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Kinotipp der WocheAus der Erde

Die Filmreihe „Unser täglich Brot“ im Zeughauskino zeigt Filme über die Landwirtschaft und verhandelt auch die soziale Frage der Natur.

“Unser täglich Brot“, 2005, Regie: Nikolaus Geyrhalter Foto: Geyrhalterfilm

Als moderner Stadtmensch hat man den direkten Bezug zur Nahrungsmittelproduktion weitgehend verloren. Man kauft abgepacktes Obst und Gemüse im Supermarkt, pappige Aufbackbrötchen in der Bäckerei und Fleisch wird einem so serviert, dass es möglichst nicht nach totem Tier aussieht.

Draußen auf dem Land kommt man der Sache auch kaum näher. Nutztiere verschwinden in riesigen Ställen, in denen bekanntich zum Großteil sehr bedenkliche Zustände vorherrschen. Und knorrige Apfelbäume, auf die man klettern kann, gibt es kaum noch, weil der in der industriell organisierten Landwirtschaft kaum noch von Nutzen ist. Um mit eigenen Augen zu sehen, wie etwa Tomaten heranwachsen, bleibt dem Stadtmenschen eigentlich nur noch sein Urban Gardening.

Gut, dass es da das Kino gibt, das sich oft genug mit der Herstellung von Lebensmitteln beschäftigt hat, wie nun die Reihe “Unser täglich Brot“ zeigt, die bis Ende März im Zeughauskino läuft. In Filmen aus aller Welt, die eine Zeitspanne von fast 100 Jahren umfassen, kann man Bauern bei der Ernte erleben, wie sie ihre Äcker bestellen und frei lebende Tiere auf ihren Höfen gibt es auch noch.

Man taucht ein in die karge schweizer Alpenwelt der Bergbauern in Fredi M. Murers Film “Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld, dass wir da sind“ (1974). Begibt sich in das portugiesische Hochland in “Trás-os-Montes“ von António Reis und Margarida Martins Cordeiro (1976), wo die Menschen noch im Gleichklang mit der Natur leben. Oder erlebt Schaf- und Ziegenhirten bei der Arbeit, wie in “Sweetgrass“ von Ilisa Barbash und Lucien Castaing-Taylor (2009).

Die Filmreihe

Unser täglich Brot, bis 31. März im Zeughauskino, Unter den Linden 2

Nur idyllisch muss man sich diese Lebensformen nicht vorstellen. Eher im Gegenteil. Das Leben der Bauern und Bäuerinnen ist hart und der permanent voranschreitende Strukturwandel macht ihnen in so gut wie jeder Epoche zu schaffen.

Wie weit das Elend gehen kann, zeigt Ermanno Olmi in seinem naturalistischen Meisterwerk “Der Holzschuhbaum“ (1978), einem der schönsten Filme aller Zeiten, der mit seinen drei Stunden keine Minute zu lang ist. Die Bauern und Bäuerinnen in der Lombardei des späten 19. Jahrhunderts leben in brutaler Armut und in Abhängigkeit von ihren Gutsherren.

Als dem Sohn eines Bauern ein Holzschuh kaputt geht, bleibt dem Alten keine andere Möglichkeit, als illegal einen Baum zu fällen, um daraus einen neuen Schuh zu zimmern. Mit der Konsequenz, dass alles noch viel schlimmer wird. Das Elend der Unterdrückten, die eigentlich nicht viel mehr wollen als ein bisschen Würde und etwas zum Beißen zwischen den Zähnen, kommt einem nahe in diesem Film wie in kaum einem anderen.

Der Kampf des Menschen um Nahrung sieht heute auch in den strukturschwächsten Gegenden Italiens anders aus. Eher so wie in der Dokumentation “Unser täglich Brot“ (2005) von Nikolaus Geyrhalter, die der Reihe im Zeughauskino ihren Namen geschenkt hat. Man hat es hier mit einer Art Horrorfilm zu tun, auch wenn er nichts anderes macht, als zu zeigen, wie die modernen Industrienationen zu ihren Lebensmitteln kommen.

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Ohne Massentierhaltung, Pestizide und ausgebeutete Landarbeiter geht gar nichts mehr. Die Bilder, die man hier zu sehen bekommt, nimmt man mit in den Schlaf und der Appetit vergeht einem dabei sowieso. Und bis sich dieser Wahnsinn ändert, wird es noch ewig dauern, das ist allen klar. Vielleicht kommt die vom neuen Umweltminister versprochene Agrarwende ja früher, wenn er sich diesen Film noch einmal genau anschaut.

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