Klage von Ferien-Vermieter abgewiesen: Küstengemeinden dürfen Ferienwohnungsbau einschränken
St. Peter-Ording darf Dauerwohnen vorschreiben, um Wohnraum zu sichern. Das Urteil könnte auch für andere Gemeinden richtungsweisend sein.
St. Peter-Ording an der Nordsee ist bekannt für seine weiten Strände und den Tourismus und kämpft seit Jahren mit einem Problem, das viele Orte an der Küste betrifft: Mangel an bezahlbarem Wohnraum für die ortsansässige Bevölkerung. Grund ist der Boom der Ferienwohnungen. Immer mehr Wohnraum wird touristisch genutzt. Das treibt die Preise in die Höhe. Immer weniger Einheimische leben deshalb in den Urlaubsregionen. Nun erhält die ortsansässige Bevölkerung eine stärkere Stimme in der Gestaltung ihrer Gemeinden.
Auslöser des Konflikts war das verstärkte Vorgehen des Kreises Nordfriesland gegen illegale Ferienwohnungen seit zwei Jahren. Der Streit um Ferienwohnungen an der Nordseeküste hatte in den vergangenen Jahren an Schärfe zugenommen. Allein auf Sylt könnten nach Schätzungen des Kreises Nordfriesland rund 3.500 Wohnungen unerlaubt als Ferienwohnungen genutzt werden, so Kreisbaurat Burkhard Jansen damals gegenüber „Spiegel online“.
30 Prozent fürs Dauerwohnen
Auf Föhr sprachen Verbände angesichts der Maßnahmen des Kreises Nordfriesland in einem Brief an den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) von der „Hälfte des Vermietungsbestandes“, der betroffen sein könnte. 2023 wurden laut Jansen auf Sylt, Amrum, Föhr sowie in St. Peter-Ording und Dagebüll insgesamt rund 100 Ferienappartements stillgelegt.
St. Peter-Ording kündigte daraufhin an, alle Bebauungspläne zu überprüfen. Für einen Bereich wurde im Bebauungsplan ein Sondergebiet „Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung“ festgelegt. Die neue Regelung schreibt vor, dass bei Neubauten mindestens 30 Prozent der Brutto-Grundfläche für Dauerwohnungen genutzt werden müssen.
Der Kläger, Eigentümer eines Grundstücks mit sechs Ferienwohnungen im betroffenen Gebiet, sah darin eine unzulässige Einschränkung seiner Nutzungsrechte. Er plante einen Abriss und Neubau, kann nun jedoch sein Grundstück nicht mehr ausschließlich für Ferienwohnungen nutzen. Er argumentierte, dass es für eine solche Festsetzung keine Rechtsgrundlage im Baugesetzbuch gebe.
Rahmenplan mit neuen Regelungen
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Der Senat urteilte – abweichend von der älteren Rechtsprechung –, dass Gemeinden sehr wohl das Recht haben, im Bebauungsplan das Verhältnis von Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung prozentual festzulegen. Die Richter sahen hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage im Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung, insbesondere im Zusammenhang mit Sondergebieten, wie sie in St. Peter-Ording ausgewiesen wurden.
Für die Gemeinden an der Nordsee bedeutet das Urteil einen wichtigen Sieg im Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Es sei „ein voller Erfolg in den Bemühungen, bei dem Riesenthema der nicht genehmigten Ferienwohnungen einen Weg zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können“, sagt St. Peter-Ordings parteiloser Bürgermeister Boris Pfau zur taz. Nun habe man „tatsächlich ein Instrument, nämlich das der Kontingentierung, das sozusagen durchgeklagt ist.“
Die Gemeinde kann nun die Überprüfung und Anpassung bestehender Bebauungspläne fortsetzen. Ein städtebaulicher Rahmenplan werde derzeit erarbeitet und solle künftig die übergeordneten Regelungen für Dauerwohnraum, Zweitwohnen und Ferienwohnungen festlegen.
Urteil mit Signalwirkung
Die Entscheidung hat Signalwirkung für andere Gemeinden. Das Urteil gibt ihnen Rechtssicherheit und die Möglichkeit, ähnliche Regelungen in ihren Bebauungsplänen zu verankern.
Tourismusverbände befürchten, dass solche Quoten den Bau von Ferienwohnungen unattraktiver machen und somit dem Tourismus schaden könnten. Was die Umsetzung des neuen Bebauungsplans generell für den Tourismus in St. Peter-Ording bedeutet, lasse sich jedoch noch nicht bewerten, antwortet die Tourismuszentrale St. Peter-Ording auf taz-Anfrage. Derzeit befinde man sich „in der Prüfung und Klärung der Lage“.
Das OVG hat keine Revision zugelassen, aber der Kläger hat noch die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Nichtzulassung einzulegen. In diesem Fall müsste das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.
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