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Klimacamp in HamburgZelten für die Zukunft

Das System Change Camp beginnt. Am Volkspark möchten sich klimapolitische Gruppen vernetzen und gemeinsam Aktionen organisieren.

Wie auf einem Festival: Der „Wohnbereich“ des System Change Camps in Hamburg-Bahrenfeld Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Durch ein Megafon wird angekündigt: „Es gibt Essen!“ Schnell bildet sich eine lange Schlange vor den weißen Zelten der Camp-Küche. Hier können sich alle gegen Spende ein veganes Mittagessen abholen. Bierbänke und -tische stehen in der Sonne bereit, viele Ak­ti­vis­t*in­nen ziehen es aber vor, sich unter den großen Baum auf die Wiese in den Schatten zu setzen.

Am blau-weißen Zirkuszelt am Eingang zum Camp können sich alle für verschiedene Schichten und Aufgaben eintragen. „Die Idee ist auf jeden Fall, dass sich die Leute bei allen anfallenden Aufgaben beteiligen“, sagt Toni Lux, Sprecherin des „System Change Camps“. Neben Schnippeln, Kochen oder Abwaschen gibt es auch Dienste zum Kloputzen, Mülleimerleeren oder für den Camp-Kiosk.

Sieben Tage lang treffen sich Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen aus ganz Deutschland und darüber hinaus am Altonaer Volkspark, um an Veranstaltungen teilzunehmen, sich zu vernetzen und Aktionen zu organisieren. Auf dem Gelände sind immer wieder auch englische und spanische Wortfetzen zu hören.

Insgesamt stehe die gegenseitige Vernetzung und der gemeinsame Austausch im Zentrum des Camps, sagt Lux: „Es geht ganz zentral darum, dass wir uns hier bilden, austauschen, gemeinsam hier leben und eine andere solidarische, soziale, ökologisch und ökonomisch gerechte Welt erdenken und zusammen praktisch leben.“

Offen sind alle Angebote auch für interessierte Hamburger*innen. Der Austausch mit der lokalen Bevölkerung ist ein Ziel des System Change Camps. Durch die Verlagerung vom Stadtpark in den Altonaer Volkspark, der weniger zentral liegt, ist das allerdings erschwert. Die Stadt hatte ein Camp im Stadtpark nicht genehmigt (taz berichtete).

Aktionen gegen Flüssiggas

Mit Aktionen und Demonstrationen wollen die Ak­ti­vis­t*in­nen in die Hamburger Öffentlichkeit hineinwirken. Die am Camp beteiligte Gruppe „Extinction Rebellion“ färbte am Mittwochmorgen öffentliche Brunnen in deutschen Städten grün ein, auch in Hamburg. Mit der Beschriftung „LNG? Leider nicht Grün!“ auf dem Boden wollen sie auf die umweltschädlichen Folgen und die neokoloniale Ausbeutung hinweisen, die mit importiertem Flüssiggas verbunden seien. Auch eine Demonstration am Mittwochabend unter dem Motto „LNG stoppen, fossilen Kapitalismus sabotieren!“ ging vom System Change Camp aus.

Hamburg eigne sich als Ort für die Proteste, da hier durch den Hamburger Hafen ein koloniales Erbe mit aktuellen ausbeuterischen Strukturen zusammenkomme, sagt Toni Lux. „Hier werden Waren umgeschlagen, die durch Ausbeutung gewonnen und produziert werden“, sagt sie.

„Mensch und Natur werden ausgebeutet für Profite in den kapitalistischen Zentren wie Deutschland“, sagt Liv Roth vom Bündnis „… ums Ganze!“, welches ebenfalls am Camp beteiligt ist. „Es braucht eine radikale Klimabewegung, die sich Orte sucht, wo es dem Kapital wehtut.“ Die Gruppe ruft auf ihrer Homepage zur Unterbrechung der Lieferketten im Hamburger Hafen auf. Das Camp diene laut Roth auch dazu, „verschiedene Kämpfe zu verbinden“.

Eine kleine Straße trennt den Bereich mit Küche, Workshop- und Gruppenzelten vom Zeltplatz, auf dem die Ak­ti­vis­t*in­nen übernachten. Dazwischen steht eine lange Reihe von Waschbecken, Duschen und Klos aus Holz. „Stop Food Speculation“ steht auf einem großen Banner an der Rückwand der Toiletten.

Das Camp ist an die Trinkwasserversorgung angeschlossen und auch Abwasser kann abgeleitet werden. Mehrere große Solarzellen, die die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen mitgebracht und aufgebaut haben, sorgen für die Stromversorgung.

Über Monate hinweg haben verschiedene Gruppen das System Change Camp organisiert – basisdemokratisch und mit konsensualer Entscheidungsfindung. „Das ist auch ein wichtiger Teil von unserem Camp“, sagt Lux, „denn wir wollen an diesem kleinen Beispiel zeigen, wie eine Gesellschaft anders möglich wäre.“

Camp soll inklusiv sein

Die über 120 Workshops, Diskussionen und Vorträge finden in Zelten statt. Sie seien nach Regionen benannt, „in denen sich die neokoloniale Politik anhand von LNG manifestiert“, sagt Lux. Ein weißes Stangenzelt heißt nach dem texanischen Permian Basin, wo sich die indigene Bevölkerung gegen Fracking wehrt.

Auch zwei große, rot-gelb gestreifte Zirkuszelte sind für Workshops vorgesehen. Ein Kollektiv übersetzt einige Veranstaltungen zwischen vier Sprachen. Das gesamte Camp soll möglichst inklusiv sein und insbesondere Gruppen aus dem globalen Süden einbeziehen.

„Ich finde es schön, dass die Klimabewegung gerade mehr in die Richtung geht, auch außereuropäische Perspektiven ins Zentrum zu stellen“, sagt Lilly, die für das Klimacamp aus den Niederlanden angereist ist. Sie will das Camp vor allem nutzen, um sich zu vernetzen. „Wir kämpfen jetzt schon eine ganze Weile und es geht nicht so wirklich etwas voran. Vielleicht müssen wir neue Arten von Kämpfen entdecken und neu ins Gespräch kommen. Ich glaube, dafür ist das Camp da“, sagt sie.

Kampfmethoden aus Chile

Einige internationale Gruppen bieten eigene Workshops an. Vor dem Zelt der Gruppe „Abya Yala Anticolonial“, einem lateinamerikanischen Kollektiv, rennt eine Gruppe von Teilnehmendem im Kreis, sie werfen sich gegenseitig Bälle zu und versuchen, sich diese wieder abzunehmen. Spielerisch sollen hier Kampfmethoden der indigenen Mapuche aus Chile vermittelt werden.

Polo Ramirez von Abya Yala Anticolonial sagt: „Unsere Länder werden durch den Kapitalismus ausgebeutet und deshalb wollen wir uns hier zeigen.“ Bisher funktioniere die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Gruppen aus Deutschland auf dem System Change Camp sehr gut, sagt Ramirez: „Die Solidarität ist sehr stark.“

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