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Kinderarbeit und tödliche UnfälleWunderkerzen aus kleinen Händen

In den Fabriken von Sivakasi werden Feuerwerkskörper auch für den europäischen Markt hergestellt - unter katastrophalen Umständen.

Der deutsche Marktführer Weco hat bereits 1995 die Zusammenarbeit mit Herstellern in Sivakasi beendet. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie haben keine Fingernägel mehr. Ihre Hände sind verätzt. Arme und Gesicht sind von Brandnarben gezeichnet. Laut des Kinderhilfsordens Don Bosco stellen Kinder in der südindischen Stadt Sivakasi Raketen, Böller und Wunderkerzen her. Die Kinder sind zwischen 10 und 12 Jahre alt, sie arbeiten 13 Stunden am Tag auf engstem Raum, sechs Tage die Woche.

Viele Mädchen sind es, die auf den Unterricht verzichten müssten, damit sie mit dem hart verdienten Geld ihren Familien helfen könnten. Obwohl Kinderarbeit in Indien verboten ist, sind laut der österreichischen Organisation "Jugend eine Welt" 70.000 Jungen und Mädchen in der Feuerwerksindustrie beschäftigt, die meisten von ihnen in und um Sivakasi.

Der indische Sozialarbeiter und Kinderrechtsexperte Vincent Thamburaj vom Orden Don Bosco beobachtet die katastrophalen Zustände seit 15 Jahren. "In den Fabriken passieren häufig schwere Unfälle, bei denen Kinder ums Leben kommen. Jeder Funke kann eine Explosion auslösen.

Asthma und Herz-Kreislauf-Erkranungen

Diese Unfälle werden aber verschwiegen, so dass wir kaum wissen, wie viele Tote es in der Feuerwerksindustrie wirklich gibt", sagte Vincent Thamburaj der taz. Zudem würden Kinder mit Aluminium- oder Schwefelpulver hantieren und giftige Stoffe einatmen. Oft würden Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten.

Laut Don Bosco wird bei der Herstellung ständig mit neuen Stoffzusammensetzungen experimentiert. Allein im Sommer 2009 soll es zu mehreren schweren Zwischenfällen gekommen sein. 43 Arbeiterinnnen und Arbeiter hätten dabei ihr Leben verloren. Thamburaj sagt, die jüngste Explosion habe sich vor zwei Monaten ereignet, es seien zehn Menschen tödlich verunglückt.

Doch trotz dieser schrecklichen Umstände floriert das Geschäft mit Böllern und Raketen weiter. Indien ist nach China der zweitgrößte Exporteur für Feuerwerkskörper. Produkte aus den Kinderfabriken in Sivakasi landen in ganz Europa, sagt der Don-Bosco-Orden.

Geschäft mit den Böllern floriert

Weco, in Deutschland Marktführer bei Feuerwerkskörpern, mit Sitz in Eitorf bei Bonn, stellt nach eigenen Angaben 40 Prozent seiner Waren in Eigenproduktion her. Die Firma erhielt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) 1995 und 1996 drei Zulassungen von Feuerwerkskörpern aus Sivakasi, die noch immer gültig sind.

Bereits 1995 habe man die Geschäftsbeziehungen jedoch nach einer einmaligen Lieferung abgebrochen, gab Weco bekannt. Grund seien neben mangelnder Qualität die Produktions- und Arbeitsumstände vor Ort gewesen. Thamburaj fordert die europäischen Importeure auf, Druck auf die indischen Betriebe auszuüben, die Kinderarbeit endlich einzustellen.

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3 Kommentare

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  • M
    Montse

    Ich war absolut schockiert beim Lesen dieses Artikels.

    Es ist menschenverachtend, daß unsere linken Politiker von "Armut" in Deutschland sprechen, wenn wie hier in Berlin, die Menschen in prekären Lebenssituationen Unsummen in diese tödlichen Böller stecken.

    Hergestellt von Kindern, für die "Armut" in Deutschland ein Paradies wäre.

    Und dann bringen diese Böller noch einmal Elend, indem sie gezielt auf Menschen gerichtet oder unsachgemäß angewendet werden. Ich befürchte, einigen wäre es für ihren Spaß egal, unter welch entsetzlichen Bedingungen ihr "Spielzeug" hergestellt wurde, aber wo sind die ewig schreienden politisch Korrekten, wenn es wirklich um etwas unfassbar Grausames geht?

    Daß das fette reiche Deutschland (in Italien ist es bereits vielfach verboten) privates Feuerwerk nicht verbietet, ist ein Skandal.

    Man sollte, statt hier über "Kinderarmut" zu schwadronieren, den Menschen das Leid der indischen Kinder deutlich vor Augen führen, denn so lange hier unser Spaß über Leichen in der Dritten Welt geht, scheinen wir ja letztendlich mit "Ausbeutung" in keiner Gruppe der Bevölkerung ernsthafte Probleme zu haben.

    Mit diesem Elend ist nichts zu vergleichen, was hier täglich als "Schere zwischen arm und reich" beschworen wird.

    Aber vor einem Boykott dieses Zeugs haben unsere Politiker zu viel Angst: Vor der Wirtschaft und vor den Wählern.

    Weil hier in Deutschland die Ballerei eine Heilige Kuh ist.

    Ich habe weder in Spanien noch England noch in Italien eine solche fanatische Besessenheit von Knallkörpern erlebt wie hier in Berlin. Die Jugendlichen stehen das ganze Jahr über inzwischen nachts mit Böllern und Alkohol im Park. Da dieser Mist nur Silvester verkauft wird, kann man sich ausmalen, was diese "benachteiligten" Kids dafür ausgeben.

    Spaß auf Kosten anderer Kinder am anderen Ende der Welt.

    Ich bin eigentlich gegen Kollektivschuld, aber das ist eine Schande für die gesamte Wohlstandsgesellschaft.

  • A
    arribert

    Wer bei ALDI 60 Euro für eine 90-sekündige Feuerwerksbatterie ausgibt, von dem kann man sicherlich nicht erwarten, dass er in der Lage ist, sich intellektuell mit den Arbeitsbedingungen der Produktionsstätten auseinanderzusetzen.

    Das ist leider das Problem unserer Gesellschaft und der aktuellen Wirtschaftskrise, der heimische Binnenumsatz darf unter keinen Umständen zum Erlahmen oder gar Erliegen gebracht werden. Zur Not wird dafür auch über Kinderleichen gegangen.

  • S
    Schoenlink

    Ausbeutung der menschen gehört nun mal zum kapitalismus. Nicht zynisch gemeint, ist nun mal so. Ausbeutung in der krassen form findet in der brd nicht statt, aber ausgebeutet wird auch hier. Ein freund von mir arbeitet im wachdienst. 5 euro die stunde, selbstverständlich brutto, mehr ist schliesslich nicht drin.