Klimaexperte über Billigflüge: „Eine Kerosinsteuer wäre sinniger“
Alexander Dobrindt von der CSU will Billig-Flugtickets mit einer Strafsteuer belegen. Klimaexperte Martin Cames vom Ökoinstitut hat Bedenken.
Herr Cames, ist die von der CSU vorgeschlagene „Strafsteuer“ für Billigflieger sinnvoll?
Martin Cames: Ich bin da skeptisch. Zuerst einmal ist es wichtig festzustellen, dass nur sehr wenige Flüge überhaupt zu „Kampfpreisen“ unter 10 oder 20 Euro zu haben sind. Die meisten Tickets sind auch bei Billigfliegern teurer. Bei einer Aufstockung auf mindestens 50 Euro pro Ticket wären die Preisaufschläge also eher gering. Ich denke nicht, dass das in diesem Preissegment die Konsumenten vom Fliegen abhält. Außerdem ist es möglich, dass durch eine solche Steuer eigentlich wirksamere Maßnahmen behindert werden.
Welche denn?
Sinnvoller wäre eindeutig die Einführung einer Kerosinsteuer. Bisher betanken wir unsere Flugzeuge nämlich komplett steuerfrei. Zudem wäre dem Klima mehr geholfen, wenn wir im internationalen Luftverkehr eine Mehrwertsteuer einführen würden. Dann wären nicht nur die Billigflüge teurer, sondern alle Tickets. Die gesamtwirtschaftliche Wirkung wäre um ein vielfaches höher. Noch wichtiger wäre aber die Förderung synthetischer Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien. „E-Fuels“, also CO2-neutrale Kraftstoffe, bieten vielversprechende Perspektiven. Mit ihnen könnten wir einen nachhaltigen Flugverkehr ermöglichen.
Wie viele KonsumentInnen wären von der Steuer betroffen?
Billigflüge haben einen erheblichen Anteil am deutschen Flugverkehr. Sie machen etwa ein Drittel aller Abflüge aus. Trotzdem wären nur wenige KonsumentInnen wirklich von einer Steuer betroffen. Der Durchschnittspreis bei Ryanair ist zuletzt auf rund 40 gefallen. Die Streuung der Ticketpreise ist aber enorm, nach oben und nach unten. Wir gehen davon aus, dass vielleicht nur 10 Prozent der Flugtickets bei Billigfliegern überhaupt solche „Kampfpreise“ aufweisen, wie sie Herr Dobrindt verhindern will.
Martin Cames, Bereichsleiter für Energie & Klimaschutz am Öko-Institut e. V., ist Experte für Klima- und Umweltpolitik.
Woher kommen diese Preisunterschiede?
Wie genau die Preise bei einem Flug zustande kommen, ist Geschäftsgeheimnis der Fluglinien. Wir können da nur spekulieren. Aber wenn sie kurz vor Abflug noch in Ticket erwerben, zahlen sie vermutlich immer am meisten. Wirklich günstige Preise sollen in erster Linie KundInnen auf die Homepage locken. Ob man sein Ticket dann zu diesem Preis bekommt, ist häufig eine ganz andere Frage.
Für wie realistisch halten Sie es, dass eine Steuer auf Billigtickets kommt?
Sie ist zumindest technisch und juristisch möglich. Außerdem scheint im Moment das Zeitfenster dafür geöffnet. Viele KonsumentInnen erkennen, dass der Luftverkehr einen Einfluss auf den individuellen ökologischen Fußabdruck hat. In Zeiten von Fridays for Future kann ich mir durchaus vorstellen, dass solche Vorschläge ernsthaft diskutiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren