Kinotipp der Woche: Das Verhältnis zur Welt
Leonie Krippendorffs zweiter Langfilm „Kokon“ verdichtet einen Sommer des Erwachsenwerdens. Der Salzgeber Club zeigt ihn in seinem Onlineangebot.
Hitze in Kreuzberg. Die 14jährige Nora hängt mit ihrer älteren Schwester Jule und deren bester Freundin Aylin rund um das Kottbusser Tor ab. Eine Verletzung sorgt dafür, dass Nora den Sommer über in Berlin bleibt, anstatt mit ihrer Klasse auf Kanufahrt zu fahren.
Dann geraten die Dinge in Bewegung: Nora bekommt das erste Mal ihre Periode und stellt fest, dass sie auf Frauen steht. Besonders Romy, die neu ist in der Klasse ihrer Schwester hat es ihr angetan. In den Nächten sucht sie in zaghaften Gesprächen mit ihrer Schwester nach Konzepten für ihre eigenen Gefühle, tagsüber beobachtet sie meist schweigend das Geschehen um sie herum und sucht nach einem Verhältnis zur Welt, die sie umgibt.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Leonie Krippendorffs zweiter Langfilm „Kokon“ verdichtet Noras Sommer des Erwachsenwerdens. Bei der Berlinale letztes Jahr lief der Film in der besten Sektion des Festivals, den Generationen, und wurde gebührend gewürdigt. Nun zeigt ihn der Salzgeber-Verleih in seinem Onlineangebot Salzgeber-Club.
Noras Schwester Jule und ihre beste Freundin Aylin halten in ihrem Umgang miteinander das fragile Gleichgewicht der Verletzlichkeiten mühsam in der Balance. Romy wird für Nora zu einer Projektionsfläche eines Neuanfangs, der Suche nach dem eigenen Begehren, ihrer selbst.
„Kokon“, D 2020, Leonie Krippendorf, ab dem 25. 2. im Salzgeber Club, www.salzgeber.de
Als sie das erste Mal bei Romy übernachtet hat, schreibt Nora ihr am nächsten Tag, es sei schön gewesen. „Ich“ „und“ „aber“ sagt das Handy. Ihre erste Liebe endet in einem gebrochenen Herzen und doch ist Nora am Ende des Sommers eine andere Person, eine glücklichere Person, als nur wenige Wochen zuvor.
Inmitten der Zeiten der Pandemie ist „Kokon“ eine Verheißung. Die Geschichte eines Sommers, in dem Beziehungen, menschliche Nähe und die Suche nach sich selbst die eigene Welt verändern kann. Nur eines würde man sich auch nach „Kokon“ wieder wünschen: dass sich deutsche Filme, die vom Fernsehen koproduziert werden, vielleicht doch nochmal ein zweites Farbspektrum neben den Sepiatönen erobern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!