Kinotipp der Woche: Manchmal braucht es Abwehrzauber
Festival von planetarischem Ausmaß: Bei „Around the World in 14 Films“ trifft Genre-Mix auf Coming-of-age. Postkoloniale Stimmen stehen im Zentrum.
Geisterbeschwörungen, Schamanismus, Rituale, so einige der Filme, die gerade bei der 18. Ausgabe des Festivals „Around the World in 14 Films“ gezeigt werden, behandeln Bereiche der Paraphysik. Ze etwa, die Hauptfigur in dem mongolischen Film „City of Wind“ von Lkhagvadulam Purev-Ochir, scheint eigentlich ein ganz normaler 17-jähriger Schüler zu sein. In seiner Freizeit aber kommuniziert er als Schamane mit den Geistern seiner Vorfahren und vollführt magische Rituale. Als er eines davon an einer seiner Mitschülerinnen vollführt, hat das ungeahnte Auswirkungen.
In „Augure“, dem Debütfilm des belgischen Rappers Baloji, geht es noch wilder zu. Koffi lebt mit seiner weißen Frau seit Jahren in Belgien und reist mit dieser in seine alte Heimat Kongo. Seine Familie empfängt ihn und seine schwangere Frau aber weniger freudig, als der sich das gewünscht hätte. Ganz im Gegenteil, die Familie glaubt, er sei vom Teufel besessen. Ein Tropfen seines Blutes würde ausreichen, auch andere in den Bann des Bösen zu ziehen. Und so unterzieht ihn seine Familie, kaum dass er in der Heimat angekommen ist, einem Exorzismus. An dessen Ende ist er ohnmächtig und findet seinen Kopf von einer Maske umschlossen.
Auch in dem malaysischen Film „Tiger Stripes“ von Amanda Nell Eu beobachtet das direkte Umfeld – in ihrer Mädchenschule und ihrem Dorf – Veränderungen am Körper der Teenagerin Zaffan, die Unruhe bei ihm auslöst. Ein pubertierendes Mädchen wird als Monster wahrgenommen und dieses glaubt bald selbst, dass sie anders ist als die anderen. Auch hier kommen Leute aus dem Dorf zu der Überzeugung, sich nicht mehr anders gegen die bösen Kräfte wehren zu können als mit einem Abwehrzauber.
Das Filmfestival „Around the World in 14 Films“, das noch bis zum 9. Dezember läuft und in den drei Berliner Kinos Kulturbrauerei, delphi Lux und Neues Off statt findet, hat wieder Filme weit jenseits von Hollywood zusammengetragen. Geografisch, aber auch in einem inhaltlichen Sinne. Sie kommen aus Ländern wie Vietnam, Georgien oder Tunesien, deren Filmindustrien aus deutscher Perspektive nicht unter Dauerbeobachtung stehen, und sind schöne Beispiele für gutes Autorenkino aus diesen Ländern.
Around the World in 14 Films. Bis 9. Dezember, Kulturbrauerei, delphi Lux, Neues Off
Auf dem Festival werden einige Filme wie die bereits vorgestellten gezeigt, die Einblicke in Gesellschaften bieten, die dem „Globalen Süden“ zugezählt werden und die oftmals exotisiert werden. Diese Filme zeigen das Ringen von Individuen, sich zwischen Tradition und Moderne zurechtfinden zu müssen, aus deren Perspektiven. Rituale und Magie spielen hier eine Rolle, auch als Versuch, die eigene Kultur in der globalisierten Welt zu verteidigen. Die Protagonisten in diesen Filmen müssen versuchen, sich irgendwie in ihren postkolonialen Räumen zurechtzufinden.
Das ergibt politische Filme. Aber „Tiger Stripes“ etwa ist trotzdem keine schwere Kost, sondern vor allem ein cooler Coming-of-age-Film mit Elementen des Boddy Horrors. Und „Augure“ ist eine wilder Genre-Mix, dem man anzumerken glaubt, dass es das Debüt eines Regisseurs ist, der sich bisher vor allem einen Namen als Rapper gemacht hat. Und das ist positiv gemeint.
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