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Kleingärtner kämpfen gegen BeiersdorfAuf den Barrikaden

Kleingärtner in Eimsbüttel befürchten, dass eine mögliche Erweiterung der Beiersdorf-Konzernzentrale zu ihren Lasten gehen könnte. Jetzt hoffen sie auf die Bürgerschaft

Wenn Hamburg weiter wächst, könnte es Kleingärtnern an den Kragen gehen Foto: dpa

Hamburg taz | Es war eher eine Randnotiz. „Die bestehende Produktion im Werk 3 soll langfristig durch den Verkauf der anliegenden Grundstücksfläche gesichert werden“, schrieb der Senat im Juni trocken in einer Pressemitteilung. Anlass war die Entscheidung des Beiersdorf-Konzerns, seine Zentrale im Bezirk Eimsbüttel auf dem Werksgelände an der Troplowitzstraße neu zu bauen.

„Ich bin froh, dass die Beiersdorf AG mit dem Neubau der Konzernzentrale und der Erweiterung der Forschungseinrichtungen ein deutliches Signal für Hamburg und den Standort Eimsbüttel sendet“, frohlockte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). 3.000 Arbeitsplätze im innerstädtischen Quartier seien damit gesichert.

Doch die zwölf Hektar große „anliegende Grundstücksfläche“ ist ein Kleinod für mehrere Hundert Kleingärtner und Anwohner, die das Gelände als Grünfläche schätzen und dort nun ein Industriegebiet befürchten. Die Kleingärtner nahmen die Nachricht über den Verkauf der Gärten erst mal so hin. Damit soll Schluss sein. Einige Kleingärtner trommeln nun zum Protest.

Zu einer ersten Versammlung auf dem Vereinsgelände der „Gartenfreunde Stubbenkamp“ kamen Anfang Oktober nach ihren Angaben 250 Menschen. Flugblätter wurden verteilt, die Facebook-Seite „Lebenswertes Lokstedt“ gegründet und eine Online-Petition gestartet. „Wir wollen, dass der Verkauf an Beiersdorf gestoppt wird“, sagt der 47-jährige Kleingärtner Michael Witzorek.

Am meisten ärgert die Kleingärtner, dass der Senat sie vor vollendete Tatsachen gestellt hat und mit Informationen geizt. Im Interview mit der taz vor der Laube von Andreas Glaser geht es um mangelnde Transparenz, Bürgerbeteiligung und Politikverdrossenheit, um das „Kleingartensterben“ in Hamburg und darum, ob das „parkähnliche Gelände“ für eine Fabrik mitten im Wohngebiet geopfert werden soll. „Es kommen ganz viele Fragen auf“, sagt Witzorek.

Die wichtigste Frage lautet: Was hat Beiersdorf überhaupt mit dem Gelände vor? Nach eigenen Angaben hat der Konzern noch nicht entschieden, ob er auf dem Gelände überhaupt irgendwas bauen will. „Wir haben derzeit keine Erweiterungspläne“, antwortet eine Sprecherin der taz knapp auf die Frage nach möglichen Bauvorhaben. Zur Zukunft der Kleingärten schreibt sie nur, dass sie weiterhin von der Stadt verpachtet werden. Und: „Eine Änderung der Nutzung ist nicht vorgesehen.“

Doch wenn alles so bleiben soll, wie es ist, wieso dann der Verkauf? Aufschluss über die Zukunft der Kleingärten könnte der Kaufvertrag geben, den die Stadt und Beiersdorf schon im Juni unterzeichneten. Über dessen Inhalt erfährt man offiziell allerdings nicht viel: „Zu Vertragsdetails kann ich grundsätzlich keine Auskunft geben“, sagt Christopher Harms, Sprecher der zuständigen Finanzbehörde, zur taz. Auch Beiersdorf will sich nicht dazu äußern. Die Kleingärtner haben diese Erfahrung auch bereits gemacht: „Es wird gemauert, gemauert, gemauert“, ärgert sich Witzorek.

Behördensprecher Harms verrät lediglich, dass eine Zusatzvereinbarung zwischen Senat, Beiersdorf und dem Landesbund der Gartenfreunde „kurz vor der Unterzeichnung“ steht. Und beim Dachverband der Kleingartenvereine erfährt man dann tatsächlich etwas mehr:

Eine Erweiterung des Beiersdorf-Geländes sei „nicht vor Ablauf von 20 Jahren geplant“, heißt es dort. Und der Landesbund habe unter anderem durchgesetzt, dass Beiersdorf den Kleingärtnern im Kündigungsfall „Ersatzflächen aus eigenen Immobilienbeständen zur Verfügung stellen muss“.

Die protestierenden Kleingärtner bleiben misstrauisch. „Es wäre bei diesen Bedingungen für Beiersdorf sehr attraktiv, vor Ablauf der 20 Jahre zuzugreifen“, glaubt Andreas Glaser. Er und seine Mitstreiter hegen die Hoffnung, den Verkauf noch abwenden zu können: Die Bürgerschaft muss schließlich noch zustimmen.

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4 Kommentare

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  • Nicht zu vergessen:

    Der 1. Vorsitzende des "Landesbund der Gartenfreunde" Dirk Sielmann ist keineswegs ein Kleingartenfreund!

    Er ist SPD-Politiker!

     

    Ein Schelm, der Böses dabei denkt ...

  • taz: "Kleingärtner kämpfen gegen Beiersdorf"

     

    Der Kleingarten, auch Schrebergarten, bezeichnet ein eingezäuntes Stück Land als Garten, insbesondere eine Anlage von Grundstücken, die von Vereinen (Kleingärtnervereinen) günstig an Mitglieder verpachtet werden. Natur- und Umweltschutz spielen bei Kleingärtnern eine wichtige Rolle. Das Office International du Coin de Terre et des Jardins Familiaux, eine seit 1926 bestehende Vereinigung von über drei Millionen europäischen Kleingärtnern, hat besonders die sozialen Funktionen von Kleingärten herausgestellt.

     

    Soziale Funktionen von Kleingärten? Vielleicht sogar noch für die kleinen Bürger? So weit kommt das noch in einer SPD regierten Stadt wie Hamburg.

     

    "Ich bin froh, dass die Beiersdorf AG mit dem Neubau der Konzernzentrale und der Erweiterung der Forschungseinrichtungen ein deutliches Signal für Hamburg und den Standort Eimsbüttel sendet", frohlockte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

     

    Ja, wenn es darum geht dass Manager wieder "Wirtschaftswachstum" spielen dürfen - der aber nie bei den Bürgern und schon gar nicht bei den Schrebergärtnern ankommt - dann ist Olaf Scholz (SPD) wieder kräftig mit dabei. Bezahlbare Sozialwohnungen wären eigentlich endlich mal ein Thema für den SPD Bürgermeister in Hamburg, aber auch da hat man lieber eine Elbphilharmonie in Hamburg gebaut, die am Ende das Zehnfache gekostet hat (789 Millionen Euro).

    • @Ricky-13:

      Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): "3.000 Arbeitsplätze im innerstädtischen Quartier seien damit gesichert."

       

      Hatten wir so etwas in Hamburg nicht schon einmal? Ach ja, 2007 hieß das "Arbeitsplätze gegen Äpfel".

       

      Zu Erinnerung: Für das bisher größte in Serienfertigung produzierte Passagierflugzeug und die Frachtversion des A 380 musste das Werk in Hamburg-Finkenwerder wie auch die dortige Start- und Landebahn erweitert werden. Dazu wurde das naturgeschützte Süßwasserwatt Mühlenberger Loch teilweise zugeschüttet, außerdem wurde vom Hamburger Senat eine "Lex Airbus" erlassen, um das Obstanbaugebiet Rosengarten im Alten Land enteignen zu können - bis kurz vor die barocke St. Pankratiuskirche von Neuenfelde. Denn die Stadt hatte sich in einem Vertrag mit Airbus verpflichtet, die Voraussetzungen für eine längere Startbahn zu schaffen - koste es, was es wolle.

       

      Jetzt soll wieder ein Stück Natur in Hamburg zerstört werden, nur damit Manager ihr "Wirtschaftsspiel" weiterspielen können. Am Ende sind von den 3.000 Arbeitsplätzen bei Beiersdorf ohnehin höchstens noch 300 im Gespräch, denn Industrie 4.0 wird auch bei Beiersdorf in den nächsten Jahren massiv Jobs abbauen.