Kinderschutz in Hamburg: Jugendhilfe auf den Prüfstand
SPD und Grüne reden mit der Linken über einen Antrag für eine Enquete-Kommission zur Jugendhilfe. Ein Fachbündnis legt einen Vorschlag vor
Braucht Hamburg also schon wieder einen Sonder- oder Untersuchungsausschuss des Parlaments? In der Fachwelt mehren sich schon seit längerem die Stimmen für einen anderen Weg, für den sich neuerdings auch SPD und Grüne zu erwärmen scheinen. Sie führen mit der Linksfraktion Gespräche über einen gemeinsamen Antrag für eine Enquete-Kommission. Bis zur Sommerpause soll sich klären, ob das klappt. „Ich bin da zuversichtlich“, sagt die Linke Sabine Boeddingshaus. Denn in Hamburg gebe es ein breites Bündnis dafür, „da kommt Rot-Grün nicht dran vorbei“.
In der Tat fordert inzwischen ein „zivilgesellschaftliches Bündnis“ in einem sieben-seitigen Aufruf, eine „Enquete-Kommission“ einzusetzen, die das gesamte Unterstützungssystem für Kinder und deren Lebensbedingungen grundsätzlich unter die Lupe nimmt. „Die Rechte von Kindern und Jugendlichen umsetzen – für eine nachhaltige Stärkung der Daseinsvorsorge für junge Menschen“, ist das Papier überschrieben, das unter anderem acht Professoren, der frühere Leiter des Jugendamts Mitte Peter Marquard, das „ASD-Vernetzungstreffen“, der Pflegekinder Fachdienst „Pfiff“, die Ver.di-Fachgruppe Soziales und der „Botschafter der Straßenkinder“ Ronald Prieß unterzeichnet haben. Und auch die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände macht „nicht unbeträchtlichen Kompetenzwirrwarr zu Lasten junger Menschen“ aus, und fordert in einem eigenen Papier die Einrichtung einer Enquete-Kommission.
Im Unterschied zu einem Untersuchungs- oder Sonderausschuss, wie es ihn nach den Todesfällen von Jessica (2005), Chantal (2012) und Yagmur (2013) gab, wären in einer Enquete-Kommission nicht nur Politiker, sondern zu gleichen Teilen auch externe Experten mit in der Runde.
Für Entscheidungen über bedeutsame Sachkomplexe kann die Bürgerschaft eine Enquete-Kommission einsetzen. Nötig für einen erfolgreichen Antrag ist ein Fünftel der Stimmen.
Bis zu neun Sachverständige werden von den Fraktionen benannt und von der Präsidentin der Bürgerschaft berufen.
Zuletzt gab es 2006 eine Kommission zu Konsequenzen der PISA-Studie für Hamburgs Schulstruktur. In der Folge wurde die Hauptschule abgeschafft.
Zuvor gab es von 1999 bis 2000 eine Enquete-Kommission zu Strategien gegen Jugendkriminalität und deren Ursachen. Entgegen deren Empfehlungen wurde 2003 erstmals seit 20 Jahren ein geschlossenes Heim eingeführt.
Die Linke möchte schon länger eine Enquete-Kommission. Mit dem früheren Jugendhilfe-Abteilungsleiter und Soziologen Wolfgang Hammer hat die Idee einen aktiven Unterstützer gefunden. „Wir akzeptieren, dass es ein Interesse an der Aufarbeitung tragischer Kinderschutzfälle besteht“, schreiben Hammer und Prieß. Doch die Aufarbeitung von Fehlern und Beinahe-Fehlern in solchen Fällen durch das „Nationale Zentrum für frühe Hilfen“ zeigten, dass die Suche nach individuell zuordbaren Fehlern und die Perfektionierung von Vorschriften „nicht zum Erfolg führen“.
Der Antrag des Bündnisses umfasst 43 zu untersuchende Fragestellungen. Etwa, ob es genug soziale Infrastruktur in belasten Stadtteilen gibt, ob die Jugendämter zu viele Regeln haben, ob die Jugendhilfe „Spezialdienste“ wie das „Familieninterventionsteam“ für delinquente Kinder wirklich braucht. Oder die Frage, welche Änderungen Hamburg auf Landesebene einführen muss, wenn der Bund demnächst das Gesetz ändert und die Rechte der Kinder in Heimen stärkt.
Der Antrag war SPD und Grünen zu breit, beide Parteien äußern sich zurückhaltend. „Es gibt Wünsche und Vorschläge für eine Enquete-Kommission zum Kinder- und Jugendschutz. Darüber sind wir in der Fraktion und zwischen den Fraktionen im Gespräch“, sagt SPD-Fraktionssprecher Claas Ricker. „Es gibt Bereitschaft, sich über ein solches Projekt auszutauschen“, sagt die Grüne Anna Galina.
Eine klare Ablehnung findet die Idee bei der CDU. Man habe ausreichend Punkte benannt, die verbessert werden müssten, findet Phillipp Heißner. Das Problem sei die fehlende Umsetzung. Komme nun eine Enquete, müsse man wieder abwarten. Statt persönliche Verantwortung festzumachen, drohe „eine Verschwommenheit der Debatte“.
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