UN verurteilt Vatikan: Straffreiheit für Kindsmissbrauch
Die Vereinten Nationen kritisieren die katholische Kirche für ihren Umgang mit Missbrauchsfällen an Kindern. Der Vatikan spricht von einer Einmischung in die Morallehre.
GENF/ROM ap/afp | Ein Menschenrechtsausschuss hat dem Vatikan die Verletzung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen vorgeworfen und eine umfassende Aufarbeitung gefordert. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht kritisierten die UN-Experten zudem die Einstellung der Kirche zu Homosexualität, Verhütung und Abtreibung.
Der Bericht ist das Ergebnis einer Anhörung vor dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes im Januar, bei der sich Vertreter des Vatikans erstmals öffentlich und ausführlich zu den Missbrauchskandalen hatten äußern müssen.
„Der Ausschuss ist äußerst besorgt, dass der Heilige Stuhl das Ausmaß der verübten Verbrechen nicht eingestanden und die nötigen Maßnahmen nicht ergriffen hat, um die Fälle von Kindesmissbrauch anzusprechen und Kinder zu schützen“, hieß es nun in dem Bericht. Der Vatikan habe eine Politik und Praktiken verfolgt, die dazu führten, dass die Missbrauchsfälle andauerten und die Täter straflos ausgingen.
Der UN-Ausschuss aus fünf unabhängigen Experten rief die von Papst Franziskus im Dezember ernannte Missbrauchskommission im Vatikan auf, eine unabhängige Untersuchung aller Fälle von Missbrauch durch Priester durchzuführen und auch die Reaktionen der Kirche im Verlauf der Jahre unter die Lupe zu nehmen. Es müsse klare Regeln für die verpflichtende Meldung von Vorfällen an die Polizei geben, hieß es in dem Bericht.
Die Empfehlungen des UN-Ausschusses sind nicht bindend und es gibt auch keine Möglichkeit, ihre Umsetzung zu erzwingen. Stattdessen forderten die UN den Vatikan auf, die Empfehlungen umzusetzen und bis 2017 einen Bericht darüber abzuliefern.
14 Jahre Verspätung
Konkret war es bei der Befragung Mitte Januar darum gegangen, ob der Vatikan die von ihm ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention einhält. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten unter anderem, alle nötigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern zu ergreifen und die Belange der Kinder über alles andere zu stellen. Der letzte Bericht des Vatikans zur Umsetzung wurde allerdings mit 14 Jahren Verspätung veröffentlicht.
Die Empfehlungen der UN-Experten gingen weit über die Missbrauchfälle hinaus und beinhalteten auch Passagen über die Diskriminierung von Kindern und ihr Recht auf angemessene Gesundheitsversorgung. Mit den Aufforderungen, die katholischen Positionen zur Verhütung und Abtreibung zu überprüfen, ging der Ausschuss auch auf Konfrontation mit Kernlehren der Kirche.
Der Vatikan hat die Forderungen der Vereinten Nationen am Mittwoch in einer Erklärung zurückgewiesen. Der Heilige Stuhl bedauere, dass der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in einem Bericht versucht habe, „sich in Lehren der Katholischen Kirche zur Würde des Menschen und zur Ausübung religiöser Freiheit einzumischen“. Gleichzeitig sagte der Vatikan aber eine gründliche Auswertung des UN-Berichts zu: Die römisch-katholische Kirche sehe sich in der Pflicht, „die Rechte des Kindes zu verteidigen und zu schützen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus