage wohl über den Preis regeln, wer noch Fleisch isst und wer nicht.

    • @Herma Huhn:

      Zu ergänzen wäre vielleicht noch, daß über den Umweg Nutztier auch Nebenprodukte des Pflanzenbaus verwertet werden können, die eben nicht durch den menschlichen Verdauungstrakt gehen, aber dann zusätzlich weitere Kalorien und Dünger liefern.

  • Das Problem ist doch, dass Millionen Menschen in Deutschland und auch in der EU und Milliarden Menschen weltweit auf tierische Produkte nicht verzichten wollen und werden. Tierisches Leid hin oder her. Wenn ökologisch ausgerichtete Parteien an die Macht kommen ist es nur eine Frage kurzer Zeiträume bevor ihnen massiver Gegenwind begegnet bzw. rechte oder rechtslastige Parteien bedrohliche Ausmaße annehmen und Klimaziele konterkarieren - siehe Bruch der Ampel. Ob Petra, vier Pfoten oder auch andere Organisationen verstehen in ihrer eigenen Blase nicht, wie mit dem Bedarf dieser Gruppierungen umzugehen ist. Nur eine vegane Lebensweise zu propagieren ist eben für viele Menschen keine Alternative. Das weniger auch mehr sein könnte wäre vielleicht ein Anfang und vermittelbar. Aber über diesen Schatten springt keiner …

    • @Frank Enzmann:

      Erzähl mal den Ukrainern, dass sie in ihrer eigenen Blase leben und einfach damit klarkommen müssen, dass Millionen Russen nicht auf ihr Land verzichten werden.



      Fakt ist, dass man sich seine Blase absichtlich aussuchen kann. Auch bei Dir wird sie sich an irgendwelchen Idealen orientieren, die de facto aber niemals für die gesamte Menschheit akzeptabel wären.

    • @Frank Enzmann:

      Fleisch essen ist kein Bedarf, es ist ein Bedürfnis. Ein SUV, ein Palast, eine eigene Insel, alles Bedürfnisse. Wir lernen, unrealistische Bedürfnisse zu erkennen. Tiere sind intelligent, haben Gefühle und leben gerne. Egal, wie schön ihr Leben auf dem Bauernhof ist, es wird in jungen Jahren beendet, weil einige Menschen das Bedürfnis haben, Fleisch zu essen. Nicht OK. Außerdem könnten auf der Fläche, auf der Futter für Nutztiere angebaut wird, Wildtiere leben. Gnadenbrot für all die armen Tiere, die gegessen werden sollten, danach die frei werdenden Flächen der Natur zurückgeben.

  • Der hohe Fleischverbrauch in den "westlichen" Industriestaaten ist eine Folge des hohen Lebensstandards. In der Vor- und Frühindustrialisierung gab es den traditionellen "Sonntagsbraten". In der restlichen Woche ernährte man sich eher vegetarisch.



    Mit gewollt steigendem Lebensstandard im globalen Süden kann man jetzt überlegen, wie damit umzugehen ist. Tendenziell würde ich davon ausgehen, dass die Nutztierzahl weiter steigt.

    • @Vigoleis:

      Wenn man den Unterschied zwischen Lebensstandard und Lebensqualität erkannt hat, ist das Thema "Fleisch" schnell erledigt.



      Aber der "Lebensstandard" hängt ja auch von der Menge der Abgase ab, welche die überdimensionierte Gehhilfe hinter sich lässt, sowie von der Anzahl der geflogenen Kilometer zum Urlaubsort usw. usw. usw...

  • Vielleicht gibt es nur eine einzige nachhaltige Entgegnung:

    Weltveganismus

  • "Jährlich werden über 83 Milliarden Tiere unter oft katastrophalen Bedingungen geschlachtet."

    Es treibt einem die Tränen in die Augen.

    • @shantivanille:

      Wenn Dir nicht, tut mir das fast ebenso leid. Auch für Dich.

    • @shantivanille:

      Bei mir stellt sich die Frage, welche Tränen überwiegen: Die aus Trauer oder die aus Wut?

      120kg/US-Bürger/Jahr - noch Fragen?

  • Stimmt alles. Nur wo bleibt die Förderung auf EU-Ebene für nachhaltige Landwirtschaft? Das wird es mit rechts-konservativ nicht geben. Ebenso wenig wird die Produktion von künstlichem Dünger eingeschränkt werden. Mich würde auch noch interessieren, wo die restlichen 5/6 Methan herkommen und welche Maßnahmen dagegen unternommen werde.