Klaus Voormann über John Lennon und Trio: „Es drehte sich nur um Rock’n’Roll“

Er war einer der besten Freunde der Beatles und zählte in den Siebzigern zu den gefragtesten Bassisten überhaupt. Jetzt wird Klaus Voormann 85.

Der Grafiker Klaus Voormann hält das von ihm gestaltete Cover Revolver der Beatles in den Händen

Klaus Voormann mit dem 1966 von ihm gestalteten Cover des Beatles-Albums „Revolver“ Foto: Melina Alder

wochentaz: Herr Voormann, sind Sie schon mal mit Bruce Springsteen auf der Bühne oder im Studio gestanden?

Klaus Voormann: Nein.

Hab’ ich es also doch geschafft, einen großen Rockmusiker ausfindig zu machen, mit dem Sie noch nicht zusammengearbeitet haben. Das war gar nicht so leicht.

Ach, da gibt es schon noch ein paar mehr.

Mag sein, aber Sie haben immerhin schon mit Carly Simon, B.B. King und Eric Clapton gearbeitet, mit George Harrison, John Lennon, Ringo Starr, Trio, Marius Müller-Westernhagen,

… Harry Nilsson, Manfred Mann, Billy Preston, Randy Newman, Leon Russell, Elton John, Jerry Lee Lewis, Art Garfunkel, Dr. John, Lou Reed.

Und das sind noch nicht alle. Mit wem war’s am schönsten?

Unterm Strich war sicher George Harrison der Angenehmste. Der hat alles genau vorbereitet, wir Musiker hatten Zeit, konnten unseren Input geben. Ihm war es sehr wichtig, dass sich die Musiker wohlfühlen. Gleich danach kam Harry Nilsson. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die beiden auch tatsächlich meine beiden besten Freunde waren.

Und wer war der größte Kotzbrocken?

Mit solchen Leuten habe ich nicht gearbeitet.

Lou Reed sagte man nach, dass er nicht der Charmanteste gewesen sein soll.

Das stimmt nicht, der war super. Vielleicht war er Journalisten gegenüber schwierig. Aber im Studio: gar nicht. Für „Transformer“ waren wir beispielsweise mit David Bowie im Studio, der die Platte produziert hat. Die beiden zusammen – traumhaft.

Sie sind 1938 in Berlin-Frohnau als fünfter Sohn in eine wohlsituierte Familie hinein geboren worden. Spielte Musik in Ihrer Kindheit und Jugend schon eine dominante Rolle?

Meine Eltern haben beide Klavier gespielt und gezeichnet. Eine gewisse musische Veranlagung scheint es also gegeben zu haben. Wir Kinder sind auch alle zur Klavierstunde gegangen; aber nur bei mir hat es geschnackelt, ich bin als einziger dabei geblieben. Mit 15 habe ich schon Chopin-Etüden gespielt. Aber irgendwann stand dann die Entscheidung an: Was soll der Junge machen? Und da schien die Grafik-Richtung eine sicherere Option zu sein. Ich hätte damals schon auch ganz gerne mit der Musik weitergemacht.

Grafik John Lennon mit Friedenstaube in der Hand und Peace Zeichen auf dem Kimono

„Make Peace not War“, entworfen von Klaus Voormann und seinem Sohn Maxi Kunst: Grafik Maximilian und Klaus Voormann

Glauben Sie, Sie wären Musiker geworden, wenn Sie nicht damals an diesem nebligen Herbsttag 1960 aus dem Hamburger Kaiserkeller heraus diese völlig ungewohnten Klänge gehört hätten? Dort haben die Beatles gespielt.

Wahrscheinlich nicht. Zu dem Zeitpunkt war ich voll drin in meiner Grafik. Das war mein Job, und den habe ich auch mit Begeisterung gemacht. Aber dann haben wir uns halt mit den Beatles angefreundet und irgendwann hat mir Stuart Sutcliffe, der damalige Bassist, seinen Bass in die Hand gedrückt und gesagt: Spiel mal! Das hat Spaß macht, aber ich wäre damals nicht ernsthaft auf die Idee gekommen, eine Karriere als Berufsmusiker einzuschlagen. Das kam erst, als mich 1965 der Schlagzeuger Gibson Kemp fragte, ob ich nicht in seiner Band mitspielen wolle. Das hat mich dann doch gereizt, und ich habe zugesagt.

Das heißt, Sie konnten mittlerweile schon bühnenreif Bass spielen?

Stuart hatte mir seinen Bass verkauft. Und auf dem habe ich dann immer rumgeklimpert – zu den Stücken, die im Radio liefen. Ich konnte jedes Stück gleich spielen. Darauf bin ich auch stolz.

Die Beatles haben sich dann wie ein roter Faden durch Ihr Leben gezogen. Sie haben sie in Hamburg kennengelernt und sind gute Freunde geworden, sind ihnen sogar nach London nachgezogen …

Nachdem ich diese englischen Jungs kennengelernt hatte, war für mich klar: Ich muss nach London. Das habe ich George erzählt, und da sagte er sofort: Komm doch, du kannst bei uns wohnen. So bin ich in die Wohnung in der Green Street eingezogen, in der zu der Zeit noch George und Ringo wohnten. Später dann hatte ich schon eine kleine eigene Wohnung, als die Anfrage von Gibson kam und wir Paddy, Klaus & Gibson gegründet haben. Zu der Zeit habe ich in einer Agentur gearbeitet, und ich dachte: Okay, wenn das mit der Musik nicht funktioniert, habe ich immer noch die Grafik in der Hinterhand.

Im Jahr drauf wechselten Sie in die Band von Manfred Mann, und ausgerechnet in diese Zeit, als Sie musikalisch durchstarteten, fiel ihr berühmtestes grafisches Werk, das Cover von „Revolver“.

Damals hatte ich an Grafik gar nicht mehr gedacht. Aber da rief plötzlich John Lennon an und fragte, ob ich mir nicht für das neue Beatles-Album etwas einfallen lassen könnte.

Kannten Sie die Songs des Albums schon, als Sie sich an die Arbeit gemacht haben?

Ja, sie haben sie mir im Studio vorgespielt. Das war ja zu der Zeit sensationell. Als ich „Tomorrow Never Knows“ oder diese schnellen Gitarrensoli gehört habe, war mir sofort klar, dass mir jetzt was Außergewöhnliches einfallen muss. Gott sei Dank ist mir was eingefallen.

Aubrey Powell, der ein paar Jahre später das Cover für „Dark Side of the Moon“ gemacht hat, erwähnte vor kurzem in einem Interview, dass es damals üblich gewesen sei, umgerechnet 50.000 Euro für ein Cover auszugeben, Sie haben für „Revolver“ 50 Pfund bekommen. Was ist da schief gelaufen?

Dass man sich die Cover etwas kosten hat lassen, das ging erst nach „Revolver“ los.

Revolver“ war also das letzte schlechtbezahlte Cover?

Kann man vielleicht so sagen. Was danach im Musikbusiness für Summen ausgegeben wurden, das war astronomisch. Bestes Beispiel sind die Musikvideos. Das waren ja Millionenproduktionen.

Sie haben inzwischen über 100 Covers gestaltet – welches ist Ihr liebstes?

Immer noch „Revolver“. Das bleibt unerreicht.

Sie wurden dann als Bassist einer der gefragtesten Session-Musiker Ihrer Zeit.

Wollen wir mal so sagen: Mit meinen musikalischen Fähigkeiten habe ich ganz schön viel geschafft. Bei mir drehte es sich ja immer nur um Rock’n’Roll, um vier, fünf Akkorde; ich bin ja jetzt kein großartiger Jazz-Musiker.

Immerhin hat Sie Randy Newman mal in eine ungewöhnliche, aber schmeichelhafte Reihe mit Mozart und Louis Armstrong gestellt.

Klaus ­Voormann, geb. 1938 in Berlin. Musiker und Grafiker. Wird gern als fünfter Beatle bezeichnet. Blieb mit den Beatles eng verbunden, auch als diese weltberühmt wurden. Am 29. April feiert Voormann, der mittlerweile am Starnberger See lebt, seinen 85. Geburtstag.

Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob er das nicht sarkastisch gemeint hat.

Wohl kaum.

Ich hab’ übrigens auch mal Gitarre gespielt. Auf der dritten LP des Albums „All Things Must Pass“ von George haben wir eine Jam Session veröffentlicht. Und da ist ein Stück dabei, auf dem ich Rhythmusgitarre spiele. Als Credit ist aber Eric Clapton angegeben. Das war ein Versehen von George, der sich nicht mehr erinnerte, dass ich da ausnahmsweise Gitarre spielte. Aber ich habe mich nie beschwert.

Ist ja auch irgendwie ein Kompliment, an der Gitarre mit Clapton verwechselt zu werden.

Stimmt.

Die Siebziger haben Sie dann größtenteils in den USA verbracht.

Ich bin anfangs immer wegen irgendwelcher Aufnahmen zwischen London, New York und L.A. hin- und hergeflogen. Als ich gemerkt habe, dass ich mehr Zeit in Amerika verbringe als in London, bin ich ganz umgezogen. Es war eine großartige Zeit. Ich kann glücklicherweise sagen, dass aus fast allen Sessions freundschaftliche Beziehungen hervorgegangen sind. Das waren alles so liebe Menschen: Billy Preston, Carly Simon, Van Dyke Parks …

Besonders viel haben Sie mit Harry Nilsson zusammengearbeitet.

Wenn ich daran denke, was wir mit ihm für schöne Sachen gemacht haben! Leider waren die nie erfolgreich. Sein Manager hätte natürlich gewollt, dass er weiterhin Hits wie „Without you“ schreibt. Aber das wollte er nicht. Stattdessen hat er sich mit seinen Musikern zurückgezogen und seine Platten größtenteils selber produziert. Die kennt kein Schwein, aber da sind für meinen Geschmack die besten Stücke drauf. Das waren großartige Sessions – obwohl ich damals ständig Angst um Harry hatte. Den hast du ja nur noch mit einer Flasche Martell in der Hand gesehen.

In diese Zeit fiel ja auch John Lennons „Lost Weekend“, wo er und Nilsson in Los Angeles quasi im Dauerrausch waren und gemeinsam das Album „Pussy Cats“ gemacht haben.

Das war aber schon nicht mehr lustig. Wir haben damals in einem Haus in Santa Monica gewohnt, direkt am Strand: Keith Moon, Ringo, Harry, John, dessen damalige Freundin May Pang und ich. Harry war bereits starker Alkoholiker und John sehr unglücklich. Manchmal waren sie tagelang verschwunden. Und wenn du mit den beiden losgezogen bist, bist du am Ende irgendwo in einer Spelunke gelandet, bis Harry schließlich ausgerastet ist. Im Troubadour, einem damals angesagten Club in Los Angeles, haben Harry und John mal während eines Auftritts der Smothers Brothers so lange im Suff rumgepöbelt, bis sie hinausgeworfen wurden. Zur gleichen Zeit hat sich Harry aber auch rührend um seine Künstler gekümmert. Einmal hat er nach einer Session eine richtig große Yacht gemietet, auf der wir dann alle aufs Meer hinaus gefahren sind und Party gemacht haben.

Man kann Sie sich gar nicht so als den großen Partyhengst vorstellen.

Dieser Lebensstil war auf Dauer auch nicht das Richtige für mich und sicher ein Grund, warum ich dann Ende der Siebziger doch wieder nach Deutschland bin. Dazu kamen familiäre Gründe. Und mir ging der Smog in L.A. auf den Keks.

Wo waren Sie dann, als John Lennon erschossen wurde?

Bei meinem Bruder in Essen. Da rief mich ein Typ vom „Stern“ an und fragte, ob ich was dazu sagen wollte, und ich fragte nur: Wozu? Ich wusste ja noch nichts. Die Nachricht traf mich wie ein Hammer, und ich hatte noch lange daran zu knabbern. Wir hatten ja viel Zeit miteinander verbracht. Ich habe neulich gerade wieder ein Foto gefunden, wo Johns Sohn Sean und mein ältester Sohn Otto zusammen gespielt haben. Da müssen sie so drei, vier Jahre alt gewesen sein. Zu der Zeit war John wieder ein glücklicher Mensch. Er war ein richtiger Freund, wenn die Beziehung auch nicht so eng war wie die zu George.

Als Sie nach Deutschland zurückgekommen sind, war das erstmal ein Kulturschock für Sie?

Ich will nicht über Deutschland lästern, aber zu der Zeit war das Musikbusiness hier wirklich sehr traurig. Besonders hat mich die Arroganz dieser Leute gestört, die sich für so toll hielten. Ich hatte in den USA mit den absoluten Topmusikern zusammengearbeitet, und da gab es so etwas nie. Natürlich wussten die alle, was sie auf dem Kasten hatten, aber sie hatten es nicht nötig, das raushängen zu lassen. In Amerika waren auch die Chefs der Plattenfirmen alles Könner. Nimm einen Arif Mardin, den Vize-Chef von Atlantic Records, der hat für Ray Charles Stücke geschrieben und Aretha Franklin produziert. In Deutschland hattest du stattdessen irgendeinen BMW-Manager, der statt Autos jetzt halt Musik verkaufen wollte. Ich habe mir deshalb einen Job gesucht, wo ich als Bindeglied zwischen Künstler und Plattengesellschaft fungieren kann. Bei Phonogramm ging das. Da haben wir die ganzen Demos auf den Tisch bekommen: Yello, Deutsch-Amerikanische Freundschaft, Extrabreit …

… und Trio.

Genau. Ich hab’ die Kassette gehört und war sofort begeistert. Und dann bin ich zu einem Konzert gefahren. Die waren wirklich umwerfend gut.

Ich glaube, bei Trio denken die meisten heute an Hosenträger, eine Trommel und „Da Da Da“. Dabei war die Band mehr als ein One-Hit-Wonder, oder?

Weiß Gott! Eigentlich war das ja Punk. Aber die ersten Aufnahmen waren richtig schlecht. Deshalb habe ich den einen oder anderen Vorschlag gemacht, wie sie das mit der Basstrommel anders machen sollten und so. Bis dann der Stephan Remmler gesagt hat: Warum produzierst du uns denn nicht? So bin ich da reingerutscht.

Sind die Achtziger in Deutschland überhaupt etwas unterbewertet?

Da könnte was dran sein. Joachim Witt, Foyer des Arts, Rheingold, Hubert Kah, Frl. Menke, das sind ja wirklich gute Sachen. Damals haben die Plattenfirmen aber viele Fehler gemacht. Sie haben viel zu viel auf den Markt geworfen. Und in dem ganzen Mist gingen dann auch die guten Sachen unter.

Sie standen immer ein bisschen am Rande des Scheinwerferlicht. Sie sprechen auch ganz offen darüber, dass Ihnen manchmal der Mumm gefehlt habe, beispielsweise als Carly Simon Sie bat, sie zu produzieren, oder als George Sie ermuntert hat, mehr zu komponieren. Bereuen Sie das im Rückblick?

Unbedingt. Natürlich hätte ich nie Songs schreiben können wie ein Bob Dylan oder ein Randy Newman, weil ich ganz schlecht mit Worten bin. Aber mit einem guten Textschreiber an meiner Seite hätte ich musikalisch sicher einige gute Sachen hingekriegt.

1971 waren Sie bei dem legendären Konzert für Bangladeschvon George Harrison dabei. In Ihren Erinnerungen haben Sie geschrieben: „Wenn ich mir drei Dinge wünschen dürfte, die ich vor meinem Einstieg in die Gruft noch mal erleben möchte, dann wäre eines davon das Konzert für Bangladesch.“ Was wären die andern beiden?

Mir fällt gerade nur eines ein: das Gefühl, das ich im Studio hatte, als wir „Jealous Guy“ gespielt haben. Wir waren in den Ascot Studios auf Johns Anwesen in Tittenhurst Park und haben das Album „Imagine“ aufgenommen. Das Stück „Imagine“ selbst war natürlich der Hammer, und uns war damals sofort klar, dass das ein Riesenhit werden würde. Aber interessanterweise hat mich die Aufnahme von „Jealous Guy“ viel mehr berührt.

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