Klimaanpassung im Stadtpark: Die Wüste lebt
Lange war die Berliner Hasenheide als Partyort bekannt. Nun soll ein Projekt den Volkspark widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Hitze machen.
Inhaltsverzeichnis
A ls wilder Flecken galt die Hasenheide lange Zeit höchstens wegen der Raves, des Drecks und der Drogen. Doch neuerdings zeigt sich auch manche Wiese des Berlin-Neuköllner Volksparks ungezähmt. Zwischen wuchernden, windzerzausten Halmen schießen Königskerzen, Stachelblumen, Wilde Möhren und feuerfarbene Fackellilien empor. Auf den Färberkamillen hocken so viele Hummeln, dass sich die Blüten biegen, und um die Gräser flattern Ameisenbläulinge und Schwalbenschwänze.
Schmetterlinge in der Hasenheide. Von ihnen hatten Fachleute bei einer Begehung im Sommer 2022 nicht einen einzigen Tagfalter gezählt. Lange Zeit sah man nur kahlgelatschten Rasen und nackte Stümpfe, fast jeder zehnte Baum musste infolge der letzten Hitzesommer gefällt werden.
Nun, im Sommer 2024, erinnert der Anblick an unberührte Natur – was sie derzeit auch ist. Bauzäune schützen viele der Wiesen, kein Besucher darf rauf. Die Zäune sind die sichtbarsten Zeichen des Projekts „Klimaresiliente Hasenheide“. 5,5 Millionen Euro zahlen der Bund und der Bezirk Neukölln für das Ziel, das Baumsterben zu stoppen und den Park an steigende Temperaturen und zunehmende Dürreperioden anzupassen.
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Forschende begleiten die Maßnahmen und messen deren Erfolg. Vielleicht lässt sich etwas ableiten für andere Grünanlagen im Land, von denen laut einer Studie der Technischen Universität Berlin etliche in „alarmierendem“ Zustand sind.
In der Lokalpresse kommentierten Leser das Projekt von Beginn an skeptisch: „Ausgerechnet die Hasenheide, die von den Anwohnern ohne Gemeinsinn vermüllt und verwüstet wird“, schreibt jemand, „Prognose: Das alles ist innerhalb eines Sommers kaputt“, ein anderer. Die Hasenheide, deren Grün und Ruf gleichermaßen ramponiert sind, soll vormachen, wie sich unsere Stadtnatur retten lässt. Ein kühner Plan, der im Mai 2022 Fahrt aufnahm.
Frühling 2022
Im Park balzen die Amseln, doch statt ihres Gesangs schallt der Ruf „Gewinne, Gewinne, Gewinne“ über die Wiesen und das Kreischen von Teenagern, die im „Freefall Tower“ in die Tiefe stürzen. In der Hasenheide steigen die „Maientage“. Das Volksfest findet zum 55. Mal statt. Es ist das letzte Mal.
Maientage-Chef Thilo-Harry Wollenschläger zapft gerade Bier – dann schäumt er selbst los: Vor wenigen Monaten erst habe man ihn über das „Klimaresilient“-Projekt und das damit verbundene Aus für die Maientage informiert. „Als seien wir Schausteller schuld am Klimawandel!“ Er radelte extra durch den Park und schoss Fotos. „Der Boden sieht nirgends anders aus, der ist überall tot. Das sind nicht wir – das ist die Erderwärmung.“
Sein Vater gründete einst die Maientage. „Wir sind eine kulturelle Begegnungsstätte, schau dich um!“ Großfamilien, Mädchengruppen mit Kopftüchern, Menschen jeder Hautfarbe strömen vorbei. Dieses Jahr kämen so viele Besucher wie nie, sagt er, „Sie wollen sich die Maientage nicht verbieten lassen, haben mit den Füßen abgestimmt.“
Die vielen Füße sind das Problem, sie zertrampeln die Wiesen. Und zum Auf- und Abbau des 300-Tonnen-Riesenrads rollen 15 Sattelschlepper übers Gras. Derart verdichtete Böden heizen sich im Sommer auf, was Organismen sterben lässt, vor allem sickert kaum Regen zu den Wurzeln. Stattdessen bilden sich Pfützen, in denen halbe Hunde versinken.
Ende Mai feiert die Hasenheide Projektauftakt. Neuköllns Bezirksbürgermeister spricht vom „schönsten Park der Stadt“, sein Umweltstadtrat sagt, der Umbau sei „ein Generationenprojekt, aber so viel Zeit haben wir nicht“. Neben der Klimakrise drängelt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, das als Förderer vorschreibt, die Millionen bis 2025 zu verbuddeln und verbauen.
Auf Pinnwänden lesen die Bürger erste Ideen: Böden sollen gelockert, Klimawiesen gesät, dürrefeste Bäume gepflanzt werden. Manche pinnen eigene Vorschläge an, „Ökotoiletten“, „Humusaufbau“. Ein Mann fragt skeptisch, wie viel Geld in den Taschen der Planer lande, eine Frau gibt zu bedenken: „Wenn man mehr pflanzt, kostet hinterher auch die Pflege mehr. Ist das mit abgesichert?“ Tatsächlich wird das Gärtnerteam nicht aufgestockt.
Eine junge Frau mit knallroter Frisur wünscht sich im Park eine andere Feierkultur. „Ich liebe Techno, aber nicht, wenn er alles vermüllt.“ Als Corona die Clubs lahmlegte, tanzten in mancher Nacht 3.000 Leute vor provisorischen DJ-Pulten und stampften zu den Beats das Unterholz kaputt. Am Morgen glitzerten die Parkwiesen vor Scherben und Kronkorken.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Bevor er hier anfing, sagt später der Gärtner, der im Park die Müllrunden dreht, „habe ich nicht gewusst, wie viel Zeug in einer einzigen Anlage rumliegen kann“. Matratzen, Couchteile, Einkaufswagen, pralle Abfallsäcke und ein Traktorreifen landen auf der Ladefläche seines Lasters. Nicht nur Hitze setzt der Hasenheide zu.
Sommer 2022
Während das Grün des Parks verdorrt, sprießen drum herum Neubauten. Im Norden drängeln frische Townhouse-Türme um den Park, ihre idyllischen Gärtchen mit Blumen und Buddelkästen grenzen scharfzackige Metallzäune zum Park ab, damit kein Fremder das teure Wohnglück stört.
Yusuf Duran, 55, lebt in keinem Haus mit Garten. Er und seine Kumpels lassen ihre Tulpen in der Hasenheide blühen. Vor 20 Jahren haben sie, ohne die Parkverwaltung zu fragen, am Rand einer Wiese einfach losgelegt. Inzwischen gedeihen auch Quitten, Paprika, Nüsse. Ihr „osmanischer Garten“, sagt Duran, versetze ihn in seine Kindheit in Yozgat, Anatolien, „Ich bin Bauernsohn.“ Seine Mitstreiter stammen aus anderen Ecken der Türkei, sind Kurde, Türke, Alevit. „Wir haben uns im Park kennengelernt.“
Im Projektplan heißt die Wiese im Parksüden „Steppe“, das trockene Stoppelgras kitzelt und knistert beim Drüberlaufen. Doch die Steppe lebt. Es klimpern Bierflaschen und Gitarren, eine Crossfit-Gruppe folgt schwitzend ihrer Anleiterin, die „Stay strong!“ ins Headset ruft. Eine ältere Dame sammelt Ginkgoblätter, um daraus Tee zu brauen, „gut fürs Gedächtnis“, sagt sie. Muslimische Mütter sporteln in langen Gewändern, während sich im Nackteneck die Swinger räkeln.
Als an einem Augustabend eine türkische Hochzeit steigt und Girlanden in den Zweigen hängen, rücken junge Leute auf ihren Decken immer dichter an die Feier heran, bis man ihnen Glitzerkettchen umhängt und sie beim Bauchtanz mitmachen, der sei, erzählt ein Hochzeitsgast, in der Türkei ein Gesellschaftstanz.
Der „Nutzungsdruck“ gilt als mitverantwortlich für den miesen Parkzustand. Zugleich zeigt der Zulauf, dass der Stadtpark, als Ort für alle, ein Erfolgsmodell ist. „Wichtig ist, dass sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Stellung im Alltag begegnen“, schreibt der US-amerikanische Philosoph Michael Sandel zum Wert öffentlicher Plätze. „So lernen wir, mit unseren Unterschieden umzugehen.“ Mag das Volk vereinzeln und sich spalten, im Volkspark trifft es sich.
Zubetonierte Innenstadtplätze dürften dagegen zusehends verwaisen – weil die Klimakrise sie zu Backöfen macht. In dicht bebauten Vierteln herrschen während Hitzewellen bis zu zehn Grad höhere Temperaturen als drum herum, was gerade ältere Einwohner gefährdet. Mit einer Verdopplung der Stadtbäume, heißt es im Medizin-Fachjournal The Lancet, ließe sich die Zahl urbaner Hitzetode um fast 40 Prozent verringern. Auch in der Hasenheide konnten die Projektplaner mit Drohnenflügen messen, dass der Park die angrenzenden Straßenzüge merklich kühlt.
Das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung berechnete den gesellschaftlichen Nutzen von Parks, auch der Hasenheide. Die erbringt demnach jährlich Leistungen für 3,4 Millionen Euro, weil sie Starkregen aufnimmt und die Kanalisation entlastet, weil ihre Bäume Treibhausgase und Schadstoffe filtern. Vor allem aber, weil sie „Erholungsraum und sozialer Treffpunkt“ sei.
Was im Park auffällt: die vielen eingeschleppten Stühle und Tische, die auf den Wiesen stehen und an Bäumen lehnen. Manche sind mit Schloss gesichert, die Violinistin, der Trommler und der Saxofonist haben ihre Sessel mit Edding markiert, „Hasenheide-Band am Ahornbaum 24“. Man kann die verstreuten Sitzmöbel als freche Aneignung des Parks sehen. Oder als Symbol. Wer hier seinen Platz gefunden hat, gibt ihn nicht mehr her.
Herbst 2022
Michael Lüdicke passt auf, dass keinem die Klimakrise auf den Kopf kracht. Der 53-jährige Parkgärtner mit Zusatzschein als Baumkontrolleur inspiziert das Jahr über alle 4.384 Bäume der Hasenheide auf Schäden. Nach dem letzten fängt er von vorne an. Im Trockenstress werfen Bäume Äste ab, halten Herbststürmen, Parasiten, Pilzen nicht mehr stand. Sterben Bäume, sterben manchmal Menschen, wie 2018 im Berliner Grunewald, als ein kranker Spitzahorn eine Frau erschlug.
Lüdicke stochert in Astlöchern und klopft gegen die Stämme, um zu prüfen, wie stark der Pilz sie ausgehöhlt hat. Oft klickt er auf das Blitz-Symbol seiner Tablet-App, das für „Neue Befunde“ steht. „Totholz und offene Astungswunden“, notiert er für die „0345“, eine 74-jährige Stieleiche. „Es gibt kaum einen Baum, der nichts mehr hat“, sagt Lüdicke. Zwei Drittel des Bestands gelten als geschädigt. Mancher Baum lässt sich durch Einknipsen der Krone retten. Hilft das nicht, wird ein weiterer Schattenspender zum Stumpf.
Johann Senner, Mitte 60, passionierter Barfußgänger, soll den Schwund stoppen. Der für das Projekt beauftragte Landschaftsarchitekt hat extra auf einer Parkbank genächtigt, um zu erleben, „wie die Hasenheide schlafen geht und erwacht“, sagt er. Auf den Nachbarbänken lagen zwei Wohnungslose, gegen 6 Uhr weckte ihn das Krächzen der Krähen, sie zankten um Reste in Pizzakartons.
Möglicherweise erinnerte ihn die Szene an das Gezerre mit seinem Bauherrn, dem Neuköllner Grünflächenamt. In der heißen Planungsphase ringen beide Seiten um das Konzept: Senners Leute wollen den Park auch ästhetisch gestalten, während das Amt alle Maßnahmen darauf abklopft, ob sie der Klimaresilienz helfen und sich vor allem im Förderzeitraum umsetzen lassen.
So fliegen einige Tischtennisplatten aus dem Plan und die Amtsleute rollen mit den Augen, wenn Senner wieder von seiner Vision anfängt, das Badewasser des benachbarten Freibads in den Park zu leiten. Als Verwaltungsprofis sehen sie sofort die hohen rechtlichen Hürden und die zähe Bürokratie. „Schöne Idee, aber hilft uns jetzt nicht weiter“, heißt es in den Runden oft.
Mit der Klimakrise drohen Verteilungskämpfe ums Trinkwasser, Parks lassen sich damit nicht mehr ewig gießen, sie müssen besser allein klarkommen. Deshalb sollen in der Hasenheide bald dürrerobuste Arten wie Zerreiche und Krimlinde wachsen. Zudem werden Lupine und Klee gesät, sie wurzeln tief und schnell, was die verdichteten Böden aufbricht, den Bäumen mehr Feuchte und Sauerstoff beschert und sie somit kräftigt.
Nicht gegen jedes Problem wächst ein Kraut. Amt und Architekten grübeln, wie sie ihre Maßnahmen „vandalensicher“ machen. Die knapp 400 neuen Bäumchen brauchen viel Wasser, sollen sie Regner installieren? „Die werden rausgerissen!“, ruft jemand in der Runde. Was ist mit Gießsäcken? „Die Leute schlitzen sie auf.“ Wollen sie Infoschilder aufstellen? „Die werden zerkratzt, beschmiert.“ Zum Schutz der Flächen sei nachhaltiger Naturzaun gut, allerdings ist der aus Holz – „Der wird als Brennmaterial geklaut!“
Die Hasenheide sei schon ein hartes Pflaster, sagt einmal eine Planerin. Als sie in einer Anhöhe des Parks etliche Löcher entdeckte, dachte sie an Fuchsbaue. Dabei verstecken Dealer ihre Ware darin.
Winter 2022
Das Rekordhitzejahr endet mit einem Haufen Arbeit: Rund fünf Meter hoch ragt das Laub und Holz der dahingerafften Bäume und Sträucher auf dem Bauhof des Parks. Früher, erzählt ein älterer Gärtner, haben sie das Zeug verbrannt. Heute lernen die jungen Kollegen in der Ausbildung: von der Pflanze für die Pflanze. Der Berg landet schaufelweise im Häcksler, um nachher als Mulch den Parkboden mit Nährstoffen zu düngen und Feuchte länger in der Erde zu halten, als Teil des „Humus-Intensiv-Programms“ des Projekts.
Das Netz an Trampelpfaden sollen künftig Weißdorn und ähnlich stachlige Sträucher eindämmen, das läuft unter „Besucherlenkung“. Die allerkahlsten Flächen sparen die Planer beim Begrünen eher aus, weil sowieso nichts wüchse. Tag und Nacht stehen und sitzen dort Dutzende Männer und alle warten auf Kundschaft. Die Polizei zählt die Hasenheide zu den wichtigsten Drogenverkaufsplätzen der Stadt.
„Bei den ganzen Dealern? Ist doch gefährlich!“, bekommt Michaela Hecht, die Chefgärtnerin der Hasenheide, immer wieder zu hören. Die 50-Jährige spricht öfters mit den Drogenhändlern. „Es nervt sie, nicht richtig arbeiten zu dürfen“, berichtet sie. Die Männer passen auf ihr Dienstauto auf, wenn sie es kurz abstellt, manchmal drückt sie ihnen Müllgreifer in die Hand. Hecht sagt: „Es ist auch ihr Park, sie sind jeden Tag hier.“
Frühling 2023
Arbeiter baggern Gruben für die ersten neuen Bäume und werden ihrerseits von Passanten gelöchert. „Entschuldigung, was passiert hier?“ „Das wird aber nicht zubetoniert, oder?“ „Neue Bäume, gut, die alten kommen aber nicht weg?“ Manche klingen besorgt, als fragten sie nach einem erkrankten Freund.
Nach dem Einpflanzen werden die Gruben nicht mit dem alten Sand aufgefüllt, sondern wie eine Lasagne Schicht für Schicht gestaltet: mit wasserstauender Tonschicht, Pflanzenkohlesubstraten und nährstoffreicher Muttererde. Spezielle Splittzylinder sollen die Wurzeln in tiefere und damit feuchtere Bodenzonen locken. Angelegt werden verschiedene Varianten der Baumgruben, um später zu ermitteln, bei welcher Baum und Boden am besten harmonieren.
Sommer 2024
Gesunde Bäume, die einander Schatten spenden. Eine üppige, artenreiche Vegetation, die sich ihr eigenes, feucht-mildes Klima schafft und benachbarte Wohnquartiere kühlt. Vereine, die sich zum Schutz der Falter im Park gründen. Eichen, die sich allein vermehren. So malt sich Johann Senner, der Parkgestalter, die Zukunft der Hasenheide aus.
Er findet, die Weichen sind gestellt. Bei einer Begehung schreitet er barfuß über den gesäten Kräuterrasen, Schafgarbe und Klee sollen ihn trittfest machen. „Sensationell“, sagt Senner über die Schmetterlingsschwärme zwischen den brusthohen Wilden Möhren. In der Steppe, die wohl bald einen neuen Namen braucht, wachsen auch viele der Klimabäumchen. Jedes trotzt auf seine Art der Dürre, die Silberlinde etwa kann mit ihren silbrigen Blättern Sonnenstrahlen reflektieren.
Auf Drängen des Grünflächenamts wurden die Wegränder abgesenkt. So fließt Regen von den Wegen und Senken besser in die Vegetation. Dagegen lässt sich der angedachte Brunnenbau wegen Schadstoffen im Grundwasser in der Projektzeit nicht umsetzen. Gleiches gilt für den Wunsch, das Freibadwasser und Regenwasser von Nachbargrundstücken in den Park zu leiten. Immerhin sind Machbarkeitsstudien in Gang.
Der Trinkwasserbedarf, der langfristig sinken soll, steigt somit zunächst. Junge Bäume im Anwuchs sind durstig. Obwohl der Park keine Springbrunnen hat, sieht man derzeit viele Fontänen: Das Gärtnerteam wässert mit Feuerwehrgerät, das 2.000 Liter pro Minute verschießt. Das Amt braucht nach Projektende mehr Geld als bisher, um den erhöhten Aufwand durch die vielen Neupflanzungen zu stemmen.
Die Natur zurückkehren zu lassen, damit diese sich selber hilft und versorgt, ist eher kein Ziel, das sich in ein paar Projektjahren schaffen lässt, das zeigt das Neuköllner Experiment. Stattdessen sind Ämterbudgets und Gärtnerpersonal dauerhaft aufzustocken, um Stadtparks durch die Klimakrise zu führen.
Der größte Etappenerfolg für die Hasenheide-Planer: was bisher alles nicht geschah. Kein Jungbaum wurde entwurzelt, kein Stützpfahl verfeuert, auch die Zäune blieben heil. Die Parkgäste scheinen zu akzeptieren, dass man sie von manchen Flächen aussperrt. Nächstes Jahr verschwinden die Zäune und alle schwärmen zurück auf die Wiesen, die sich gerade prächtig erholen. Halten sie dem Ansturm stand?
Im finalen Bauabschnitt ab Herbst steht unter anderem die Gestaltung der Eingänge an, mit neuen Bänken, Stauden, Schattenplätzen. Der Park, der unter den vielen Menschen leidet, soll künftig noch einladender wirken. Das dies kein Widerspruch sein muss, auch dies lehrt die Hasenheide. Ihren alten Rosengarten zieren weiße Pergolen und gehegte Beete – und niemand vergreift sich daran.
Je hübscher der Park, desto mehr achten ihn die Leute, hoffen die Planer. „Wenn das, was in der Hasenheide entsteht, niemandem gefällt, geht sie kaputt“, sagt Johann Senner. Neben Wilden Möhren und Klimabäumen muss Rücksicht wachsen, damit das Projekt Parkwende glückt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“