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COP 27 in ÄgyptenKlimagipfel in der Verlängerung

Eigentlich hätte die Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich am Freitagabend enden sollen. Viele Knackpunkte sind noch offen.

Dämmerung auf der COP 27: Der Gipfel ist in der Schlussphase – kommt aber nicht pünktlich zum Ende Foto: Peter Dejong/picture alliance/dpa/AP

Scharm al-Scheich taz | Die Stimmung auf dem Weltklimagipfel in Scharm al-Scheich ist nach mehr als einem halben Tag Überlänge verhärtet. „Es ist besser, keine Entscheidung zu fällen, als eine schlechte Entscheidung“, sagte Frans Timmermans, Vizechef der EU-Kommission, am Samstagmorgen.

Er deutete an, dass nach den nächtlichen Verhandlungen sogar im Raum stehe, hinter den Stand der Weltklimakonferenz des vergangenen Jahres zurückzufallen – und dass die EU bereit sei, die Verhandlungen platzen zu lassen. „Unsere Botschaft an unsere Partner ist deutlich: Wir können nicht akzeptieren, dass das 1,5-Grad-Ziel hier und heute stirbt“, schob der EU-Politiker auf Twitter nach.

Eigentlich hätten die Verhandlungen am Freitagabend enden sollen. In dem bisherigen Entwurf für eine Abschlusserklärung, den die ägyptische Gipfelpräsidentschaft erstellt hat, ist aber so gut wie nichts fertig ausverhandelt. Es sei ersichtlich, „dass es immer noch eine Menge Themen gibt, wo der Fortschritt ausbleibt“, räumte Ägyptens Außenminister Samih Shoukry ein, der als Präsident des Klimagipfels fungiert.

Shoukry will am frühen Samstagnachmittag mit den Verhandlungen fertig sein. Viele zivilgesellschaftliche Be­ob­ach­te­r:in­nen legen sich da noch nicht so fest. Derweil lässt die ägyptische Regierung das Konferenzzentrum schon abbauen. Es gibt kaum noch Essen vor Ort. Ob die Verhandlungen besser laufen, wenn nicht nur übernächtigt, sondern auch hungrig sind?

US-Chefverhandler mit Covid im Bett

Nicht förderlich ist zudem, dass US-Klimasondergesandter John Kerry positiv auf Covid getestet wurde. Das teilte seine Sprecherin Whitney Smith am späten Freitagabend mit. Kerry ist der oberste US-Verhandler. Auf den Weltklimagipfeln lösen sich Knoten traditionell eher in informellen Flurgesprächen als über offizielle Wege. Mit Kerry in seinem Hotelbett geht das also schlechter.

Dabei gehören die USA in einer der großen Streitfragen zu den Blockierern: bei der Frage, ob es künftig finanzielle Unterstützung für Länder geben soll, die unter klimawandelbedingten Schäden und Verlusten leiden. Erstmals steht das Thema überhaupt offiziell auf der Tagesordnung einer Weltklimakonferenz.

Die Entwicklungsländer bestehen auf einem Fonds spezifisch für diesen Zweck, in den reiche Länder einzahlen müssen. Die USA sind strikt gegen eine solche Verpflichtung. Und die Europäische Union, die einem Fonds mittlerweile zustimmt, will durchsetzen, dass das Geld nur an besonders verletzliche Länder ausgezahlt werden darf.

Wer zählt als Entwicklungsland?

Der Knackpunkt: Als Entwicklungsland zählt beispielsweise auch China noch – trotz mittlerweile gestiegener Wirtschaftskraft und entsprechenden CO2-Emissionen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Freitagnachmittag, das Geld aus einem etwaigen Fonds für Schäden und Verluste solle nicht an die gehen, die „nur noch auf dem Papier“ Entwicklungsländer seien. „Wir werden in den nächsten Stunden sehen, ob auch die anderen Länder bereit sind, aus der Karo-Box herauszukommen, in der wir hier jahrelang verhandelt haben.“

Das wiederum dürfte China nur mäßig gefallen. Zusammen mit der Entwicklungsländer-Verhandlungsgruppe „G77+China“ ist das Land für einen Fonds eingetreten – aber wohl in der Annahme, dann eher selbst zu den Profiteuren zu gehören als zu den Einzahlenden.

„Es tut gut zu sehen, dass die EU ein konkretes Angebot macht, um die Krise für die Verletzlichsten zu adressieren und hier in Scharm al-Scheich einen Fonds für Schäden und Verluste zu etablieren“, sagte Mohamed Adow von Power Shift Africa, der die Klimaverhandlungen schon seit vielen Jahren beobachtet. „Aber um ehrlich zu sein, sollte dieser Fonds nicht genutzt werden, um den alten Streit um die Erweiterung der Geberbasis zu schlichten.“

Das sieht Baerbock zum Beispiel anders. „Ein Fonds ist ja kein Selbstzweck“, so die Ministerin. „Wenn wir den verletzlichsten Ländern helfen wollen, braucht es viel Geld.“ Außerdem sei es eine Frage der Gerechtigkeit, dass Länder entsprechend ihrem Beitrag zum Klimawandel für die Schäden und Verluste zahlten. Das sei zudem ein Anreiz, um diesen Beitrag zum Klimawandel möglichst kleinzuhalten, also weniger zu emittieren. Andernfalls sei das „ein total falsches Anreizsystem“, so Baerbock.

Dass eine Weltklimakonferenz nicht ganz pünktlich endet, ist keine Besonderheit – die Frage ist, wie lange die Ver­hand­le­r:in­nen überziehen. Der bisher längste der Gipfel fand 2019 in der spanischen Hauptstadt Madrid statt. Auch sie hätte an einem Freitagabend enden sollen, dauerte aber bis Sonntagmittag.

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6 Kommentare

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  • Ich halte es für fragwürdig, zu fordern, dass China einzahlen soll. Der bessere Kompromiss wäre, wenn China sich stattdessen zu strengeren Klimazielen verpflichtet.

    Es müssen alle historischen und nicht nur die aktuellen Emissionen gerechnet werden. Die Länder, die sich seit der Kolonialzeit auf Kosten aller anderen bereicherten und dies jetzt genießen, sollten zahlen.

    Bei China müsste zudem ja auch mit eingerechnet werden, dass ein sehr großer Anteil der Technologie für alternative Energien mittlerweile aus China kommt und damit China einen erheblich größeren Beitrag leistet, als an den Emissionen erkennbar ist. Denn ohne den Rückgriff auf Produkte aus China könnte der Wechsel zu alternativen Energien derzeit nicht in ausreichendem Tempo vollzogen werden. Beispielsweise werden derzeit ca. 80 % aller Solarplatten in China hergestellt, die dann in anderen Ländern fossile Energien einsparen. Auch der Export von Windkraft Turbinen aus China hat stark zugenommen.

    Bei den Zahlungen geht es darum, für das zu entschädigen, was weltweit angerichtet wurde. Hier tragen in der historischen Gesamtrechnung nun einmal die entwickelten Industriestaaten die größte Verantwortung.

    Die Zahlungen dienen allein der Kompensation und können nicht den Klimawandel verzögern. Sie liegen in der Verantwortung der bereits seit Langem etablierten entwickelten Industriestaaten.

    Im Gegenzug sollte China dazu gebracht werden, seine Klimaziele weiter zu verschärfen, schneller zu erreichen und noch mehr auf alternative Energien zu setzen. China sollte sich vor allem um ein Herunterfahren seiner aktuellen Emissionen und den weiteren Ausbau seines Exports der Technologie für alternative Energien bemühen.

    Die Industriestaaten sollten zusätzlich die Welt für das entschädigen, was sie erzeugt haben.

    Im Übrigen ist das Thema des Klimawandels zu bedrohlich, als dass es instrumentell für Vorteile in der Rivalität mit China zu nutzen wäre.

    • 3G
      39538 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      Ganz Ihrer Meinung, Herr Gebauer — China sollte nun wirklich keine Entwicklungshilfe zahlen! In der Regel sind die Zuwendungen Pekings ökologisch gesehen reines Gift, sei es in der Region oder in Afrika.

    • @PolitDiscussion:

      Sehe ich ein bisschen anders. Eine Weltmacht die in Kürze die USA wirtschaftlich überholen wird und selbst beim absoluten pro Kopf Verbrauch schon einige Industrieländer überholt hat ist ganz klar auf der Seite die zahlen müssen: aqalgroup.com/2019...ide-co2-emissions/

      Und das dieser wirtschaftliche Gigant noch heute im Land Kohlekraftwerke baut und ankündigt, erst 2060 klimaneutral.

      "Im Übrigen ist das Thema des Klimawandels zu bedrohlich, als dass es instrumentell für Vorteile in der Rivalität mit China zu nutzen wäre."

      Ja, das gilt aber auch umgekehrt!

    • @PolitDiscussion:

      Sehe ich ein bisschen anders. Eine Weltmacht die in Kürze die USA wirtschaftlich überholen wird und selbst beim absoluten pro Kopf Verbrauch schon einige Industrieländer überholt hat, ist ganz klar auf der Seite die zahlen müssen: aqalgroup.com/2019...ide-co2-emissions/

      Und das dieser wirtschaftliche Gigant noch heute im Land Kohlekraftwerke baut und ankündigt, erst 2060 klimaneutral sein zu wollen, ist mit dem Stand der Klimawissenschaft einfach nicht zu vereinbaren.

      Es entsteht die perverse Situation, dass der run auf Solaranlagen made in China zunimmt (weil sie die Produktionsanlagen haben), weil andere Länder versuchen den Ausstoss Chinas zu kompensieren, um zumindest ein 2,5 Grad (?) Ziel zu erreichen.

  • Und dann gibt es noch dieses Hintergrundrauschen:



    www.thaipbsworld.c...-nuclear-reactors/

    Da werden dann neue Bilanzen mit ungelegten Eiern aufgemacht, bei dem die reichen Länder ihre "Schuld" gleich wieder in ein Geschäft umwandeln und die armen neue Verpflichtungen eingehen (Bau, service, Reparatur).



    Was nützt es da, dass internationale Berechnungen längst ergeben haben, dass die Solarenergie an solchen Orten die billigste ist, und die Fortschritte bei der Speicherung gerade richtig Fahrt aufnehmen.

  • Wir sind wirklich verloren...



    Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind kaum vereinbar.



    Wir drehen uns im Kreise.



    99,9 % aller je existierten Arten auf der Erde sind wieder verschwunden.



    Wir sind also in guter Gesellschaft!