Klimafreundliches Heizen: Wärmepumpen können das Stromnetz stabilisieren
Die klimafreundlichen Heizungen können ihren Betrieb an die Kapazitäten des Netzes anpassen. Dazu sind aber dynamische Strompreise erforderlich.
 
taz | Wärmepumpen sind beim Energieverbrauch flexibel. Deshalb können sie das Stromsystem stabilisieren, sofern sie ihre Betriebszeiten an der aktuellen Netzsituation ausrichten. Damit das tatsächlich geschieht, sind jedoch Anreize durch zeitlich und räumlich differenzierte Strompreise nötig – so das Fazit einer Studie des Beratungsunternehmens Consentec im Auftrag des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP).
Schon heute bieten Verteilnetzbetreiber zwar zeitvariable Netzentgelte an, doch diese sind nur ein erster, kleiner Schritt zu mehr Kostenwahrheit im Stromnetz. Denn bislang orientieren sich die Entgelte stur an Uhrzeiten und sind jeweils für ein ganzes Quartal einheitlich. So sind sie zwar gewissermaßen zeitvariabel, aber eben nicht dynamisch, spiegeln also nicht die aktuelle Netzsituation wider. Zum Beispiel wird ein trüber Tag trotz der enormen Bedeutung der Photovoltaik genauso behandelt wie ein sonniger.
Ein weiteres Manko: Die Entgelte sind bisher im gesamten Netzgebiet eines Unternehmens identisch. In großen und vielfältig strukturierten Verteilnetzen, die zum Beispiel Städte und ländliche Regionen umfassen, ist auch das nicht zielführend, wenn lokale Flexibilitäten erschlossen werden sollen.
„Wir brauchen hochdifferenzierte Netzentgelte“, sagt daher Christian Linke, Analyst bei Consentec. Auch innerhalb des Verteilnetzes eines Unternehmens müsse es je nach lokaler Netzsituation unterschiedliche Netzentgelte geben – also höhere Preise dort, wo Engpässe herrschen und niedrigere Preise, wo noch Kapazitäten verfügbar sind. Zugleich sollten die Netzentgelte „nahe an Echtzeit“ schwanken – also tatsächlich möglichst gut die reale aktuelle Situation widerspiegeln. Dass die Entwicklung in diese Richtung gehen wird, gilt als ausgemacht: Die Bundesnetzagentur verfolgt dieses Ziel bereits im Zuge des Verfahrens „Allgemeine Netzentgeltsystematik“, genannt: AgNes. Dessen Ziel ist „eine bessere Kosteninternalisierung zum Beispiel bezüglich von Engpassmanagementkosten“.
Schieflagen durch Einheitspreis
Ein zweiter Faktor, der unterstützend vielleicht künftig hinzukommen werde, sei die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen, sagt Linke. Bisher gilt deutschlandweit an der Strombörse ein Einheitspreis. In Regionen mit wenig erneuerbaren Energien gilt somit der gleiche Großhandelspreis wie in Regionen mit viel Erneuerbaren, was immer wieder für Schieflagen im Netz sorgt. Auch eine diesbezügliche Nachbesserung des Strommarkts würde den systemdienlichen Einsatz von Flexibilitäten fördern.
Da eine Wärmepumpe im Haus zwei bis drei Stunden ruhen könne, sei das Gerät gut in der Lage, die Betriebszeiten nach einem dynamischen Strompreis auszurichten, erklärt Sven Kersten vom Wärmepumpenhersteller NIBE. Dafür brauche man nicht einmal einen großen Wärmespeicher im Keller: „Das Gebäude selbst ist der beste Wärmespeicher.“ Um von Zeiten mit günstigen Strompreisen zu profitieren, müssten die Nutzer die Tarife nicht selbst im Blick halten; das Energiemanagementsystem der Wärmepumpe optimiere die Steuerung.
Digitalisierung erforderlich
Damit die Heizgeräte bevorzugt bei günstigen Strompreisen laufen können, sind Smart Meter erforderlich, weshalb BWP-Geschäftsführer Martin Sabel die schnelle Digitalisierung anmahnt. Aktuell seien in Deutschland erst 1,6 Millionen intelligente Zähler verbaut, die viertelstündlich wechselnde Strompreise abrechnen können.
Um die elektrischen Wärmepumpen gegenüber Gasheizungen künftig attraktiver zu machen, wünscht sich die Brachenlobby zudem eine Senkung der Strompreise um fünf Cent je Kilowattstunde sowie einen wirkungsvollen europäischen Emissionshandel. Mit dem sogenannten ETS-2 (Emissions Trading System) soll ab dem Jahr 2027 auch der private Erdgasverbrauch dem europäischen Handelssystem unterliegen. Während auf diese Weise die Gasheizungen zurückgedrängt werden sollen, räumt NIBE-Vertreter Kersten aber ein, dass zugleich das Stromnetz für schwierige Situationen, etwa im Fall einer längeren, winterlichen Dunkelflaute, abgesichert werden müsse – auch mit Gaskraftwerken.
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