Sommerserie „Wie riecht Berlin“ (6): Cool bleiben in der Hasenheide

Die Hasenheide soll klimaresilient umgebaut werden, auch mit Wasser aus dem Columbiabad. Womöglich riecht es dann nach Chlor statt Heu und Staub.

Menschen stehen und sitzen auf einer Wiese in der Hasenheide

Mäßig grün in der Hasenheide Foto: dpa

BERLIN taz | Wer durch die Hasenheide flaniert, dem begegnet eine Vielzahl an Gerüchen: Neben dem Gestank von Müll, stellenweise auch von Kot und Urin sowie den typischen Ausdünstungen der Tiere im Streichelzoo gibt es auch ansprechende Gerüche: An den abgezäunten Bereichen, die seit dem Frühjahr an vielen Stellen in Neuköllns Volkspark zu finden sind und wo die Wiesen auch im Hochsommer noch saftig grün sind, riecht es angenehm nach Gras. Ein Geruch, der umso intensiver wird, je mehr die Bereiche gewässert werden. Nicht zu verwechseln mit dem Gras-Aroma, das einem von den Menschen auf den Parkbänken oder Picknickdecken entgegenwabert.

Verlässt man die geschützten Bereiche, vorbei an den Baumgruppen, die einen unerwarteten Waldgeruch verströmen, hin zu den großen Liegewiesen, ist es vielerorts eher der Geruch nach Heu und Staub, der einem in die Nase steigt. Kein Wunder, der 50 Hektar große Park wird von den Berliner*in­nen gerne und häufig genutzt. Ob tagsüber zum Entspannen, Joggen oder Gassigehen oder nachts zum Feiern – die Hasenheide kommt eigentlich nie zur Ruhe.

Auch der Klimawandel hinterlässt seine Spuren: Die Sonne brennt im Sommer erbarmungslos auf die Wiesen, die trockenen und verdichteten Böden können den Starkregen kaum aufnehmen, weshalb das kostbare Nass ungenutzt in die Kanalisation abfließt. Den vielen Stress sieht man dem Park auch an: Am augenfälligsten sind die im Hochsommer oftmals eher steppenartigen gelben Rasenflächen. Weniger sichtbar sind die Schäden, die die Hitze an den Bäumen verursacht: Mehr als 400 Bäume und damit 10 Prozent des gesamten Bestands mussten in den vergangenen drei Jahren gefällt werden.

„An gelbe Wiesen werden wir uns gewöhnen müssen. Nicht jedoch daran, dass uns die Bäume hier wegsterben“, sagt Bezirksstadtrat Jochen Biedermann. Es ist Vormittag, noch ist die mittägliche Hitze nur zu erahnen. Der Grünen-Politiker steht im Schatten und betrachtet zufrieden die grüne Wiese hinter der Absperrung. Eine Frau kommt hinter dem Zaun hervor und gibt Auskunft über den aktuellen Stand: „Die Feuchtigkeitssensoren sind fast so weit“, sagt sie. Biedermann nickt zufrieden. „Das ist Pionierarbeit, die wir hier machen“, sagt er stolz.

„Umbau Klimaresiliente Hasenheide“ steht auf einem Schild am Bauzaun. Fünf Millionen Euro Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ stehen bis 2025 zur Verfügung, um den Park fit zu machen für die veränderten klimatischen Verhältnisse. Was genau mit dem Geld geschehen soll, wird seit diesem Frühjahr hinter dem Bauzaun erprobt.

Resilienter Rasen

Es liegt was in der Luft Das Berliner Liedgut ist in der Geruchsfrage unentschieden: Einerseits weiß es von einem „holden Duft, Duft, Duft“, die die „Berliner Luft, Luft, Luft“ sein soll. Das bekannte Paul-Lincke-Lied, das als inoffizielle Hymne der Stadt gelten darf wie „Schwarz zu Blau“ von Peter Fox, der in seinem Liebeslied an Berlin allerdings keine holde Note riecht. Im Gegenteil: „Und überall liegt Scheiße, man muss eigentlich schweben“. Berlin: Mal müffelt es, mal duftet’s fein. Und vieles dazwischen.

Der ganz besondere Duft Manchmal muss man nur ein wenig herumschnuppern und weiß gleich, wo man sich befindet in dieser Stadt, die eben auch ihre besonderen Gerüche hat. In unserer Sommerserie wollen wir ihnen nachspüren und Berlin erriechen, immer der Nase nach. Zuletzt erschienen: „Wie ein blinder Mensch Berlin riecht“ (15. August) und „Was Mensch und Club zusammenschweißt“ (22. August).

„Wir testen hier verschiedene Rasenmischungen, die gut mit Trockenheit auskommen oder trittresistent sind“, erklärt Biedermann. Mit Klee werde zudem versucht, den Boden zu lockern, und auch neue schattenspendende Bäume wurden gepflanzt. Verschiedene Arten von Buchen, Eichen und Linden, heimische und nichtheimische – Hauptsache, sie sind widerstandsfähig. Rund 30 Stück wurden bislang gepflanzt, insgesamt sollen es rund 600 werden.

„Wenn man jetzt nichts tut, wird es den Park in 50, 60 Jahren so nicht mehr geben“, sagt Andreas Kurths. Der Landschaftsarchitekt hat den Pflege- und Entwicklungsplan für die klimaresiliente Hasenheide entwickelt, der in dieser Form einzigartig ist. „Konzepte für klimaresiliente Parks gibt es so noch nicht, wenn, dann eher für Wälder“, sagt Kurths. Auch weil Maßnahmen aus anderen, traditionell heißeren Ländern nicht einfach so übertragbar seien, da es dort ganz andere Baum-, Pflanzen- und Tierarten gebe.

Es ist also sozusagen Neuland, was da in der Hasenheide passiert. Eine Arbeit, die sich erst in ferner Zukunft auszahlen wird. „Effektiv erkennbar werden die Maßnahmen erst in 30 bis 50 Jahren sein“, sagt der Umweltplaner. Bis dahin will Berlin längst klimaneutral sein. An den heutigen Anblick müssten sich die Ber­li­ne­r*in­nen allerdings so oder so gewöhnen. „Wenn wir den Status quo erhalten können, ist das schon ein Erfolg.“

Umgesetzt wird der Entwicklungsplan von dem Landschaftsarchitekturbüro Planstatt Senner, das ein Konzept dafür entwickelt hat. „Wir wollen das Selbstheilungspotenzial des Parks fördern“, sagt Gründer Johann Senner. „Der Hasenheide geht es wirklich schlecht.“ Mit den bisherigen Ergebnissen der Testphase ist er allerdings zufrieden. „Alle Bäume sind bisher angewachsen, das ist sehr gut.“ Auch die exakte Zusammensetzung des Lehmgemischs, mit dem das Regenwasser in der Erde gehalten werden soll, ist mittlerweile gefunden.

Wasser von außen

Überhaupt ist das mit der Bewässerung so eine Sache. „Der Park wird Wasser von außen brauchen“, sagt Senner mit Blick auf die immer häufigeren Dürren. In Zeiten von Klimakrise und Wassermangel könne die Lösung jedoch nicht in der Nutzung von kostbarem Trinkwasser liegen. Also hatten die Landschaftsarchitekten eine Idee, die so genial wie einfach ist: Warum nicht das Wasser aus dem nahe gelegenen Columbiabad nehmen? „Jedes Frühjahr werden alle Becken des Freibads abgelassen – also genau dann, wenn die Bäume viel Wasser brauchen.“

Ganze fünf Millionen Liter Wasser werden laut Sprecherin der Berliner Bäder Betriebe im Frühling, bevor die Becken für die neue Saison vorbereitet werden, aus dem Sommerbad Neukölln abgelassen. Chlor sei dann zwar keines mehr drin, aber sauber sei das Wasser dann eben auch nicht. Die Bäderbetriebe würden dieses Wasser oftmals als Abwasser entsorgen – außer im Sommerbad Olympiastadion, wo es in ein nahe gelegenes Gewässer geleitet werde.

Warum das überschüssige Wasser also nicht in die Hasenheide leiten, wo es dringend gebraucht wird? Zumal auch während der Saison regelmäßig Wasser aus dem Freibad abgelassen wird, um es auszutauschen. „Im Tagesverlauf wird permanent Frischwasser zugeführt und gechlortes, verunreinigtes Wasser entnommen“, so die Sprecherin. Dass dieses Wasser gechlort ist, ist laut Landschaftsarchitekt Johann Senner kein Problem. „Das Chlor verflüchtigt sich relativ schnell“, sagt er.

Riecht es in der Hasenheide also bald nach Chlor statt nach Heu? Gespräche mit den Bäderbetrieben und den Landschaftsarchitekten gab es bereits im vergangenen Jahr, laut Senner haben sich alle Beteiligten offen für den Vorschlag gezeigt. Auch, dass das Regenwasser von den umliegenden Dächern in die Hasenheide geleitet wird, sei an sich kein Problem. „Das kann man sofort machen, da muss man nur eine Leitung legen. Innerhalb von einem Jahr könnte das funktionieren.“

Könnte. Wenn es da nicht die Bürokratie gebe. Stadtrat Biedermann lächelt gequält. „Anfangs denkt man, es kann ja nicht so schwer sein, einen Baum zu pflanzen oder Wasser in den Park zu leiten. Und dann ist es oft doch sehr kompliziert.“ Wenn Wasser den Besitzer wechselt, gebe es viele rechtliche Hürden. Außerdem müssten am Ort der Versickerung viele Voraussetzungen erfüllt werden wie Schadstofffreiheit und Eignung des Untergrunds. Dafür müssten Gutachten erstellt und viele Gespräche geführt werden. Passiert ist hier allerdings bislang noch nichts. „Ich rechne nicht damit, dass das bis 2025 passiert“, sagt Biedermann.

Hohe Kosten

Danach gibt es vom Bund jedoch kein Geld mehr. Und die Zuwendungen vom Berliner Senat allein werden für den Umbau des Parks nicht reichen. 300.000 Euro pro Jahr bekommt Neukölln für die Hasenheide. Ein Drittel davon geht allein für die Müllentsorgung drauf. „Der Parkumbau wird in drei Jahren nicht zu Ende sein“, prophezeit Stadtrat Biedermann. Um weitermachen zu können, brauche es „eine relevante Mittelaufstockung“.

Laut Landschaftsarchitekt Johann Senner wäre das gut investiertes Geld. Schließlich dienen innerstädtische Grünflächen der Lebensqualität der Menschen und dem Klimaschutz. Sie stärken die Artenvielfalt, bieten Lärmschutz, filtern Ruß und Staub aus der Luft und kühlen die Temperaturen in der versiegelten Stadt. Zumal von den Erfahrungen in Neukölln später auch andere Parks profitieren können. „Die Hasenheide macht’s vor“, sagt Senner, dessen Büro auch den Volkspark Mariendorf und die Schlossanlage Charlottenburg betreut.

Damit auch andere Parks zu grünen Lungen werden, die dem Klimawandel trotzen, müssen die im Kleinen gesammelten Erfahrungen erst einmal in der gesamten Hasenheide umgesetzt werden. „Es geht jetzt in großen Schritten voran“, sagt Senner. Ab Herbst soll es großflächige Absperrungen geben, um die Pflanzungen auszuweiten. „Dafür brauchen wir die Akzeptanz der Nutzer“, sagt Bezirksstadtrat Biedermann. Mit Führungen für Be­su­che­r*in­nen und Informationsschildern klappe dies bislang ganz gut.

Ob die Zäune auch stehen bleiben, wenn sehr viel weniger Platz zum Abhängen zur Verfügung stehen wird, steht auf einem anderen Blatt. Auf dem Weg zum Ausgang Richtung Hermannplatz tummeln sich schon am frühen Nachmittag zahlreiche Menschen auf den Wiesen. Dort angekommen steigt einem der Gestank von Autoabgasen in die Nase. Daran wird allerdings auch der klimaresiliente Umbau von Parks nichts ändern.

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