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Keine selbstgenähte Maske fürs KindMama ist zu cool für Schnickschnack

Mal wieder unsichtbar troubleshooten und nähen Mamas an allen Ecken und Enden. Alle Mamas? Nein, diese nicht.

Viele Mamas nähen Masken. Mama kann es aber auch lassen Foto: Eibner Europa/imago

I n meinem Freundeskreis mehren sich die von Mamas genähten Masken. Geschlechtliche Arbeitsteilung überall. Darüber haben nun schon einige geschrieben, wie eine Gesundheitskrise eine Mehrbelastung für Frauen bedeutet. Mal wieder unsichtbar und wie selbstverständlich eingefordert, troubleshooten sie an allen Ecken und Enden.

Das Maskennähen ist ein kleiner, aber feiner Wurmfortsatz dieses Phänomens. Mama macht das schon. Ich muss gestehen, da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: blanker Neid darüber, dass die anderen Mamas meinen Freunden was Schönes zum Überleben nähen. Und Stolz darüber, dass meine Mama ihrem wohlverdienten Slackertum nachkommt und denkt: Liebe Kinder, macht doch euren Scheiß allein. Die Blagen sind schließlich aus dem Haus und wurden mühsam zur Eigenständigkeit erzogen.

Ich gratuliere meiner Mama für ihre Abgrenzung und Selbstbehauptung und lupsche gleichzeitig eifersüchtig auf den Mundschutz der anderen. Während ich meinen Schal mehr schlecht als recht um das untere Drittel meines Kopfes wickele, erzählen sie mir mit gerührtem Blick, wer den für sie gemacht hat. Meine Mama ist viel zu cool für so einen Schnickschnack, sage ich mir. Nicht das unsere Beziehung generell von sorglosem Pragmatismus geprägt wäre. Ganz und gar nicht.

Meine Mutter schickt mir immer noch Carepakete zum Geburtstag in einem umfunktionierten Schuhkarton. Neben Süßigkeiten befinden sich darin auch Unterhosen und Socken. Auch noch mit 41. Ich glaube, ich habe mir mit 28 zum ersten Mal selbst eine Unterhose gekauft.

In einem Carepaket zu meinem 25. Geburtstag fand ich unter einem Gewühl von Aldischokolade („Masse statt Klasse“, lacht da meine Mama immer) einmal mein altes Kuscheltier Dorle, benannt nach dem Nachbarshund, der mich als Fünfjährige in den Bauch gebissen hat. Meine Mama weiß nämlich auch mit einem Trauma umzugehen. Sich den Feind ins Bett holen und ihn zähmen.

Die Re-Infantilisierung, dass sie mir mein Kuscheltier in meinen Studentenjahren hin­terherschickt, hat jedenfalls bestens funktioniert: Dorle liegt immer noch in meinem Bett, nun neben einem Kuscheltier in Form eines Hais, den sie mir schenkte, als ich anfing zu ­tauchen. Erwähnte ich schon? 41.

Und dann das: eines Morgens eine WhatsApp-Nachricht, ich solle mal in den Briefkasten schauen. Nervös erwarte ich die Sendung. Mit zittrigen Fingern öffne ich das Kuvert. Fünf Masken fallen heraus. Nicht selbst genäht mit Spitzen und Schleifchen, sondern schnöde, graublaue Einmalmasken. Stibitzt vom Rathaus ihres Dorfes, wo diese Woche an alle Dorfbewohner fünf Stück vergeben wurden.

Meine Mutter hat einfach behauptet, dass ihre beiden Töchter gerade zu Hause wohnen. „Typisch“, hat sie an der Ausgabe gesagt, „in der Krise kommen alle heim ins Hotel Mama.“ Ich bin gerührt von der kriminellen Energie, die sie entwickelt, um ihre Brut in Sicherheit zu wissen. Viel cooler, als wenn sie daheim über der ollen Nähmaschine selbst gebrütet hätte. Beim Reden über Privilegien in Coronazeiten fehlt mir oft eine Perspektive. Was es für ein Riesenprivileg ist, dass man Eltern hat, die einen lieben und die man selbst liebt.

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Sarah Diehl
Autorin&Aktivistin
Sarah Diehl lebt als Autorin und Aktivistin in Berlin und fühlt sich in der Politik ebenso zu Hause wie im Literarischen. Sie engagiert sich seit 15 Jahren im Bereich der internationalen reproduktiven Rechte und hat hierzu den preisgekrönten Dokumentarfilm Abortion Democracy - Poland/South Africa gedreht und ist Mitbegründerin der Organisation Ciocia Basia, die Frauen unterstützt, sichere Schwangerschaftsabbrüche zu bekommen. Zu ihren Veröffentlichungen zählen zahlreiche Essays und Kurzgeschichten in diversen Publikationen. Ihr Roman Eskimo Limon 9 handelt vom Culture Clash zwischen Israelis und Deutschen und ihr Sachbuch Die Uhr, die nicht tickt von der Abwertung der kinderlosen Frau als Druckmittel zur unbezahlten Care-Arbeit. Hier zum taztalk über ihr letztes Sachbuch "Die Freiheit, allein zu sein": https://www.youtube.com/watch?v=PrlpVDnVPAk
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4 Kommentare

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  • Schön! 😀

  • Zitat: „Was es für ein Riesenprivileg ist, dass man Eltern hat, die einen lieben und die man selbst liebt.“

    „Das Lateinische privilegium setzt sich zusammen aus den Wörtern lex („Gesetz, Rechtsvorschrift“) und privus („einzeln, gesondert“) zusammen. Als Privilegien wurden im Römischen Recht ursprünglich rechtliche Entscheidungen bezeichnet, die eine einzelne Person betrafen, also keine Gruppe und auch nicht die Gesamtheit der römischen Bürger.“ [Zitat: Wikipedia]

    Ist es wirklich ein Privileg, liebende Eltern zu haben? Ich persönlich finde ja, es ist eher ein unverdientes Glück, ein Zufall, über den man sich freuen und für den man dankbar sein kann, kein Privileg. Es gibt schließlich kein Gesetz, das Eltern ein bestimmtes Maß an Liebe einer bestimmten Qualität vorschreibt. Denn es gibt keine Macht, die das Einhalten der Regel erzwingen oder davon befreien könnte.

    Wenn überhaupt ist es ja wohl die Mutter, die ein Sonderrecht für sich in Anspruch nimmt. Und zwar unter Hinweis darauf, dass sie ihre Kinder liebt. Als täten andere das nicht!

    Sicher, die Mutter hätte zum Bürgermeister gehen und ihn bitten können, für sie eine Ausnahme zu machen von der Regel, die jedem Einwohner 5 Masken gratis zuweist. Hat sie aber nicht. Sie hat selbständig entschieden. Unter, sagen wir, kreativer Interpretation der Regel hat sie sich ein Recht herausgenommen, das zum Systemversagen führen würde, würde sich jede*r so verhalten unter Verweis auf seine persönlichen Gründe.

    Manche wollen trotzdem „gleicher“ sein. So gleich wie andere Privilegierte. Nur: Wenn jeder machen würde, was einzelne sich anmaßen, gäbe es keine Gesellschaft. Dann würde das Gesetz des Stärkeren, brutaleren gelten, die reine Evolutions-Lehre also, die Männer erst zu dem gemacht hat, was sie jetzt sind.

    Wollen wir das? Eigentlich nicht. Es wäre also schön, Ü-40-Menschen würden Verantwortung zeigen und von Raub-Privilegien nicht profitieren wollen. Ein Traum? Ja, leider.

  • Ach herm.

    “Wer hat dir denn so toll deine Haare geflochten?“



    “Mein Papa natürlich!“

  • "... blanker Neid darüber, dass die anderen Mamas meinen Freunden was Schönes zum Überleben nähen."

    Das ein erwachsener Mensch überhaupt auf Mamas Maske wartet, ist eine Armutszeugnis. Fast jeder kann Nadel und Faden bedienen.