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Klima-Aktivist*innen attackiertAutobahn spaltet Altmark

Geg­ne­r*in­nen der A 14 im Norden Sachsen-Anhalts sind angegriffen worden. Auch ein Anschlag auf ihr Basislager in einem alten Bahnhof wurde verübt.

Bislang Wunschdenken: Am 24. April 2021 wollen Ak­ti­vis­t*in­nen den Weiterbau der A14 stoppen Foto: Christian Schroedter/imago

Seehausen taz | Mitten im Wahlkampf von Sachsen-Anhalt eskalieren im nördlichen Landesteil Altmark Auseinandersetzungen um den Weiterbau der Autobahn A 14. Junge Klimaschützer haben seit Ende April in einem Wald bei Losse Bäume besetzt und Baumhäuser errichtet. Auf den leer stehenden Bahnhof im nahen Seehausen, der ihnen als Basislager dient, wurde am Wochenende ein Brandanschlag verübt. Die Feuerwehr konnte in letzter Minute ein Übergreifen der Flammen auf das gesamte Gebäude verhindern.

Nach Angaben der Um­welt­schüt­ze­r*in­nen hetzen CDU, AfD und Freie Wähler gegen den Widerstand zur Rettung des Waldes. Es sei bereits zu Tätlichkeiten gekommen.

Die Nordverlängerung der A14 von Magdeburg nach Schwerin war lange umstritten, weil sie durch dünn besiedelte, aber wald- und biotopreiche Gegenden führt. Nur einzelne Bauabschnitte sind bereits fertiggestellt. Erst 2019 ermöglichte ein Kompromiss zwischen Na­tur­schüt­ze­r*in­nen wie dem BUND und dem Land Sachsen-Anhalt einen Weiterbau. Das Land wollte zusätzliches Geld für den Natur- und Lärmschutz bereitstellen, während der BUND im Gegenzug auf weitere Klagen verzichtete.

Auf Anfrage stellt das Landesverkehrsministerium nochmals klar, dass die A14 gesetzlich im Bundesverkehrswegeplan verankert ist. Nach Abschluss des ­Planfeststellungsverfahrens besteht auf dem gesamten knapp 100 Kilometer langen Abschnitt in Sachsen-Anhalt unanfechtbares Baurecht.

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Dennoch klagte im März der Verein der Naturfreunde Sachsen-Anhalt. Die seit der letzten Aprilwoche an der geplanten Trasse aufgetauchten Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen sehen durch den Autobahnbau die Verkehrswende und die Klimaziele bedroht. Regelmäßig halten sie am Bahnhof Seehausen Mahnwachen ab und haben inzwischen Plattformen zwischen Bäumen errichtet. Die wechselnden Besetzungen von etwa 20 Personen kommen teils aus der Region, teils aus dem benachbarten Wendland und teils aus anderen Teilen der Bundesrepublik.

Der Seehausener Bürgermeister Rüdiger Kloth von den Freien Wählern hält sie laut einem MDR-Bericht für angereiste „Profis“ und „linke Ideologen“. Ihnen schlägt Hass entgegen, der sich auch in Tätlichkeiten äußert. Mit einem herablassenden Video von einem Besuch bei der „Minderheit“ im Wald löste der CDU-Landtagsabgeordnete Chris Schulenburg einen Shitstorm aus. „Jetzt haben sich sogar ein paar dieser seltenen Exemplare hier in den Bäumen festgesetzt“, spottete er. „Schrotflinte und runter damit“, „Motorsäge unten ansetzen und gut“ oder „Vielleicht treten die ja noch auf russische Minen, die man vergessen hat“, lauteten daraufhin Kommentare, die Schulenburg inzwischen gelöscht hat.

Hetzjagden und Brandstiftung

Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen berichten von Pöbeleien, Bedrohungen mit einer Axt und Hetzjagden mit Baseballschlägern im Wald. Man habe sich mit Pfefferspray zur Wehr setzen müssen. Vor dem Bahnhof Seehausen, den der Eigentümer den Ak­ti­vis­t*in­nen zur Verfügung gestellt haben soll, wurde ein Auto beschädigt, der Infostand und die provisorische Einrichtung zerschlagen. Bisheriger Höhepunkt war eine Brandstiftung am Wochenende, bei der die Flammen von einem Sofa vor dem Gebäude auf dieses übergriffen.

Die Um­welt­schüt­ze­r*in­nen sehen sich einer heterogenen Mischung von Au­to­bahn­an­hän­ge­r*in­nen gegenüber, die sich Investitionen in die strukturschwache Region erhoffen. Einfache Bür­ge­r*in­nen stehen neben Un­ter­neh­me­r*in­nen und militanten rechten Kreisen. Erst am 23. April stießen bei einem Autokorso in Osterburg südlich von Seehausen Be­für­wor­te­r*in­nen und Kri­ti­ke­r*in­nen der A 14 aufeinander, darunter auch betroffene Anwohnende. Politisches Kapital versucht die AfD Altmark West aus dem Interessengegensatz zu schlagen. An diesem Freitag will sie am Bahnhof Seehausen demonstrieren. Auch für Pfingsten werden Auseinandersetzungen befürchtet.

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