Klimagipfel COP 27 in Ägypten endet: Schadensersatz – und viel Schaden
Der Weltklimagipfel in Scharm al-Scheich einigt sich mit zwei Tagen Verspätung auf eine Abschlusserklärung. Mit vielen Lücken und einem Lichtblick.
Stunde um Stunde verzögerte sich das Abschlussplenum. In der hart umkämpften Abschlusserklärung steht nun wieder drin, dass die Regierungen sich zu dem Ziel bekennen, die Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Sie wiederholen auch die Feststellung aus ihrer letztjährigen Erklärung, dass dafür die Kohlenutzung heruntergefahren werden muss.
Das bedeutet aber auch, dass die wenigen Ölländer sich wieder durchgesetzt haben. Nicht beschlossen wurde nämlich, dass ein Abschied von fossilen Energieträgern im Allgemeinen nötig ist. Dieser Vorschlag von Indien fand sich trotz breiter Unterstützung schon in keinem der vorab kursierenden Beschlussentwürfe.
Die ägyptische Gipfelpräsidentschaft, die selbst zum Abschluss von Gas-Deals am Rande der Verhandlungen aufrief, hatte ihn trotz breiter Unterstützung schlicht nicht aufgenommen. Strikt gegen die Formulierung waren auch Ölländer wie Saudi-Arabien.
“Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander“
Scharm al-Scheich löste sich damit nicht vom alten Ritual der Klimagipfel: Die 200 Staaten streiten sich darum, ob in Abschlusserklärungen stehen darf, was ohnehin alle wissen. Ein Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Gas und auch Öl ist schließlich die logische Konsequenz aus dem 1,5-Grad-Ziel. “Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kurz nach Abschluss der Verhandlungen.
Die ägyptische Präsidentschaft ging bei der Navigation der Verhandlungen intransparent vor. Lange legte sie überhaupt keine Beschlussentwürfe vor, an denen sich die Verhandler:innen hätten entlanghangeln können. Als es dann zum Ende der zweiten Verhandlungswoche endlich welche gab, ähnelten diese eher losen Ideensammlungen als professionellen Verhandlungstexten. Das änderte sich kurz vor Gipfelende.
Denkbar ist, dass die Expert:innen des UN-Klimasekretariats Ägypten unter die Arme gegriffen haben. Das Abschlussplenum musste auf Bitte der Schweiz unterbrochen werden: „Wir haben keine Zeit bekommen, die Abschlusserklärung zu lesen“, beklagte dessen Landesvertreter.
Auch sonst waren die Rahmenbedingungen auf dem Gipfel schwierig: In der ersten Verhandlungswoche beschwerten sich Teilnehmer:innen etwa über zu teures Essen und ständig leere Wasserspender. Ein kleines, trockenes Sandwich kostete an den Essensständen umgerechnet mehr als 10 Euro.
Die am schlechtesten organisierte Weltklimakonferenz
Ägypten reagierte und bot ab der Mitte des Gipfels einen Rabatt auf Essen sowie kostenlose Limonaden an. Während der Tag und Nacht laufenden Abschlussverhandlungen wurde das Gelände inklusive der allermeisten Essensstände allerdings schon abgebaut. In der Wüstenstadt Scharm al-Scheich ist das ein besonderes Problem, denn die Wege zum nächsten Geschäft sind kilometerweit und das Leitungswasser kann man nicht trinken. Viele in den Fluren sprechen von der am schlechtesten organisierte Weltklimakonferenz, die es je gab.
Trotz aller Widrigkeiten hat die Konferenz einen Durchbruch erzielt: Es wird einen Fonds geben, aus dem bei Schäden und Verlusten durch den Klimawandel geschöpft werden kann. Das ist eine jahrzehntealte Forderung armer Länder, besonders der kleinen Inselstaaten.
Wenn durch die Klimakrise beispielsweise eine Flut ganze Landstriche mit sich reißt oder eine Dürre die Ernte ausfallen lässt, sollen arme Länder Zugriff auf die internationalen Mittel haben. Die Industriestaaten haben bei dem Thema traditionell blockiert. Sie haben Angst, dass Zahlungen juristisch als Schuldeingeständnis gewertet werden könnten und eine Haftung für die ganze Klimakrise nach sich ziehen könnten – was praktisch unbezahlbar wäre.
Erstmals stand das Thema in Scharm al-Scheich auf der Tagesordnung einer Weltklimakonferenz. Von Anfang an wurde dazu festgehalten, dass es nicht um Haftungsfragen gehe. Dennoch traten die Verhandlungen anderthalb Wochen auf der Stelle. Die USA waren strikt gegen eine Zahlungsverpflichtung. Deutschland ließ mit Unterstützung der anderen G7-Staaten einen „Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken“ an den Start gehen, bei dem es um die Etablierung von Versicherungen gegen Klimaschäden geht. Das löste grundsätzlich Lob, aber auch Verwirrung aus: Sollte es sich vielleicht um ein Alternativprogramm und damit eine implizite Absage an einen Fonds für den Katastrophenfall handeln?
Eigener Vorschlag der EU
Erst kurz vor Ende der Konferenz kam die EU mit einem eigenen Vorschlag zu einem Fonds – und brachte die große Geopolitik auf den Klimagipfel. Sie störte sich an der üblichen Unterteilung der Staaten in Industrie- und Entwicklungsländer. Nach der müssen Erstere zur Klimafinanzierung beitragen, Letztere haben Anspruch auf Zahlungen.
Bundesaußenministerin Baerbock gehört zu den lautstarken Kritiker:innen dieser Logik. Das Geld solle nicht an die gehen, „die nur noch auf dem Papier Entwicklungsländer sind“, sagte sie noch am Freitagnachmittag. Deutlicher Adressat: China, mittlerweile Wirtschaftsmacht und weltgrößter Emittent – aber laut der Klimarahmenkonvention von 1992 kein Industrieland.
Mit ihrem Vorhaben sind Baerbock und der Rest der EU in Scharm al-Scheich vorerst gescheitert. Die Frage wird in ein Komitee ausgelagert, das die Details zu dem Fonds im kommenden Jahr klären soll. Auch wenn vieles noch vage ist: Dass es überhaupt einen Fonds geben soll, sorgt bei Klimaschützer:innen aus dem Globalen Süden für seltenes Lob nach einer Weltklimakonferenz. „Die COP 27 hat erreicht, was keine andere COP vorher erreicht hat“, sagte Mohamed Adow, Chef von Power Shift Africa.
Beim Eingrenzen künftiger Schäden und Verluste, also beim eigentlichen Klimaschutz, kam hingegen nur eine schwache Einigung zustande. UN-Chef António Guterres kritisierte die Regierungen deshalb scharf. Die Welt befinde sich „auf der Autobahn in die Hölle“, hatte er schon zum Auftakt es Gipfels gesagt. Dieses Urteil revidierte er nach Abschluss der Verhandlungen nicht. „Der Planet ist in der Notaufnahme“, sagte der Portugiese. „Wir müssen die Emissionen dramatisch verringern. Das anzugehen, hat die Klimakonferenz versäumt.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird