Kirche für ein Tempolimit: Mehr auf die Bremse treten
Eine kirchliche Initiative will Unterstützung für eine Geschwindigkeitsbegrenzung sammeln. Und so Druck auf das Verkehrsministerium machen.
Könnte das funktionieren? Immerhin, seine Petition bei Campact hat bereits 216.353 Unterzeichner*innen. Auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist für ein Tempolimit. In einer Forsa-Umfrage von 2022 waren 63 Prozent der Befragten zumindest für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h. Bislang sind alle Forderungen aber am politischen Widerstand der FDP gescheitert.
Dabei drängt es: Der Verkehrssektor ist der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland – und ein Bereich mit hohem Einsparpotenzial. Ein Tempolimit, so wie es von Bärlocher vorgeschlagen wird, würde laut Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe mindestens 11,1 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei die Einzelmaßnahme mit dem höchsten Einsparpotential im Verkehr.
Tempolimit zum Selbermachen
Die Lösung liege also auf der Hand, so Bärlocher: „Wenn die Politik nicht handelt, müssen wir selbst was machen: Wir tun so, als wäre die Geschwindigkeitsregelung bereits beschlossen und umgesetzt.“ Ein Tempolimit zum Selbermachen: Einen ähnlichen Vorschlag legte die evangelische Kirche bereits ihren Mitarbeiter*innen vor. Im Herbst vergangenen Jahres tagte dazu die Synode der EKD. Hier wurde über Klimaschutz und auch übers Tempolimit diskutiert, denn die Kirche sehe sich in der „Schöpfungsverantwortung“. Sie fühle sich dem Natur- und Klimaschutz verpflichtet.
Auf der Synode sprechen auch die Aktivist*innen der Letzten Generation. Eine ihrer Forderungen ist ein Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn. Aimée von Baalen, Sprecherin der Vereinigung, appelliert an die Delegierten: „Wir brauchen jetzt eine gesellschaftliche Transformation. Die werden wir nur mithilfe der Kirche schaffen.“
Aus der Diskussion heraus entsteht ein Beschlusspapier. Darin schreibt die Synode, allen Mitarbeitenden der Kirchen sei geboten, sich bei Dienstfahrten an ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen zu halten.
Das Gebot bleibt freiwillig. Denn wer sollte es auch kontrollieren? Verpflichtende Regeln für ihre Mitarbeiter*innen könnten nur die 20 Landeskirchen verabschieden. Diese setzen darauf, dass ihre Beschäftigten eigenverantwortlich auf die Bremse treten: In einer Umfrage der Nachrichtenagentur epd äußerte keine von ihnen die Absicht, verbindliche Regeln zu verabschieden.
Vom Kirchentag soll ein Signal ausgehen
Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung positioniert die Kirche sich aber auch eindeutig in der politischen Debatte. Außerdem erklärt die Synode in ihrem Papier, sie unterstütze die Bemühungen für ein bundesweites Tempolimit. Die Kirche wolle aber „bei sich selbst anfangen“, so Anna-Nicole Heinrichs, Präses der Synode. Die Delegierten bitten das Kirchenamt noch um eine öffentliche Kampagne zu dieser Selbstverpflichtung. Diese steht bislang aus. „Werdet mit eurem Engagement sichtbar!“, wünscht sich Markus Bärlocher. Er hofft, dass vom Kirchentag ein Signal ausgeht. Das wird es sicherlich, doch wird es auch politisch durchschlagen?
Verkehrsminister Wissing äußert sich bisher ablehnend zum Tempolimit. Die FDP drängt eher auf den Freiheitsgedanken als auf verordneten Klimaschutz. Anders bei den Grünen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) besteht bereits seit geraumer Zeit auf ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Denn genau dies könne ein „wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz“ sein. Mit dieser Haltung ist sie nicht allein. Auch Expert*innen von Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace sprechen sich für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Mit der Koalition aus SPD, Grünen und der FDP wird sich dabei wohl nicht viel machen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance