piwik no script img

Klima-Urteil des OLG HammNur symbolisch wertvoll

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Urteil im Fall eines peruanischen Bauers gegen RWE zeigt: Für individuelle Gerechtigkeit können solche Klagen nicht sorgen. Aufmerksamkeit aber schon.

Anwältin Roda Verheyen (r) freut sich nach der Urteilsverkündung. Kläger Saúl Luciano Lliuya ist per Video dazugeschaltet Foto: Bernd Thissen/dpa

D ie Kläger jubeln, obwohl sie verloren haben. Der peruanische Bergbauer Saúl Luciano Lliuya erhält vom deutschen Energiekonzern RWE keinen Cent. Doch das Oberlandesgericht Hamm hat solche globalen zivilrechtlichen Klimaklagen gegen deutsche Unternehmen grundsätzlich akzeptiert. Es müsse eben jemand klagen, dessen Eigentum wirklich vom Klimawandel bedroht ist.

Feiern die Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen zu Recht? Werden nun viele ähnliche Klagen folgen? Daran besteht großer Zweifel. Wäre Lliuyas Klage erfolgreich gewesen, hätte RWE nur 0,38 Prozent der Kosten übernehmen müssen, die der Bauer für den Schutz seines Hauses vor einer möglichen Flutwelle aus einem Gletschersee veranschlagt hatte. Denn RWE ist für genau 0,38 Prozent der weltweit industriell verursachten CO2-Emissionen verantwortlich. Umgekehrt heißt das, 99,62 Prozent der Kosten hätte der Bauer nicht erstattet bekommen.

Um es noch deutlicher zu machen: Lliuya kalkulierte 6.000 Euro für Schutzmaßnahmen an seinem Haus. Davon hätte RWE gerade einmal 22,80 Euro zahlen müssen. Kosten für Maßnahmen an dem Gletschersee, etwa höhere Dämme, hätte er nur einklagen können, wenn der peruanische Staat ihn direkt damit belastet hätte.

Für diese 22,80 Euro zog sich der Rechtsstreit über acht Jahre hin. Es gab einen Ortstermin in Peru, zwei aufwendige Gutachten und Verfahrenskosten von über 800.000 Euro, vor allem um die Bedrohung des Hauses zu prüfen. Hinzu kamen die Anwaltskosten beider Seiten.

Bei einem Erfolg der Klage hätte RWE die Kosten tragen müssen, aber wie das Beispiel des Bergbauern zeigt, weiß man vorher nicht, was solche Gutachten ergeben. Das Risiko für Klagen ist also hoch. Die Kosten trägt die zur NGO Germanwatch gehörende Stiftung Zukunftsfähigkeit.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Solche Klagen lohnen sich also nur als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Sie können deutlich machen, dass der CO2-Ausstoß deutscher Kohle- und Gaskraftwerken weltweit Folgen hat – bis in die peruanischen Anden. Individuelle Gerechtigkeit schaffen sie nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die Symbolkraft würde ich nicht als besonders hoch einschätzen. Die Feststellung, dass RWE "verantwortlich" ist, geht über eine - sehr fragwürdige - Kausalitätsvermutung nicht hinaus, begründet insbesondere noch kein Verschulden. Deliktsrechtlich wurde ja, soweit für mich erkennbar, zumindest seitens des Gerichts nicht weiter geprüft, und ob der BGH oder andere Gerichte die offensichtliche Auffassung des OLG Hamm teilen, das Sachenrecht des BGB gelte auch für im Ausland belegene Grundstücke, halte ich für mehr als nur zweifelhaft.

    Und dann wären weiterhin u.a. die Einwendungen des Mitverschuldens und des "Venire contra factum proprium" zu prüfen - der Kläger ist zweifellos Nutzer der Produkte von Energieversorgungsunternehmen und Nutzer fossiler Energieträger.

  • Könnten die Einwohner von Blatten im Wallis ebenfalls gegen RWE klagen? Und wäre diese Klage ebenfalls nur von symbolischer Bedeutung? Dort ist der Schaden ja schon eingetreten und wurde unter anderem dem Tauen des Permafrostbodens zugeschrieben.

    Was ich mich auch frage: Könnte RWE argumentieren, dass es eine Ungleichbehandlung darstellt, wenn sie (wenn auch nur) ihren Anteil zahlen müssen, andere Großemmittenten aber nicht? An wen richten sich solche Klagen sinnvollerweise, wurde RWE da m.o.w. beliebig als Verursacher ausgesucht?

  • Sorry - “Individuelle Gerechtigkeit schaffen sie nicht.“ - das ist mit Verlaub - trivial!

    Greift aber - wie auch die Entscheidung BVerfG zeigt - rückgewandt deutlich zu kurz •

    “Wir müssen kontinuierlich von Klippen herunterspringen und auf dem Weg nach unten unsere Flügel wachsen lassen.“



    ©️ Kurt Vonnegut - Denn -

    Recht&Gesetz und so auch Rechtsprechung



    Sind ua als Einhegung gesellschaftlicher Phänomene lokal bundesweit global zu verstehen. Das duldet im Ergebnis keinen Stillstand - entsprechend sind Recht wie auch Rechtsprechung mit Peter Häberle;



    …in die Zeit hin offen…!“



    Verweise auf Kommentar Lovando e-kommune



    taz.de/Klima-Urtei...m/!6090870&s=Hamm/



    Die Zeit wird es zeigen •

    • @Lowandorder:

      “Wir müssen kontinuierlich von Klippen herunterspringen und auf dem Weg nach unten unsere Flügel wachsen lassen.“

      Ein schöner Satz, nur muss man aufpassen, dass man vorher nicht auf den Boden aufschlägt. Und das ist ja genau das, was die skrupellosen Klimaverursacher hoffen, dass Klimaschützer sich selbst zerschmettern und der klimaschädliche Irrsinn immer so weitergehen kann. Die Manager der Großkonzerne, und auch einige ihrer Politikmarionetten, haben anscheinend alle keine Kinder und Enkel, ansonsten kann man sich diese geistige Beschränktheit von solchen Leuten nicht mehr erklären, die alles nur noch in Geld umrechnen und dabei nicht sehen wohin das führt.

      • @Ricky-13:

        *... was die skrupellosen Klimaverursacher hoffen ...*

        Es muss natürlich 'Klimawandelverursacher' heißen.

  • „Es ging mir nie um mich“, sagte der peruanische Bergbauer Saúl Luciano Lliuya. [taz - 28.5.2025]

    Richtig, denn um die lächerlichen 22,80 Euro, die der deutsche Energiekonzern RWE Saúl Luciano Lliuya bei einem Erfolg der Klage hätte zahlen müssen, ging es nie. Es geht in Wahrheit um die nachfolgenden Generationen der Menschheit (also auch um die Kinder und Enkel von Saúl Luciano Lliuya, und um die Kindeskinder seiner Familie und seiner Freunde); und das hat der kleine peruanische Bergbauer begriffen. Leider wird das von vielen Menschen der reichen Industriestaaten – die sich auch noch für besonders intelligent halten – immer noch nicht begriffen, denn diese Menschen verteidigen sogar noch die klimaschädlichen Großkonzerne und ihr skrupelloses Monopolyspiel.

    taz: *Solche Klagen lohnen sich also nur als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit.*

    Das stimmt, aber je mehr Klagen es gegen die Hauptverursacher (Großkonzerne) des Klimawandels gibt, um so mehr wird dem Bürger wohl auch bewusst werden, wer für Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme, extreme Regenfälle und Hitzewellen verantwortlich ist. Es geht nämlich um die zukünftigen Generationen, und nicht um skrupellose und gierige Manager.

  • Bleibt die Frage was Aufmerksamkeit nützt, wenn konsensfähige Lösungsvorschläge mit der erforderlichen Wirkung fehlen.

    Schließlich hatte das Thema über Jahre maximale Aufmerksamkeit, ohne das dies zu einer messbaren Verbesserung geführt hätte. Der CO2-Ausstoß geht seit Dekaden ohnehin jedes Jahr um etwas über 1% zurück, daran hat sich nichts geändert, seit das Thema immer weiter in den Vordergrund gerückt ist.

    Die Maßnahmen, die häufig gefordert werden (Tempo 30 innerorts, Tempo 130 auf der Autobahn, innländisches Flugverbot,...) sind völlig ungeeignet einen relevanten Wandel herbeizuführen, die maximalen Einsparpotenziale liegen bei ein paar Prozenten und dabei sind diejenigen die diese Maßnahmen fordern häufig noch sehr optimistisch, was die Wirksamkeit angeht.

    Dieses Phänomen ist nicht nur beim Klimaschutz zu beobachten, in vielen Bereichen gewinnt man zunehmend den Eindruck, dass Aktivisten glauben ihre Arbeit sei getan, wenn die Aufmerksamkeit da ist. Diese performative Art des Aktivismus geht vielen Menschen (mir auch) auf den Keks, weil man anhaltend mit diesen Themen belästigt wird, jedoch nie ein Gegenwert entsteht, der diese Belästigung rechtfertigen würde.