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Klimabilanz von LebensmittelnAgrarminister sieht keinen Grund für weniger Fleisch

Die Tierhaltung wirke sich zwar auf das Klima aus, sagt CSU-Bundesminister Rainer. Aber weniger tierische Nahrungsmittel müssten die Leute dennoch nicht essen.

Kälber im Stall: Wenn Menschen weniger Fleisch und Milchprodukte äßen, würden weniger Tiere gehalten und Emissionen ausgestoßen Foto: Karina Hessland-Wissel/imago

Aus Berlin

Jost Maurin

Bundesernährungsminister Alois Rainer sieht keinen Bedarf, den Verzehr von Lebensmitteln aus Fleisch und Milch zu reduzieren. „Ich halte es nicht für notwendig, den Konsum tierischer Produkte zu senken“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag bei der Vorstellung seines „Ernährungsreports“ in Berlin auf eine Frage der taz. Dennoch räumte er ein: „Ja, die Tierhaltung von Wiederkäuern hat Auswirkungen aufs Klima. Sie wissen: Wenn die rülpsen oder wenn da auf der anderen Seite was rauskommt.“

Auf die Nachfrage, ob seine Äußerung widersprüchlich sei, antwortete Rainer nur ausweichend: „Der Konsum tierischer Produkte geht ja eh schon rückwärts. Wir müssen nicht von staatlicher Seite hier noch eingreifen.“

Dabei ist es Konsens in der Wissenschaft, dass der Verbrauch tierischer Produkte die Ursache für den weit überwiegenden Teil der Tierhaltung ist: Wenn die Menschen weniger Fleisch und Milchprodukte äßen, würden weniger Tiere gehalten und Treibhausgase ausgestoßen. Laut Umweltbundesamt verursachte die Landwirtschaft 2023 inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen 14 Prozent des Ausstoßes in Deutschland. 58 Prozent der Emissionen aus der EU-Agrarbranche und von ihr genutzten Mooren entstanden 2020 der Denkfabrik Agora Agrar zufolge durch die Nutztierhaltung und Gülle. Zudem trägt der Anbau des Futters zum Beispiel dazu bei, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben oder das Grundwasser mit Schadstoffen belastet wird.

Mehrmals wiederholte Rainer, die Bundesregierung wolle „keine Vorgaben, was auf den Tisch kommt“. Aber könnte sie statt auf Vorschriften und Verbote auf mehr Anreize für eine umweltfreundlichere Ernährung setzen? Er wolle nicht „in den Markt eingreifen und vegane und vegetarische Lebensmittel fördern“, antwortete Rainer. Eine höhere Mehrwertsteuer auf bestimmte Produkte oder eine Tierwohlabgabe für Fleisch zur Finanzierung von tierfreundlicheren Ställen lehnte er ab.

Der Minister lenkte de facto von den Klimafolgen der Tierhaltung ab, indem er auf andere Verursacher der Erderwärmung verwies

Der Minister relativierte die Klimafolgen der Tierhaltung, indem er auf andere Verursacher der Erderwärmung hinwies: „Jeglicher Konsum hat Auswirkungen auf das Klima“, formulierte der gelernte Metzger eine Selbstverständlichkeit. „Wir würden einen großen Teil der Menschen vor den Kopf stoßen, dass sie alle klimaschädlich unterwegs sind. Ich sag's ihnen: Diese einseitige Schuldzuweisung, die mach ich so nicht“, fuhr der Bayer fort. Er ließ aber offen, wer angeblich nur die Konsumenten von Fleisch und Milchprodukten für den Klimawandel verantwortlich macht.

Der Minister ergänzte: „Die Landwirtschaft hält die vorgegebenen Klimaziele ein.“ Allerdings werden die Ziele für den Sektor als unambitioniert kritisiert. Zudem steigt der Anteil der Landwirtschaft am gesamten Treibhausgas-Ausstoß Deutschlands seit mehreren Jahren, weil andere Sektoren ihre Emissionen stärker reduzieren.

Statt Vorgaben bevorzugt Rainer zumindest offiziell eine „verständliche Kennzeichnung“ von Lebensmitteln, damit die Verbraucher informiert entscheiden können. Die repräsentative Umfrage für den Ernährungsreport von Rainers Ministerium zeigt, dass 81 Prozent der circa 1.000 Befragten bei Produkten tierischen Ursprungs auf Angaben zu den Haltungsbedingungen achten.

Doch die verpflichtende Tierhaltungs-Kennzeichnung von „frischem“ Schweinefleisch, deren Start die schwarz-rote Koalition von August 2025 auf März 2026 verschoben hat, will Rainer erneut vertagen. „Jetzt wird es so sein, dass wir eine Verlängerung brauchen“, sagte der Minister. Denn zum Beispiel die Einbeziehung von Importen erfordere eine rechtliche Prüfung durch die EU-Kommission. Und das werde „ein Stück weit noch dauern“. Er nannte aber kein neues Zieldatum. Möglicherweise wird Brüssel nie Ja sagen, denn es ist umstritten, ob eine nationale Kennzeichnung für ausländische Ware überhaupt mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Verbraucher achten stärker auf den Preis als früher

Rainer ist seit seinem Amtsantritt im Mai dabei, mehrere Umweltvorschriften für die Landwirtschaft abzubauen, die die Produktion verteuern. Er rechtfertigte seine Politik am Donnerstag auch damit, dass laut Ernährungsreport 59 Prozent der Menschen in Deutschland auf den Preis von Lebensmitteln achteten. 2020 seien es nur 46 Prozent gewesen. Grund dürfte insbesondere die Inflation nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 sein.

Der Anteil derjenigen, die nach eigenen Angaben (mehrmals) täglich Fleisch oder Wurst essen, ist demnach von 2015 um 10 Prozentpunkte auf 24 Prozent gefallen. 37 Prozent bezeichnen sich als Flexitarier, die nur selten Fleisch essen. Stabil in der Größenordnung ist auch der Anteil derjenigen, die öfter vegetarische oder vegane Alternativprodukte wie Haferdrinks gekauft haben. 2 Prozent sehen sich als Veganer, die gar keine tierischen Produkte verzehren, und 7 Prozent als Vegetarier, wobei diese Anteile bei den Jüngeren deutlich höher sind. Als Gründe für eine vegane oder vegetarische Ernährung nennen 86 Prozent den Schutz von Tieren, 81 Prozent Klima beziehungsweise Umwelt und 77 Prozent den Geschmack.

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1 Kommentar

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  • Nun ja, wie geht der Spruch.. "wessen Hand mich füttert, dessen Wort ich rede."



    Was will man von so einem erwarten? Elende Politiker.