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Klima und ErnährungWie Gott in Frankreich

Der Berliner Ernährungsrat findet Anregungen für eine klimagerechte Lebensmittelproduktion in Paris. Die Stadt könnte damit Vorbild für Berlin sein.

Rucola könnte auch an Berliner Hausfassaden wachsen Foto: Fabian Bimmer / AP

BERLIN taz | Paris und nicht mehr Kopenhagen könnte das nächste Vorbild für die Ernährungswende in Berlin sein. In seinem neuen Buch „Berlin isst anders. Ein Zukunftsmenü für Berlin und Brandenburg“, das der Berliner Ernährungsrat am Mittwoch vorstellte, wird die französische Hauptstadt als beispielgebend für eine klimagerechte Lebensmittelproduktion in der Stadt gefeiert.

So hat die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo in ihrem Klimakonzept durchgesetzt, dass 100 Hektar Dächer und Fassaden in der Metropole mit Grün bepflanzt werden, wovon 30 Prozent der Produktion von Obst und Gemüse dienen sollen. „So etwas wünschen wir uns auch von Berlin“, erklärte die Sprecherin des Berliner Ernährungsrates, Susanne Salzgeber. Die zivilgesellschaftliche Gruppierung besteht seit 2016 und gibt seitdem Impulse für eine „Ernährungswende“ auch in den politischen Bereich hinein.

Ein Erfolg in der letzten Legislaturperiode war etwa die Einrichtung eines „House of Food“ nach Kopenhagener Vorbild, das als „Kantine Zukunft“ damit begonnen hat, die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung in Berlin auf Biokost umzustellen.

Ansonsten zeigte sich der Ernährungsrat nur bedingt zufrieden mit der Ernährungspolitik des Berliner Senats, die in den letzten fünf Jahren von Dirk Behrendt (Grüne), Senator für Justiz und Verbraucherschutz, verantwortet wurde. Dessen „Aktionsplan“ sei „nicht weitreichend genug“ gewesen; es fehle an einer „klaren politischen Vision“, und die Beteiligungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft seien nicht ausreichend.

Ernährungspolitik sollte Che­f*in­nen­sa­che sein

Vom künftigen Senat fordert der Ernährungsrat eine Ansiedlung der Ernährungspolitik direkt in der Senatskanzlei beim Regierenden Bürgermeister/in. So habe Berlin zwar den „Klimanotstand“ ausgerufen, aber in dem vorgelegten Maßnahmeplan zum Klimaschutz sei das Thema Ernährung „komplett ignoriert“ worden, kritisiert der Ernährungsrat.

Dabei sei längst bekannt, dass mindestens ein Viertel des atmosphärischen Treibhauseffekts durch Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und Verzehr verursacht werden, bestätigte Agrar-Professor Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin. Von wissenschaftlicher Seite sei das Problem in vielen Studien längst aufgearbeitet, sagte er. „Es fehlt noch der gesellschaftliche Druck auf die Politik“, befand der Wissenschaftler, um die Strukturen, etwa der EU-Agrarpolitik, in Richtung Nachhaltigkeit zu ändern.

Sabine Werth, die Leiterin und Gründerin der Berliner Tafel, stellte beim Thema Lebensmittelverschwendung eine erste Kurskorrektur des Handels fest. Beim Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums werde die Ware jetzt zunächst preisreduziert, statt sofort im Müll zu landen, berichtete Werth. „Aber wir bekommen für unsere 46 Ausgabestellen in Berlin noch immer viel zugeliefert.“

Das Buch des Ernährungsrates gibt auf 224 Seiten eine Bestandsaufnahme, was die Hauptstädter so alles essen und trinken und wie sich die Stadt künftig „klimafreundlich und sozial gerecht“ ernähren kann. „Berlin hat das Potenzial, zu einem Zentrum der Ernährungswende zu werden“, sagte Sprecherin Salzgeber. „Hier findet hochkarätige Forschung zu allen relevanten Themen statt.“

Zugleich arbeiteten viele Initiativen an der Basis bereits an der praktischen Umsetzung. Gebraucht würden nun geeignete politische Rahmenbedingungen, um mehr Wirkung zu erreichen. Als ein Ansatz wird dabei die Einrichtung eines „Ernährungscampus“ im früheren Flughafen Tempelhof angestrebt. Hier soll über die Ernährungswende nicht nur diskutiert werden, sondern gesunde und klimagerechte Mahlzeiten sollen auch gekocht und verzehrt werden können.

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