Kinostart „Divergent – Die Bestimmung“: Posterwechsel im Mädchenzimmer
Ein Mädchen rebelliert: In „Divergent – Die Bestimmung“ trifft der Groschenroman auf Öko-Agitprop, Teenie-Horror aufs Martial-Arts-Drama.
Die USA, zerstört von einem Krieg der Zukunft. Eine Gesellschaft, die sich nach einer strengen Ordnung neu formiert hat. Ein Mädchen, das zuerst in dieser Ordnung aufsteigt und dann gegen sie zu rebellieren beginnt. – In der oberflächlichen Beschreibung klingt „Divergent – Die Bestimmung“ nach etwas, was man schon mal gesehen hat.
Von vorzeitigem Abwinken wird jedoch abgeraten: denn die Ähnlichkeit der Elemente macht die Sache eher interessant. Wer sich bei den „Tributen von Panem“ eingesehen hat in die Welt der Dystopien, in denen junge Heldinnen ihre Taffness unter Beweis stellen und sich von gut gebauten Jungs bewundern lassen, kommt in „Divergent“ auf seine Kosten.
Die Autorin Veronica Roth, deren Buchtrilogie das angekündigte Franchise (es folgen „Insurgent“ und „Allegiant“) zur Vorlage hat, hat ihre Dystopie in bewährter Weise als Antwort auf eine Grundfrage ihrer „Young Adult“-Leserschaft aufgebaut.
„Divergent“ arbeitet sich an der Identitäts- und Charakterbildung ab: Wer bin ich und was kann ich? Im Chicago der Zukunft, das von einer Mauer umgeben ist, hinter der sich ein zerstörtes Umland erstreckt, sind „Tugenden“ zur Struktur erhoben worden. Die Menschen der Stadt leben in fünf Charakter-Fraktionen unterteilt, die getrennt ihren jeweiligen Aufgaben nachgehen: die Furchtlosen verteidigen, die Altruisten regieren, die Gelehrten geben Rat, die Freimütigen sprechen Recht und die Freundlichen bestellen das Land.
„Die Bestimmung – Divergent“. Regie: Neil Burger. Mit Kate Winslet, Shailene Woodley u. a. USA 2014, 139 Min.
Angenehm physische Action
Alle 16-Jährigen werden jedes Jahr auf ihre „Bestimmung“ hin getestet. Dabei geschieht das Unvermeidliche: Unsere Heldin Beatrice (Shailene Woodley) erweist sich als „unbestimmt“ (divergent) und passt nicht ins System. Ihre wahre Identität verbergend, entscheidet sie sich für die Fraktion der Furchtlosen. Dort muss sie sich erst in körperlicher Stärke bewähren, um dann an der Seite ihres Trainers Four (Theo James) eine schreckliche Verschwörung aufzudecken.
Wie gesagt ist es nicht die Originalität der Handlung, die an „Divergent“ die Aufmerksamkeit fesselt. Vielmehr ist es das eigenartige Amalgam von Genres, die einst streng getrennt waren. Der Groschenroman trifft auf den ökologischen Agitpropfilm, der Teenie-Horror aufs Martial-Arts-Drama, eine Rosamunde Pilcher für 16-Jährige kommt in eine Science-Fiction-Welt, die dementsprechend wenig vom Technik-Schnickschnack geprägt ist.
Zwar gibt es auch in „Divergent“ eine allmächtige Elektronik, die – angeleitet von Kate Winslet als „gelehrte“ Übermutter – mittels einer nie geklärten Mischung aus Programmierung und Serumsspritzen Menschen steuert. Das Angenehme und Überraschende ist aber, wie physisch es zugeht: die Action besteht zum größten Teil aus Rennen, Schlagen, Springen, Schießen. Das allerdings garniert mit den fürs Mädchengenre obligatorischen Blickwechseln – mal hasserfüllt, mal grüblerisch, mal sehnsüchtig und auch mal richtig schmachtend.
Neuer Poster-Boy
Mit Shailene Woodley (als Clooney-Tochter in „The Descendants“ zu sehen) haben die Produzenten einen Glücksgriff getan. Ähnlich wie Jennifer Lawrence und doch noch mal anders verkörpert Woodley geradlinig das Mädchenideal: nicht zu hübsch und nicht zu hässlich, unsicher, wenn es um sie selbst, aber taff, wenn es um die Sache geht, tierlieb und voller Gerechtigkeitsempfinden.
Die vielleicht noch größere Entdeckung stellt Theo James dar, der das männliche Sexobjekt an ihrer Seite gibt: Zu Beginn mag man ihn noch für eines der ununterscheidbaren Hübschgesichter mit trainiertem Oberkörper halten, die offenbar an einem geheimen Ort für Hollywood geklont werden, am Ende aber hört man förmlich, wie in Tausenden von Mädchenzimmern die alten Poster von der Wand gerissen werden, um sie durch sein Konterfei zu ersetzen.
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