piwik no script img

Kinderrechte in DeutschlandDas Kindeswohl wird ignoriert

Pro Asyl sieht in Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention verletzt. Bei vielen ämtern spiele das Kindeswohl eine zweitrangige Rolle.

Der Wunsch, selten die Realität: Mitspracherecht für Kinder. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Umgang mit Flüchtlingskindern verletzt nach Ansicht von Pro Asyl die UN-Kinderrechtskonvention. Die medizinische Versorgung reiche nicht aus, der Zugang zur Bildung sei erschwert und minderjährige Flüchtlinge gälten bereits ab 16 Jahren als Erwachsene, so die Vorwürfe der Flüchtlingshilfsorganisation.

Es sei eine "bittere Bilanz", so Pro-Asyl-Vorstand Heiko Kaufmann am Donnerstag in Berlin. Zwar habe die Bundesregierung ihren sogenannten Vorbehalt bei der Kinderrechtskonvention vor einem Jahr zurückgenommen. Anscheinend sei dieser Schritt aber nur "reine Symbolik" gewesen. Und so kommt der Rechtsanwalt Hubert Heinhold zu dem Schluss, dass "die UN-Kinderrechtskonvention hierzulande nach wie vor ein Schattendasein fristet".

Laut Pro Asyl erreichen jährlich etwa 2.000 minderjährige Flüchtlinge die Bundesrepublik. Derzeit erwarten 16.000 Kinder und Jugendliche eine Entscheidung im Asylverfahren. Etwa 30.000 Minderjährige haben den Status der Duldung.

Heinhold sieht ein Hauptproblem im Denken vieler Ämter. So spiele dort das Kindeswohl eine zweitrangige Rolle. Zuerst würden Entscheidungen über das Asyl- und Aufenthaltsrecht geregelt. Deshalb müsse das Kindeswohl gesetzlich als vorrangiges Prinzip festgeschrieben werden, denn dann würde sich die Praxis in den Ämtern ändern.

Die zuständigen Behörden gehen nach Ansicht von Heinhold außerdem nicht genug auf die Situation der Kinder ein. So seien minderjährige Flüchtlinge bei ihren Anhörungen oft auf sich allein gestellt und mit dem Verfahren überfordert. Außerdem ließen sich klassische Asylgründe wie politische Verfolgung bei Kindern schwer finden. Allein die Tatsache, dass ein Kind in einem Staat elternlos ist, müsse für ein Abschiebeverbot reichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • L
    Leidkultur

    @Petra: Absolute Zustimmung.

     

    Und Kaufmann kann die meinetwegen alle adoptieren, mir egal. Aber nicht uns resp. unseren Sozialämtern vor die Tür knallen (wollen). Ich WEIß, wie beschissen es vielen deutschen Familien geht. Und da rede ich nicht vom Sozialhilfeadel. Und von Leuten wie Kaufmann /Pro Asyl werden die symbolisch nochmal in den Dreck getreten. Pfui Teufel.

  • M
    Manfred

    Die UN-Kinderechtskonvention wird auch z. b. bei Strafverfahren gegen die Eltern bzw. Familienangehörige nicht beachtet.Oft werden daher de facto die Kinder mitbestraft.

  • F
    Fawkrin

    Nicht nur bei Flüchtlingskindern wird vom Staat das Kindeswohl ignoriert, auch in vielen Jugendämtern wird es mittlerweile ignoriert - trotz staatlichem Wächteramt über ALLE Kinder.

    Möge die TAZ doch mal in den Jugendämtern eher ländlicher Kommunen und kleinerer Städte recherchieren...

    Pseudosparzwänge hebeln dort Kinderrechte schlicht aus.

    Gerne berichte ich mehr.

  • P
    Petra

    Zitat: "Die Tatsache, dass ein Kind in einem Staat ternlos ist, müsse für ein Abschiebeverbot reichen."

     

    Dümmer gehts nimmer, lieber Benedikt. Dann schicken uns die Afrikaner mal eben einige Hundertausend Kinder und Deutschland zahlt sich dumm und dämlich für diese unwillkommenden Flüchtlinge.

    Das Gegenteil muss passieren, schnelle Abschiebung, damit es gar nicht erst zum Trennungsschmerz etc. bei den Wohlstandsflüchtlingen kommen kann.

     

    Pro-Asyl ist eine Organisation die genau wie die NPD verboten werden muss. Denn beiden schaden unserem Land.