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Klimademo in MünchenDie Massen ziehen – zum Oktoberfest

Nur rund zweitausend Teil­neh­me­r:in­nen demonstrieren in München für eine bessere Klimapolitik. Während der Internationalen Automobilausstellung waren die Straße und Plätze der Stadt voller.

Von soviel Andrang kann die FFF-Bewegung gerade nur träumen: Die Menschen strömen zur Eröffnung des Oktoberfestes am Samstag in München Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Patrick Guyton

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Patrick Guyton aus München

taz | Die U-Bahn ist voll an diesem Samstag in München, doch hauptsächlich sitzen Verkleidete drin. Die Massen zieht es nicht zur Klima-Demo von Fridays for Future (FFF), sondern zur Eröffnung des Oktoberfestes. Wiesn-Anstich und Demo-Beginn sind auf exakt denselben Zeitpunkt gelegt – 12 Uhr. Vier U-Bahn-Stationen hinter der Wiesn, an der Universität und auf dem Geschwister-Scholl-Platz, ist denn auch deutlich weniger los als in den Festzelten.

Ein Zufall ist das, auch ohne Oktoberfest wären wohl kaum mehr Demonstranten für den Klimaschutz gekommen. 1000 Leute sind auf dem Platz, beim späteren Demo-Zug durch die Stadt sind es in der Spitze vielleicht 2000. Greenpeace-Aktivisten tragen die Fahne „Climate Justice now“. Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wird kritisiert: „Reiche macht die Reichen nur noch reicher.“ Der Protest fokussiert sich zum Teil auf neue Gasbohrungen, ein Redner sagt: „Es gibt keine Zukunft mit Gas.“

Es ist sehr heiß an diesem Herbsttag an dem seit einiger Zeit türkis leuchtenden Brunnen vor dem LMU-Hauptgebäude, 30 Grad, und die Sonne knallt. Eine indigene Frau aus Brasilien geißelt das „koloniale Weltbild gegen Mensch und Natur“. Die Tonanlage bereitet Probleme, auf größeren Teilen des Platzes hört man nur schlecht. Die Menschen füllen ihn kaum, es gibt einige Lücken.

Kommen FFF nochmal in Schwung? Auch, weil die schwarz-rote Bundesregierung ja die zarten Klima-Bestrebungen der Vorgänger-Ampel teils einkassiert? Geht es nach der Münchner Demo, muss man skeptisch sein. Was war das noch für eine Zeit 2019, als in der Bayern-Metropole Zehntausende freitags klimastreikten und die halbe Maxvorstadt lahmlegten. Als Schü­le­r:in­nen klassenweise nicht in den Unterricht gingen, sondern auf die Demo und sich deshalb teils erbittert mit ihren Rek­to­r:in­nen anlegten.

Eine Rednerin bringt es nun im Herbst 2025 auf den Punkt. Den „Zusammenbruch des Klimas“, sagt sie, könne „man nicht vertagen, weil es unbeliebt ist“. Die Lage sei „unfassbar frustrierend“. Aber: „So lange noch eine Person aufsteht und sich einsetzt, ist nichts verloren.“ Immerhin bleibt das äußerst strittige Gaza- und Israel-Thema außen vor.

Wie sich doch wohl eine gesellschaftliche Stimmung gedreht hat, zeigt sich etwa beim Vergleich der Demo mit der Münchner IAA, der Internationalen Automobilausstellung, die vor nicht mal einer Woche geendet hatte. Viele der Plätze in der Stadt waren da voll mit neuesten Modellen, Autofetisch und PS- sowie wohl auch Testosteron-gesteuerten Besuchern. Und noch ein Vergleich: Das weitaus größte Transparent an diesem Demo-Tag hängt über dem Uni-Eingang. Es wirbt für eine Karrieremesse: „Shape your Career.“

Stimmung und Zusammengehörigkeitsgefühl kommen dann doch noch etwas auf beim Zug mit Pauke und Blechbläsern durch die Ludwigstraße und weiter zum Haus der Kunst. Nicht zum ersten Mal wird gerufen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“ Ein älteres Paar hat das abgewandelt. Auf ihrem Plakat nennen sie sich „Boomer for Future“. Und sagen: „Wir sind hier, wir sind laut, denn wir haben es versaut.“

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